Archiv


"Ein Marathon, der eine Weile dauert"

Auf deutschen Straßen sollen bis 2020 eine Million Elektrofahrzeuge unterwegs sein. Man habe aber große Fortschritte gemacht. Die deutsche Industrie sei gut unterwegs, sagte Henning Kagermann, Vorsitzender der Nationalen Plattform Elektromobilität.

Henning Kagermann im Gespräch mit Georg Ehring |
    Georg Ehring: Der Umbau der Stromversorgung auf erneuerbare Energien geht voran, aber Autos, die fahren immer noch mit Benzin oder Diesel. Das soll sich ändern: Im Jahr 2020 sollen eine Million Elektroautos auf Deutschlands Straßen unterwegs sein. Umweltfreundlich unterwegs wären sie, wenn dann auch der Strom aus erneuerbaren Quellen stammt. Eine Million Elektroautos sollen es bis 2020 sein, höchstens jedes 20. Auto wäre das, das auf den Straßen rollt, aber immerhin ein Anfang. Der Elektromobilität zum Durchbruch verhelfen will Henning Kagermann, der Chef der Nationalen Plattform Elektromobilität, und ihn begrüße ich jetzt hier bei der "Woche der Umwelt". Herr Kagermann, die Elektromobilität ist mit großen Hoffnungen gestartet worden; momentan hört man weniger davon. Wie ist denn der Stand?

    Henning Kagermann: Herr Ehring, der Stand ist sehr gut. Wir haben große Fortschritte gemacht. Und dass Sie so wenig hören, liegt natürlich daran, Sie haben es eben gesagt, dass wir in 2020 erst zwei Prozent der Autos auf den Straßen haben werden. Wir haben gesagt, das ist ein Marathon und das dauert eine Weile. Aber ich kann Ihnen versichern, dass wir gut unterwegs sind, insbesondere die deutsche Industrie.

    Ehring: Ab wann können denn Elektroautos tatsächlich einen Beitrag leisten zur Entlastung unserer Umwelt?

    Kagermann: Das machen sie eigentlich sofort, denn selbst heute, wenn wir den Strommix angucken mit CO2, den wir in Deutschland haben, sind Elektroautos schon günstiger als das beste Dieselfahrzeug. Wir gehen davon aus, dass in 2020 der Strom für die Elektrofahrzeuge komplett aus erneuerbaren Energien kommt, weil es weniger als ein Prozent des Strombedarfs in Deutschland ist, und dann können Sie wirklich sagen, dass wir null Emissionen haben bei Elektroautos.

    Ehring: Aber den großen Beitrag zur Entlastung der Umwelt leisten sie doch erst, wenn sie auch in Massen unterwegs sind?

    Kagermann: Das ist richtig. Aber Sie müssen davon ausgehen, dass das in Schritten vor sich geht. Wir haben zum Beispiel in 2030 Schätzungen von etwa sechs Millionen elektrifizierten Fahrzeugen im Markt, das wären dann 15 Prozent, also schon etwas besser. Aber letztendlich sind ja die Ziele der EU auf 2050 ausgerichtet, wo man im Prinzip 90 Prozent emissionsfreies Fahren haben möchte.

    Ehring: Jetzt schauen wir dann doch mal etwas mehr in die nähere Zukunft. Es wird ja gestartet mit Pilotprojekten, mit Versuchen. Wie läuft das?

    Kagermann: Das läuft recht gut. Wir haben ja die Modellregionen abgeschlossen, haben jetzt vier große Schaufenster ausgelobt, in denen wir auch der breiten Bevölkerung Elektromobilität nahebringen wollen, denn es ist interessant: Es gibt Versuche, wo man Leute befragt hat, ob sie ein Elektroauto haben möchte, und da antworten gar nicht so viele. Wenn sie aber einmal in einem Elektroauto gesessen haben, dann steigt die Kaufbereitschaft sprunghaft an auf 20, 30 Prozent. Das wollen wir mit den Schaufenstern noch ein bisschen anstacheln.

    Ehring: Nun ist das Elektroauto ja längst nicht etwas für jeden. Für welche Nutzergruppe wäre es denn in der Anfangsphase, also in diesem Jahrzehnt sagen wir mal, interessant?

    Kagermann: Ja das ist zunächst mal der gewerbliche Bereich. Wir stellen uns vor, dass es auch bei Dienstwagenflotten eine Rolle spielen kann. Und dann natürlich im städtischen Umfeld. Also ich würde sagen, für die, die kurze Fahrten haben, so etwa bis zu 100 Kilometern, zur Arbeitsstelle, wieder zurück, in die Stadt hinein, als Zweitwagen oder eben auch als kleiner Familienwagen, macht das Sinn.

    Ehring: Wie weit ist die Reichweite denn momentan etwa zu steigern? Das ist ja einer der beiden großen Haken noch bei der Elektromobilität.

    Kagermann: Ja wir sind derzeit bei etwa 150 Kilometern. Wir haben festgestellt, dass man so bis 200 Kilometer wohl relativ schnell kommen wird. Das ist auch etwa die Grenze, die die Verbraucher gerne hätten, wo die Akzeptanz da ist. Wenn Sie natürlich jetzt eine Mischung haben zwischen einem reinen batterieelektrischen Auto mit einer Reichweitenverlängerung, also einem kleinen Verbrennungsmotor, oder ein Hybridfahrzeug, dann können natürlich unbegrenzte Reichweiten, 500, 600, 700 Kilometer möglich sein.

    Ehring: Der zweite Haken ist das Tanken. Wie muss man sich das vorstellen?

    Kagermann: Wir gehen davon aus, dass die meisten Tankvorgänge zunächst einmal zuhause passieren, in der Garage. Mit einer ganz normalen Steckdose dauert es zwar sechs bis acht Stunden, aber wenn man eine Extrabox bei sich in der Garage anbringt, kann man mit höheren Stromstärken laden und dann kommen wir vielleicht auf eine Stunde. Dann wird es öffentliche Tankmöglichkeiten geben, etwa mit der gleichen Zeit, und wir hoffen, dass über die Zeit es auch Schnelllademöglichkeiten gibt, und dann könnten wir durchaus in 2020 bei zehn bis 15 Minuten sein.

    Ehring: Bei einer normalen Tankstelle geht es ja tatsächlich immer noch deutlich schneller. Aber das kommt dann in die Reichweite herein?

    Kagermann: Das sehe ich auch so. Ich meine, wenn wir an die zehn Minuten kommen, dann würden Sie auch zugeben, dass wir dann etwa da sind, wo wir hin wollen, und das ist bis 2020 durchaus im Bereich des Möglichen.

    Ehring: In den nächsten Jahrzehnten wird immer noch der überwiegende Teil der Autos mit Benzin und Diesel betrieben. Ist die Elektromobilität manchmal auch als Alibi missbraucht, um bei den konventionellen Fahrzeugen nicht so viel machen zu müssen?

    Kagermann: Nein, das ist nicht der Fall. Wir gehen technologieoffen an die Sache heran. Es gibt eine ganze Reihe von Technologien, die vielversprechend sind. Das sind alternative Biokraftstoffe, das ist Wasserstoff, das sind natürlich batterieelektrische Autos, worum sich die Nationale Plattform kümmert. Und seien wir ehrlich: Wir freuen uns auch, dass die Hersteller jetzt natürlich immens investieren, den Verbrauch der konventionellen Fahrzeuge herunterzubringen, und da sind durchaus noch 30 bis 35 Prozent drin.

    Ehring: Herzlichen Dank – Professor Henning Kagermann war das, der Chef der Nationalen Plattform Elektromobilität.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.