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Ein Populist mit dem Rücken zur Wand

Vergangenes Wochenende wurde in Venezuela geputscht: Am Freitag jagten die Militärs Präsident Hugo Chavez aus dem Amt und ernannten den Arbeitgeberchef Pedro Carmona zum "Übergangspräsidenten". Am Sonntag bereits kehrte Chávez in den Regierungspalast Miraflores zurück. Das Volk war auf die Straße gegangen und auch die Nachbarstaaten hatten deutlich zu verstehen gegeben, dass sie die neuen Machthaber ablehnten. Nur die US-Regierung hatte den Regierungswechsel in Caracas begrüßt. Regierungssprecher Ari Fleischer meinte, Chávez hätte "seinen Rücktritt erklärt", und im übrigen habe er die Reaktion der Militärs durch seinen autoritären Führungsstil selbst verschuldet.

Gaby Weber |
    Vergangenes Wochenende wurde in Venezuela geputscht: Am Freitag jagten die Militärs Präsident Hugo Chavez aus dem Amt und ernannten den Arbeitgeberchef Pedro Carmona zum "Übergangspräsidenten". Am Sonntag bereits kehrte Chávez in den Regierungspalast Miraflores zurück. Das Volk war auf die Straße gegangen und auch die Nachbarstaaten hatten deutlich zu verstehen gegeben, dass sie die neuen Machthaber ablehnten. Nur die US-Regierung hatte den Regierungswechsel in Caracas begrüßt. Regierungssprecher Ari Fleischer meinte, Chávez hätte "seinen Rücktritt erklärt", und im übrigen habe er die Reaktion der Militärs durch seinen autoritären Führungsstil selbst verschuldet.

    Während die europäischen Politiker den USA nicht widersprachen, verurteilte die Organisation Amerikanischer Staaten gegen den Widerstand des US-Vertreters den Putsch als "Veränderung der verfassungsgemäßen Regierung". Erst als Chávez am Sonntag die Amtsgeschäfte wieder übernommen hatte, ließen die USA ihren langjährigen Verbündeten, den Putschisten Pedro Carmona, fallen.

    Jetzt stehen Carmona unsichere Zeiten bevor. Zwar will Chavez keine "Hexenjagd" veranstalten. Er schickte Carmona und seine Leute in den Hausarrest. Ob die vor Gericht gestellt werden, müssen jetzt die Juristen entscheiden. An Vorwürfen fehtlt es nicht, Arbeitgeberpräsident Carmona hatte seit Monaten das Land destabilisiert. Nach Außen hin hatte er freilich noch bis wenige Tage vor dem Staatsstreich behauptet, die Verfassung respektieren zu wollen. Carmona:

    Wir wollen Chávez nicht stürzen. Darum geht es nicht. Er soll ruhig auf seinem Regierungssessel sitzen bleiben. Aber er soll endlich regieren! Er muss sich mit anderen an einen Tisch setzen und deren Meinung hören, bevor er Entscheidungen trifft. Aber er ernennt seine Minister nicht aufgrund ihrer beruflichen Qualifikation sondern aufgrund ihres bedingungslosen Gehorsams. Die Vertreter des Dialogs wurden aus seiner Regierung entlassen.

    Doch Carmonas erste Amtshandlung als Übergangspräsident der Militärs war nicht der Dialog sondern die Repression. Er schloss das Parlament, setzte den Obersten Gerichtshof außer Kraft und ließ Chavez Parteigänger festnehmen. So hatten sich das die Venezolaner nicht vorgestellt, auch nicht die, die zuvor gegen Chávez protestiert hatten. Sie gingen wieder auf die Straße, verteidigten die Demokratie und erzwangen Carmonas Rücktritt.

    Chavez hatte vor zehn Jahren selbst versucht, mit einem Putsch an die Macht zu kommen. Im Lande der korrupten Präsidenten macht ihn das zum Volkshelden, denn er lehnte sich - so verkündete er - gegen die unfähigen und bestechlichen Politiker auf. Er wurde damals verhaftet und verurteilt. Doch vor 3 Jahren wurde er mit überwiegender Mehrheit zum Präsidenten gewählt und erfreute sich anfangs einer ungeheuren Beliebtheit. Diese Sympathie hat er weitgehend verspielt, im Inland wie im Ausland.

    Washington stört sich daran, dass Chavez mit Fidel Castro befreundet ist und Kontakte zu Irak, Iran und Libyien unterhält - so genannte "Schurkenstaaten" allesamt. Und seine Landsleute ärgern sich über seinen autoritären Führungsstil. Die Opposition wird angeführt von Presse, Unternehmern und der Gewerkschaft CTV, die nach vielen Streiks und Demonstrationen am vergangenen Wochenende alles auf eine Karte setzten; doch der Staatsstreich scheiterte.

    Das Volk feierte die Rückkehr Chavez mit Freudenfesten auf der Straße.

    Sie riefen die Parole: Das geeinte Volk wird nicht besiegt!

    Dennoch sind die Probleme Venezuelas damit nicht gelöst, denn die Gesellschaft ist tief gespalten. Auch mit Blick auf die Person Hugo Chávez. Gegen ihn sind nicht nur die Reichen sondern auch breite Teile der Mittelschicht. Anfang des Jahres wurde die Währung abgewertet und die Menschen verloren über ein Drittel der Kaufkraft. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, Gewalt an der Tagesordnung.

    Die Chavez-Gegner konnten wie seine Befürworter ebenfalls Hunderttausende auf die Straßen bringen. Und sie riefen die selbe Parole: Das geeinte Volk wird nicht besiegt! Eine Dame im Kostüm schlägt mit Kopflöffeln auf einen Topf:

    Er ist der einzige im Land, der Befehle erteilt. Wir wollen keine neuen Steuern und mehr Gewalt. Wir wollen in Ruhe arbeiten und in Ruhe gelassen werden.

    Aufgerufen zur Demonstration haben der Unternehmerverband von Pedro Carmona, die Gewerkschaft und die traditionellen Parteien, die sozialdemokratische Demokratische Aktion (AD) und die konservative Copei. Die Presse marschiert geeint, voran die Journalisten vom "Nacional” und ihr Chefredakteur Miguel Enrique Otero:

    Wir demonstrieren für die Meinungs- und Pressefreiheit. Hier sind die Jungen und die Arbeiter. Ich habe geschrieben, dass sich Chávez gerne in einen Diktator verwandeln würde. Aber das wird das Volk verhindern.

    "Er soll gehen”, rufen die Demonstranten.

    Trotz seines überwältigenden Wahlsieges vor drei Jahren stand Chávez mit dem Rücken an der Wand. Für Unternehmer, Gewerkschaften, Parteien und Medien war er ein Diktator, aber auch viele seiner Mitstreiter haben sich von ihm abgewandt. Alfredo Peña zum Beispiel, der den Kommunisten nahe steht und wegen seiner Enthüllungen gegen die Korruption ins Exil gedrängt worden war. Chávez holte ihn zurück und ernannte ihn zum Bürgermeister der Hauptstadt. Dann verlangte er von ihm die Unterstellung der Polizei unter sein Oberkommando. Peña weigerte sich und wechselte die Front. Innenminister Luis Miquilena, ebenfalls KP-nahe, trat im Januar, ohne Gründe zu nennen, zurück. Chavez besetzte alle strategisch wichtigen Posten mit Militärs, die somit Minister und vor allem Direktoren der staatlichen Erdölgesellschaft wurden.

    Doch seit Wochen brodelt es auch in den Streitkräften. Mehrere Offiziere bezogen öffentlich Stellung gegen ihren Obersten Dienstherrn und forderten ihn zum Rücktritt auf. Aber es herrschte eine Art Gleichgewicht. Den Chavez-Anhängern standen in den Kasernen wie auf der Straße ebenso viele Chavez-Gegner gegenüber. Und es gab - so schien es zumindest - auch keinen richtigen Anlass für einen Staatsstreich. Chavez verletzte nicht grob die Menschenrechte, in Venezuela wurde nicht gefoltert, Zeitungsredaktionen wurden nicht geschlossen, politische Gegner nicht verfolgt.

    Die Vertreter der ausländischen Unternehmen hielten den Präsidenten eher für eine folkloristische Figur als für eine wirkliche Bedrohung. Denn Chávez hat zwar mit großem Gestus "Revolutionäres” angekündigt, tatsächlich aber die Interessen der Mächtigen nicht wirklich beeinträchtigt.

    Und im Zentrum der Interessen steht das Erdöl. Venezuela ist der drittgrößte Lieferant der USA. Die Lieferwege sind kurz, das Land liegt günstig, nicht in der Krisenregion Naher Osten, sondern an der Karibik.

    Chávez hat in der Verfassung festschreiben lassen, dass das Erdöl nicht privatisiert werden darf. Aber darüber regte sich niemand auf. Das steht auch in der mexikanischen Verfassung und verhinderte nicht, dass bei der letzten Finanzkrise die Einnahmen aus dem Ölexport als Bürgschaft für Kredite des Internationalen Währungsfonds eingesetzt wurden.

    Die USA werfen Chávez gute Beziehungen zu Fidel Castro vor, sowie, sich als Vermittler für die kolumbianischen FARC-Guerilla zur Verfügung zu stellen und Saddam Hussein und Ghaddafi zu besuchen. Aber mit Kuba machen auch die Vereinigten Staaten Geschäfte, Flugverbindungen wurden wieder aufgenommen. Venezuela steht der kolumbianischen Guerilla nicht als Rückzugsgebiet zur Verfügung. Und dass Chávez mit den Staatschefs Libyens und des Iraks über den Erdölpreis diskutiert, kann man ihm nicht verübeln.

    Die OPEC wird derzeit von einem Venezolaner geleitet, sagt German Garcia-Velutini, Manager der Banco de Crédito und Präsident der deutsch-venezolanischen Handelskammer:

    In meinen Augen ist Chávez weder rechts noch links. Sein Hauptanliegen ist die Kontrolle der Wirtschaft durch den Staat, den ER kontrolliert. Der venezolanische Kapitalismus wird wesentlich durch die öffentliche Hand bestimmt, denn der Staat ist Eigentümer der Energievorkommen wie Kohle, Gas, Wasserkraft und Erdöl sowie des Eisens und des Aluminiums. Es geht ihm um Kontrolle an sich, nicht um Kapitalismus oder Sozialismus. Ihm gefällt die Macht.

    Die Kritik der USA, in Venezuela würde der Terrorismus nicht ausreichend bekämpft , versteht der Banker nicht:

    Es ist ein offenes Geheimnis, dass Chávez der Bush-Administration schriftlich versichert hat, auch im Falle eines Konflikts in Saudi-Arabien die Lieferungen sicherzustellen.

    So hält sich Chávez nicht nur den Rücken frei. Er soll, hört man aus seiner engsten Umgebung, fest davon überzeugt sein, dass ihn mit den Familien von George Bush und Dick Cheney handfeste Interessen verbinden. Beide stammen aus der US-Petroindustrie und verdienen an einem hohen, nicht an einem niedrigen Ölpreis. Die USA sind nach Saudi Arabien größter Ölproduzent der Welt.

    Zugleich sind sie auch größter Importeur. Um einen Ausgleich zu schaffen, hat die US-Regierung die Bandbreite pro Barrel auf 22 bis 28 Dollar festgelegt. Steigt der Ölpreis, wirtschaften auch George Bush und seine Vizepräsident Cheney mehr Geld in ihre Taschen, hofft man in Caracas. Dort hängt der Staatshaushalt von einem hohen Ölpreis ab. Auf Initiative Venezuelas wurde Rußland, Nicht-Mitglied des Öl-Kartells, überzeugt, in Zukunft freiwillig weniger zu fördern. So soll das Angebot auf dem Weltmarkt knapp gehalten, der Preis in die Höhe getrieben werden. Die Industriestaaten seien unterschiedlich von der Entwicklung des Ölpreises betroffen, meint Garcia-Velutini von der deutschen Handelskammer:

    Es gibt eine klare Differenz zwischen dem kontinentalen, nicht-ölproduzierenden Europa wie Frankreich, Deutschland, Italien auf der einen Seite und den USA auf der anderen Seite. Die Vereinigten Staaten fördern selbst sehr viel Öl. Und wenn es einen Konflikt in Saudi Arabien gäbe, wären die USA plötzlich die größten Erdölproduzenten der Welt.

    Washington hält es für nicht ausgeschlossen, dass sein langjähriger Verbündeter – das saudische Königshaus – durch arabische Fundamentalisten geschwächt wird. Osama Bin Laden hat wiederholt angekündigt, dass er das "Schwarze Gold” nicht für 25 sondern für 144 Dollar pro Barrel exportieren wird, sollte er die Macht in seinem Heimatland an sich reißen. Das würde die nordamerikanische Wirtschaft, die auf Energieimporte angewiesen ist, in den Bankrott treiben.

    Seit dem Zweiten Weltkrieg ist die US-Außenpolitik auf die Sicherstellung dieser Importe ausgerichtet. Deshalb sind die USA, wenn es um Venezuela geht, so sensibel. Ihre übertriebene Reaktion sei nur psychologisch zu erklären”, meint Christian Sommerhalder, der die Dresdner Bank in Caracas vertritt: Take Sommerhalder: "Konkret könnte ich Ihnen jetzt keine Liste aufzählen, was er alles gemacht hat und was alles in den Scherben liegt, es ist wahrscheinlich einfach die Art und Weise. Wie eine Wespe die ab und zu sticht.”


    Diese "Wespenstiche” haben auch die venezolanische Gesellschaft zweigeteilt. Die Neureichen stören sich an Chavez’ Herkunft, seine Eltern waren Volkschullehrer, sein Großvater war Indianer. Die Oberschicht ärgert sich, dass ein Militär - statt den Besitzenden zu gehorchen – sie belehren will. Und die Mittelschicht regt sich über neue bürokratische Hindernisse auf. In den Amtsstuben sind die Schlangen länger geworden, Vorschriften widersprüchlich oder unsinnig, die Beamten noch unprofessioneller als zu sozialdemokratischen und christsozialen Zeiten.

    Nur die ausländischen Konzerne tragen es mit Fassung. ”Vielleicht brauchte das Land einen Exzentriker, um aus seiner politischen Lethargie aufzuwachen”, meint Sommerhalder von der Dresdner Bank. Beim Thema Chávez zuckt er die Achseln und fragt, wen denn die Opposition zu bieten habe?

    Die im vergangenen November durchgepeitschten Gesetze sind weniger radikal, als die Opposition behauptet. Das Fischfang-Gesetz besagt, dass die industriellen Flotten erst sechs Meilen von der Küste entfernt ihre Netze auswerfen dürfen. Das schützt Kleinfischer und verhindert Überfischung, ist also sinnvoll. Das neue Küstengesetz schreibt vor, dass alle Strände öffentlich sind und dass private Gebäude einen Abstand von achtzig Metern einhalten müssen. Das Petroleum-Gesetz sieht höhere Abgaben bei der Öl-Förderung vor und schreibt bei Joint-Venture-Unternehmungen eine staatliche Mehrheit vor.

    Die Unternehmer stören sich vor allem am "Ley de tierras”, der Agrarreform. Es will nicht genutzte Ländereien an landlose Bauern verteilen und sei "ein Angriff auf das Eigentum”, so Arbeitgeberpräsident Carmona. Doch bei näherem Hinsehen entpuppt sich das Gesetz als Bluff. Denn die venezolanische Landwirtschaft findet im Hafen statt – wie es der Volksmund ausdrückt. Fast alle Lebensmittel werden importiert. Die Petrodollars machen es möglich.

    Die Estancien im Landesinneren beschäftigen Kolumbianer als Arbeitskräfte. Es gibt in Venezuela keine Bauern- oder Landlosenbewegung, die Armen leben in Wellblechhütten am Stadtrand. Nur dort gelangen sie in den Genuß von staatlichen Zuwendungen und Hilfsprogrammen. Das Klima ist milde, es gibt keinen Winter, überall wachsen Obstbäume. Die Armen sind an Paternalismus gewöhnt, und die Bolivarianische Republik führt dieses Modell fort.

    Bislang hat Chávez nicht verraten, wie er sein Vorhaben bewerkstelligen will. Woher soll das Geld für seine Agrarreform kommen? Von den Banken jedenfalls nicht, meint der Banker Garcia-Velutini.

    Die Begünstigten erhalten für ihre Ländereien keine Besitztitel. Sie können nicht mit Hypotheken belastet oder an die Kinder vererbt werden. Das heißt: man gibt ihnen das Land nicht wirklich.

    Durch die Verweigerung der Besitztitel werden Kredite verhindert, denn – so Garcia-Velutini – "ohne Bürgschaft gibt es kein Geld”. Die Regierung wollte verhindern, dass die Kleinbauern das Land wieder verkaufen. Doch dies hätte man auch mit anderen Methoden verhindern können, etwa dadurch, indem man konfiszierten Boden nur an Kooperativen verteilt. Die Erfahrung lehrt, dass ein Bauer, der nicht Besitzer seines Bodens ist, nicht investiert und auch nicht nachhaltig wirtschaftet.

    Noch werden Lebensmittel und Waren aus dem Ausland eingeführt, zunehmend aus Brasilien. Für Chávez eine strategische Verbindung. Er verdankt der Regierung in Brasilia nicht nur eine klare Parteinahme gegen die Putschisten Carmonas. Venezuela will den Handelsaustausch verstärken. Die Landstraße zwischen Caracas und Manaus wurde vor kurzem eingeweiht, und die brasilianische Firma Odebrecht baut in Venezuela die Metro aus und eine Brücke über den Orinoco, schwärmt Fernando Portelo, der Beauftragte der Venezolanisch-Brasilianischen Handelskammer in Caracas:

    Wir haben eine große Schwäche, eine Archillesferse: Wir sind auf Energie-Importe angewiesen. Und Venezuela hat Energie im Überfluss.

    Monatelang wurde in Brasilien der Stromverbrauch radikal eingeschränkt, das Wirtschaftswachstum ging zurück. Aus eigener Kraft kann das Land diesen Mangel nicht überwinden. Aber der Nachbar Venezuela exportiert Energie. Schon heute wird der brasilianische Bundesstaat Roraima mit Strom aus Ciudad Guyana am Guri-Fluß versorgt:

    Wir wollen von Venezuela Gas, Öl und Kohle für den Norden und Nordostens Brasiliens kaufen. Wir haben gerade ein Abkommen geschlossen, wonach Venezuela 1.800 Tankstellen in Brasilien bauen wird und mit ihrem Erdöl beliefern wird. Das wird in zwei, drei Jahren fertig sein.

    Die USA sehen diesen Handel gar nicht gerne, sie betrachten das schwarze Gold Venezuelas als "ihren” Besitz, Brasilien als Konkurrenten.

    Die Linke ist uneins, wie sie sich verhalten soll. Sie hing immer am Zipfel des paternalistischen Staates, der dank der Petrodollars Intellektuelle an sich band. Die meisten Intellektuellen landeten bei der oppositionellen Presse. Manche greifen Chávez frontal an, wie Teodoro Petkoff, Gründer der "Bewegung für den Sozialismus”. Andere gehen vornehm auf Distanz, wie der frühere Guerillero, der Ökologe Douglas Bravo.

    Nur wenige halten dem "Comandante” die Stange. Und selbst diese wenigen Linken sind im Regierungspalast wenig willkommen, meint Eduardo Terra. Während in anderen Ländern des Subkontinents linke Bündnisse auf Basisdemokratie und Dezentralisierung setzen, werden in Venezuela keine neuen sozialen Modelle umgesetzt, so Terra. Er wollte nach dem Wahlsieg Stadtteilkomitees organisieren, um die "Bolivarianische Revolution” an der Basis voranzutreiben.

    Die boliviarianische Bewegung ist erst vor wenigen Jahren aus dem Nichts entstanden. Sie hat keine gewachsene Struktur wie in anderen Ländern etwa die Frente Amplio in Uruguay oder die Arbeiterpartei PT in Brasilien. Sie muss hier erst aufgebaut werden und dabei wollte ich mithelfen. Wir dürfen nicht davor die Augen verschließen, dass diejenigen, die heute mit der roten Baskenmütze herumlaufen, noch bis vor wenigen Jahren mit der weißen Mütze der Sozialdemokraten oder der grünen der Konservativen herumgelaufen sind.

    Doch an Basisdemokratie bestand kein Bedarf, linke Aktivisten wurden entweder in den Staatsapparat integriert und dort mit einem Maulkorb versehen oder in die Rolle von Zuschauern gedrängt.

    Die große Verliererin ist die zivile Gesellschaft. Denn Chávez stützt sich nur auf die Armee. Das ist seine Partei.

    Vielleicht ist Hugo Chávez nach den Ereignissen vom Wochenende aber bereit, seine Macht mit anderen gesellschaftlichen Kräften zu teilen. Ohne die Zivilgesellschaft wäre er nicht wieder in den Regierungspalast Miraflores zurückgekehrt. Sie ist die eigentliche Gewinnerin in Venezuela.