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Ein neues Kochrezept für die Ursuppe

Chemie. - Die Zutaten für die Ursuppe sind hinlänglich bekannt: Eine seltsame Mischung aus Ammoniak, Kohlendioxid und Wasser. Das Kochrezept für die Ursuppe bleibt hingegen umstritten. Vor etwa 3,7 Milliarden Jahren müssen wohl in einer Uratmosphäre chemische Prozesse abgelaufen sein, die zu ersten organischen Verbindungen geführt haben. Diese sollen sich, so die Theorie, in den Urozeanen angereichert haben. Am Ende entstanden immer kompliziertere Strukturen, die schließlich als erste Lebewesen die Blaualgen hervorgebracht haben. Wie der Ammoniak als entscheidende Zutat in die Ursuppe hineingekommen ist, haben jetzt Chemiker der Universität Jena aufgeklärt.

11.06.2003
    Von Sabine Goldhahn

    Ein ganz normaler Tag im 21. Jahrhundert. Und dennoch kocht mitten in Jena in einer riesigen Technikumshalle ein Teil der Ursuppe. In einer eigens gebauten Apparatur stehen Glaskolben, Rohre und Gasflaschen, die allesamt in einem normalen Labor keinen Platz mehr hätten. Sie sind das Herzstück eines Experiments, bei dem am Ende Ammoniak entsteht. - Der Stickstofflieferant für die Ursuppe. Denn molekularer Stickstoff aus der Atmosphäre war ohne chemische Umwandlung offensichtlich ungeeignet. Günter Kreisel vom Institut für Technische Chemie in Jena.

    Der molekulare Stickstoff ist eines der wenigen Elemente, das mit einer Stickstoff-Stickstoff-Dreifachbindung verbunden ist, und Stickstoff ist ein ganz wenig reaktives Element. Um Stickstoff zur Reaktion zu bringen, haben Sie mehrere Möglichkeiten. Eine kennt jeder: Wenn Sie ungefähr bei 1000 Grad beginnen, können Sie Stickstoff oxidieren, also Sie brauchen sehr viel Wärme. Das findet zum Beispiel jeden Tag im Automotor statt, dafür brauchen sie einen Katalysator, um das NOX wieder zu entfernen, oder sie müssen Ammoniaksynthese machen...

    ...und auch da sind extreme Bedingungen nötig, nämlich sehr hohe Drücke und Temperaturen. Schlechte Voraussetzungen also für die Entstehung des Lebens. Dennoch ist Ammoniak als Stickstofflieferant sehr wahrscheinlich, denn er reagiert sehr leicht mit anderen Elementen und gibt dabei seinen Stickstoff ab. Über die Herkunft des Ammoniaks auf der Erde gibt es allerdings verschiedene Theorien.

    Der Ammoniak kann entweder aus vulkanischen Abscheidungen kommen, also das heißt, dass er als Mineral irgendwo in der Erde ist und sich irgendwie gebildet hat, er kann in frühen Gewittern auf oxidativem Weg entstanden sein, also in der Luft durch elektrische Entladung, wo Stickstoff oxidiert wird zu NO oder NO2 und der in Folgeprozessen umgewandelt wird,

    erklärt Günter Kreisel und sein skeptisches Gesicht verrät, dass er und sein Kollege Wolfgang Weigand eine andere Variante für wahrscheinlicher halten: Die sanfte Umwandlung von Stickstoff zu Ammoniak an der Oberfläche von Eisensulfid. Diese Reaktion läuft in ähnlicher Form noch heute an den Wurzeln einiger Pflanzen ab. Bei Lupinen, Erbsen und anderen Gewächsen. Dort sitzen sogenannte Knöllchenbakterien, die mit ihrem eisen- und schwefelhaltigen Enzym Nitrogenase den Luftstickstoff umwandeln. Bis zu 200 Millionen Tonnen Ammoniak gelangen auf diese Weise jedes Jahr in die Erdatmosphäre. Weigand und Kreisel haben diese Reaktion zum Anlass genommen, um in ihrer Technikumshalle dasselbe zu versuchen.

    Nachdem diese Phase vorbei ist, dass das Wasser ausgekocht wurde, wird Eisensulfat eingefüllt, und es wird Eisensulfid mit Natriumsulfid ganz frisch gefällt, und in dieses frisch gefällte Eisensulfid wird dann der Stickstoff eingeleitet.

    Während der Stickstoff mit handelsüblichem Eisensulfid nicht reagiert, läuft die Reaktion mit dem frisch gefällten Eisensulfid in die gewünschte Richtung. Molekularer Stickstoff lagert sich an das Eisensulfid an und es entsteht Ammoniak.

    Unsere Theorie ist, dass an der Oberfläche des frisch gefällten Eisensulfids Strukturmuster entstehen, die der natürlichen Nitrogenase vielleicht ähnlich sind, und dass dort ähnliche Reaktionen stattfinden wie in den entsprechenden Pflanzen.

    Ganz offensichtlich müssen die Schwefel-Eisen-Verbindungen im frisch gefällten Eisensulfid eine so zerklüftete Oberfläche haben, dass sich molekularer Stickstoff besonders gut anheften und reagieren kann. Wie das im Detail funktioniert, ist bislang unklar. Zumindest haben die Jenaer Chemiker mit komplizierten Reinigungsverfahren dafür gesorgt, dass keine unerwünschten Stickstoffverbindungen in der Apparatur die Ergebnisse verfälschen. Dass die Ausbeute trotz aller Mühen nur sehr gering ist, zeigt Kreisel anhand einiger Gläschen, die verschieden grün gefärbte Flüssigkeiten enthalten.

    Es gibt einen Test, der Ammoniak dadurch anzeigt, das am Ende eine grüne Farbe entwickelt wird, und die Intensität der grünen Farbe kann man mit einer Eichskala vergleichen und Sie sehen hier, dieses etwas dunkelgrün gefärbte Töpfchen hat ungefähr 5 Milligramm Ammoniak im Liter Probe.

    Fünf Milligramm Ammoniak pro Liter. Kaum vorstellbar, dass aus so geringen Mengen in grauer Vorzeit Leben entstanden ist. Aber die Reaktionen hatten ja Millionen von Jahren Zeit und auf einer ganzen Erde Platz.