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Ein Mönch als Biologe
Mendel und die Gene

Am Sonntag ist es genau 150 Jahre her, da trat der Augustiner-Mönch Gregor Johann Mendel vor die naturforschende Gesellschaft in Brünn. Er erläuterte dort die Ergebnisse seiner Züchtungsversuche mit Erbsen verschiedener Sorten. und legte somit den Grundstein für die "Gene" als biologische Einheit. Noch heute muss jeder Schüler die Mendelschen Regeln auswendig lernen und anwenden.

Von Michael Lange |
    Der Platz vor der Augustinerabtei in Brünn heißt heute Mendelplatz. Er befindet sich mitten in der tschechischen Universitätsstadt Brno auf halber Strecke zwischen Prag und Wien.
    Direkt hinter der Klostermauer befanden sich einst der Gemüsegarten der Abtei und ein Treibhaus, von dem heute nur noch das Fundament zu sehen ist, erklärt Daniela Vránová vom Mendel-Museum der Masaryk-Universität.
    Die nach dem Zweiten Weltkrieg vertriebenen Augustiner-Mönche sind inzwischen nach Brno zurückgekehrt. Und in der Klosterkirche feiern sie die Messe auf Tschechisch.
    Liebe zur Naturwissenschaft
    Mendel war ein gläubiger Mensch, aber seine Liebe gehörte der Naturwissenschaft. Einen Widerspruch sah er darin nicht, erläutert Ondřej Dostál, der Direktor des Mendelmuseums in Brno.
    "Mendel ging als Mönch zum Studium nach Wien, weil er beim Examen für den Lehrerberuf durchgefallen war. Er erhielt aber die Erlaubnis in Wien Naturwissenschaften zu studieren. Für Mendel erfüllte sich ein Traum. Er studierte bei dem renommierten Physiker Christian Doppler, damit er in Brünn Lehrer werden durfte."
    Mendel entwickelte eigene Statistik
    Mendel erlernte in Wien die Methoden der Physik seiner Zeit und wandte sie zurück in Brünn auf die Botanik an. Etwa zehn Jahre lang kreuzte er akribisch verschiedene Erbsensorten, die er im Klostergarten vor seinem Zimmer züchtete. Und seine Auswertungen waren keineswegs nur einfache Erbsenzählerei. Gregor Johann Mendel hatte die Arbeitsweise der Botanik von Grund auf verändert. Der Wissenschaftshistoriker und Sachbuchautor Ernst Peter Fischer sieht darin die größte Leistung Mendels.
    "Er hat die Statistik sozusagen auf den Kopf gestellt. Die Botaniker haben früher immer nur eine Pflanze genommen und an dieser einen Pflanze möglichst viele Eigenschaften gemessen oder gezählt. Und Mendel dreht das herum. Er nimmt viele Pflanzen und zählt an diesen nur eine Eigenschaft: Entweder die Farbe der Blätter, die Blattform, die Blattstängel und diese Dinge. Und indem er immer nur diese einzelne Eigenschaft bei vielen Pflanzen beobachtet, kann er so etwas wie eine Statistik machen."
    Mendel fand heraus: Wenn er weißblühende mit rotblühenden Erbsen kreuzte, dann waren alle Pflanzen der nächsten Generation rotblühend. Das ist heute die erste Mendelsche Regel – die Uniformitätsregel. Dann kreuzte er die Pflanzen erneut untereinander, und die bereits verschwundenen weißen Blüten tauchten wieder auf - bei einem Viertel der Pflanzen.
    1909 erfanden sie dafür den Begriff "Gen"
    Das besagt die zweite Mendelsche Regel, die Spaltungsregel. Diese Regeln wurden allerdings lange nach Mendels Tod formuliert. Erst seine Nachfolger erkannten, dass hinter diesen Gesetzmäßigkeiten biologische Einheiten der Vererbung steckten. 1909 erfanden sie dafür den Begriff "Gen". Bioinformatiker von heute wie Martin Vingron vom Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik in Berlin beschäftigen sich mit dem Zusammenspiel vieler Gene.
    "Man hat Dinge gefunden, die wie Gene aussehen, die aber scheinbar nur RNA und kein Protein codieren. Und das hat den Genbegriff fundamental erschüttert."
    Der Begriff "Gen" hat nach über hundert Jahren seine große Bedeutung für die Forschung verloren. Und was ein Gen ist, können heutige Genetiker nicht mehr so genau sagen.