Es war ein langes und reich erfülltes Künstlerleben, das sich Hans Werner Henze eröffnete: ein Leben aus dem Esprit der Musik und für die Musik. Mitte der 90er-Jahre notierte er in einer unter dem Titel Reiselieder mit böhmischen Quinten veröffentlichten Autobiografie: "Jeden Tag kommen neue Noten und Ideen dazu". Tatsächlich ist es fast bis zum Schluss so geblieben: "Es wird von morgens bis abends und nachts in den Träumen unentwegt komponiert, kombiniert, konstruiert."
Seine Hartnäckigkeit und die Gunst mancher Umstände haben Hans Werner Henze aus Gütersloh zu einem Repräsentanten deutschen Kulturlebens werden lassen. Die Reflexion des Deutsch-Seins zieht sich als "cantus firmus" durch seine zahlreichen Texte. Gleich nach dem Krieg trat er mit einem Kammerkonzert à la Paul Hindemith öffentlich hervor. Zwei Jahre später dirigierte der Lehrer Wolfgang Fortner seine 1. Sinfonie im Pyrmont. Später wurde diese Arbeit, wie manch anderes, revidiert - und Henze, der selbst gerne am Dirigentenpult stand, spielte sie mit den Berliner Philharmonikern ein.
Kurz nach dem symphonischen Debüt stellte der junge Henze die Befähigung zu bühnenwirksamem Komponieren mit "Wundertheater" und "Boulevard Solitude" unter Beweis. 1953 legte er sich einen Wohnsitz in Italien zu. Das mediterrane Licht wirkte sich ebenso wie das angenehme Ambiente auf Henzes Ton aus, vornan auf den mit Ingeborg Bachmann auf den Weg und 1965 an der Deutschen Oper Berlin zur Uraufführung gebrachten "Jungen Lord" - und bereits beim "Prinz von Homburg", der ebenfalls in Zusammenarbeit mit der Freundin entstand. Kleists Drama habe von ihm "geradezu die Gegenüberstellung von Dodekafonie und alter Harmonik" gefordert. ["Die Dialektik [von] Gesetz und Gesetzesbruch, Traum und Wirklichkeit, Lüge und Wahrheit - dieser Dualismus" habe ihn von da an sein "ganzes Leben lang nicht mehr losgelassen".]
Dass die Verlagerung des Lebensschwerpunktes nach Latium erfolgte, weil damals in der Bundesrepublik Homosexualität noch strafbar und die Auseinandersetzung mit der musikalischen Avantgarde, mit der er sich überwarf, unangenehm war, gehört zu den Selbststilisierungen des Komponisten, der dann lange eine Professur in Köln versah. Mit der Homburg-Phase begann er sich als "Linker" zu definieren und das Image eines Außenseiters zu pflegen, wiewohl er tatsächlich stets in der Bundesrepublik bestens im Geschäft war und zu den etabliertesten deutschen Komponisten gehörte (sein Freund Klaus Geitel erklärte ihn zutreffend - und dies war positiv gemeint - zum "Wirtschaftswunderkomponisten" par excellence). Zu Henzes Reputation als "undogmatischem Modernen" trug erheblich bei, dass er zu Volker Schlöndorffs Film "Der junge Törless" die Musik beisteuerte, später auch zur Heinrich-Böll-Verfilmung "Katharina Blum". Doch in hohem Maß blieb Henze ein schier unermüdlicher Produzent von Kammer- und Orchestermusik. 1969 war er bereits bei seiner sechsten Symphonie angelangt.
Nach den linken Gastspielen in der Zeit um 1968 und Werken wie der mit Hans Magnus Enzensberger geschriebenen "La Cubana" oder wie "We come to the river" - wandte sich Henze wieder mit leichter Hand der Englischen Katze zu. Mit feinem Gespür für den großen politischen Paradigmenwechsel steuerte er 1990 für die Deutsche Oper Berlin die um die Frage des Vatermords kreisenden Oper "Das verratene Meer" bei und segelte wieder in die ästhetisch-politischen Gewässer seiner Anfangsjahre zurück - auch als Leiter der Biennale für Neues Musiktheater in München. Das künstlerisch-merkantile Sensorium Henzes registrierte sensibel, dass die leichte Hand, mit der er Werke wie der Junge Lord aufs Papier geworfen hatte, wohl die ästhetisch glücklichste Phase seiner Biografie markierten.
In mancherlei Hinsicht knüpfte der Alte Meister an dem an, was vor der linken Politisierung entstand, als er 2003 als heiter-märchenhaftes Resümee seines Bühnenschaffens "L'Upuppa" für die Salzburger Festspiele schrieb - noch einmal ein Werk, das breiteste Akzeptanz suchte und sich daher der bereits in den 50er-Jahren diagnostizierten Linie "kompromissbereiter Unverbindlichkeit" befleißigte. Aber dann gab es noch einen ganz unerwarteten Nachschlag: die herb-strenge Konzertoper "Phaedra" im Opernhaus Unter den Linden zu Berlin: Gerade auch durch die dialektische Spannung zwischen diesen beiden Spätwerken wurde Hans-Werner Henze, was er ist: ein signifikanter Künstler der Epoche.
Seine Hartnäckigkeit und die Gunst mancher Umstände haben Hans Werner Henze aus Gütersloh zu einem Repräsentanten deutschen Kulturlebens werden lassen. Die Reflexion des Deutsch-Seins zieht sich als "cantus firmus" durch seine zahlreichen Texte. Gleich nach dem Krieg trat er mit einem Kammerkonzert à la Paul Hindemith öffentlich hervor. Zwei Jahre später dirigierte der Lehrer Wolfgang Fortner seine 1. Sinfonie im Pyrmont. Später wurde diese Arbeit, wie manch anderes, revidiert - und Henze, der selbst gerne am Dirigentenpult stand, spielte sie mit den Berliner Philharmonikern ein.
Kurz nach dem symphonischen Debüt stellte der junge Henze die Befähigung zu bühnenwirksamem Komponieren mit "Wundertheater" und "Boulevard Solitude" unter Beweis. 1953 legte er sich einen Wohnsitz in Italien zu. Das mediterrane Licht wirkte sich ebenso wie das angenehme Ambiente auf Henzes Ton aus, vornan auf den mit Ingeborg Bachmann auf den Weg und 1965 an der Deutschen Oper Berlin zur Uraufführung gebrachten "Jungen Lord" - und bereits beim "Prinz von Homburg", der ebenfalls in Zusammenarbeit mit der Freundin entstand. Kleists Drama habe von ihm "geradezu die Gegenüberstellung von Dodekafonie und alter Harmonik" gefordert. ["Die Dialektik [von] Gesetz und Gesetzesbruch, Traum und Wirklichkeit, Lüge und Wahrheit - dieser Dualismus" habe ihn von da an sein "ganzes Leben lang nicht mehr losgelassen".]
Dass die Verlagerung des Lebensschwerpunktes nach Latium erfolgte, weil damals in der Bundesrepublik Homosexualität noch strafbar und die Auseinandersetzung mit der musikalischen Avantgarde, mit der er sich überwarf, unangenehm war, gehört zu den Selbststilisierungen des Komponisten, der dann lange eine Professur in Köln versah. Mit der Homburg-Phase begann er sich als "Linker" zu definieren und das Image eines Außenseiters zu pflegen, wiewohl er tatsächlich stets in der Bundesrepublik bestens im Geschäft war und zu den etabliertesten deutschen Komponisten gehörte (sein Freund Klaus Geitel erklärte ihn zutreffend - und dies war positiv gemeint - zum "Wirtschaftswunderkomponisten" par excellence). Zu Henzes Reputation als "undogmatischem Modernen" trug erheblich bei, dass er zu Volker Schlöndorffs Film "Der junge Törless" die Musik beisteuerte, später auch zur Heinrich-Böll-Verfilmung "Katharina Blum". Doch in hohem Maß blieb Henze ein schier unermüdlicher Produzent von Kammer- und Orchestermusik. 1969 war er bereits bei seiner sechsten Symphonie angelangt.
Nach den linken Gastspielen in der Zeit um 1968 und Werken wie der mit Hans Magnus Enzensberger geschriebenen "La Cubana" oder wie "We come to the river" - wandte sich Henze wieder mit leichter Hand der Englischen Katze zu. Mit feinem Gespür für den großen politischen Paradigmenwechsel steuerte er 1990 für die Deutsche Oper Berlin die um die Frage des Vatermords kreisenden Oper "Das verratene Meer" bei und segelte wieder in die ästhetisch-politischen Gewässer seiner Anfangsjahre zurück - auch als Leiter der Biennale für Neues Musiktheater in München. Das künstlerisch-merkantile Sensorium Henzes registrierte sensibel, dass die leichte Hand, mit der er Werke wie der Junge Lord aufs Papier geworfen hatte, wohl die ästhetisch glücklichste Phase seiner Biografie markierten.
In mancherlei Hinsicht knüpfte der Alte Meister an dem an, was vor der linken Politisierung entstand, als er 2003 als heiter-märchenhaftes Resümee seines Bühnenschaffens "L'Upuppa" für die Salzburger Festspiele schrieb - noch einmal ein Werk, das breiteste Akzeptanz suchte und sich daher der bereits in den 50er-Jahren diagnostizierten Linie "kompromissbereiter Unverbindlichkeit" befleißigte. Aber dann gab es noch einen ganz unerwarteten Nachschlag: die herb-strenge Konzertoper "Phaedra" im Opernhaus Unter den Linden zu Berlin: Gerade auch durch die dialektische Spannung zwischen diesen beiden Spätwerken wurde Hans-Werner Henze, was er ist: ein signifikanter Künstler der Epoche.