Archiv


Ein neuer Neuer Markt?

Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler hat sein Herz für Start-ups entdeckt: Mit einem eigenen Börsenbereich möchte er den jungen, innovativen Firmen Kapital verschaffen. Die Börse reagiert zurückhaltend – zu tief sitzen die schlechten Erfahrungen mit dem Neuen Markt der 90er-Jahre.

Von Michael Braun |
    Er war nie tot, der zuletzt skandalumwitterte Neue Markt für junge Wachstumsunternehmen. Die Börse musste ihn vor zehn Jahren schließen. Aber es gab Nachfolger, den Entry Standard etwa, ein Börsensegment, das den dort notierten Unternehmen wenig vorschrieb, wie und wie häufig sie zum Beispiel ihre Geschäftszahlen zu veröffentlichen hätten. Doch das genügt scheinbar nicht. Der Bundesverband deutsche Startups, eine Interessenvertretung junger Unternehmen, sieht Finanzierungsdefizite, vor allem nach der geglückten Gründung.

    "Wenn diese Unternehmen dann wachsen möchten, internationalisieren möchten, also vielleicht mal fünf, zehn oder sogar mal 50 Millionen benötigen – das sind die Summen, die dann darüber entscheiden, ob aus einem vielleicht deutschen mittelständischen Unternehmen dann ein internationaler Player werden kann – kaum Angebote. Deshalb halten wir das für eine sinnvolle Initiative, dies über ein Börsensegment zu lösen."

    Sagt Florian Nöll, ein Vorstand des Start-up-Verbandes. Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler hat das aufgegriffen, Jungunternehmer und Deutsche Börse zusammengebracht. Nun ist von der Wiederbelebung des Neuen Marktes die Rede. Die Börse reagiert aber zurückhaltend. Sie ließ auf Anfrage wissen, das Segment "Entry Standard" biete schon heute wachstumsbereiten und börsenreifen Unternehmen Zugang zum Kapitalmarkt.

    "Die Transparenzanforderungen sind in diesem Segment mit vertretbarem Aufwand auch für kleinere Unternehmen erfüllbar. Kompromisse beim Investorenschutz plant die Börse im Interesse von Marktstabilität und -integrität nicht."

    Soll wohl heißen: Eine Zockerbude aufmachen, in der keine Regeln gelten, dafür werde sich die Börse nicht hergeben. Zu tief sitzen die Erfahrungen mit dem Neuen Markt, wo nicht nur risikoreiche, sondern auch betrügerische Unternehmen Anlegern das Geld aus der Tasche gezogen haben. Der Start-up-Verband kennt diese Geschichte, will aber nicht in ihr verharren. Florian Nöll:

    "Wir haben, und das ist ganz wichtig, andere Unternehmen, die heute jetzt für einen Börsengang in Frage kommen, die wesentlich mehr Substanz haben, die deutlich höhere Umsätze generieren. Und deswegen muss erlaubt sein, diese Diskussion auch wieder zu führen."

    Dennoch bleibt die Frage offen, was den Jungunternehmen angeboten werden könnte, welche Erleichterung, wenn die bisherigen Formen der Börsenfinanzierung angeblich nicht ausreichen, der Anleger aber auch nicht in ein Spielcasino gelockt werden soll. Das Risikoprofil eines Börsensegments für Startups passt jedenfalls nicht zur bisherigen Risikoneigung des hiesigen Anlegers. Gerrit Fey vom Deutschen Aktieninstitut:

    "Wir finanzieren lieber den Staat, wir finanzieren lieber Anleihen. Wir wollen also Sicherheit als Privatanleger. Und das ist auch ähnlich im institutionellen Bereich. Denn die Institutionellen bekommen natürlich letztendlich ihr natürlich von den Privaten. Und die geben dann indirekt zumindest auch vor, wie die Risikoeinstellung dort ist. Das heißt, wir haben auf der Angebotsseite tatsächlich das Problem, dass wir es nicht schaffen, einen Pool an Risikokapital zu erschließen."

    Immerhin: Die unternehmerische Haltung scheint bei expandierenden Start-ups gut ausgeprägt zu sein. Insgesamt ist das Gründungsgeschehen in Deutschland deutlich rückläufig. Ein Grund: Viele Gründer scheuen die langen Arbeitszeiten. Das hatte kürzlich eine KfW-Studie ergeben.