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"Ein Schlüsselwerk für die deutsche Kunstgeschichte"

Eine Erbengemeinschaft hat Hans Holbeins "Schutzmantelmadonna" an einen Privatsammler verkauft. Das Städel Museum ging leer aus. Man habe 40 Millionen Euro für das Gemälde aufgebracht, gereicht habe dies letzlich aber nicht, bedauert Max Hollein, Direktor des Frankfurter Museums.

Max Hollein im Gespräch mit Dina Netz |
    Dina Netz: "Der schönste alte Meister der Welt" nennt die FAZ das Gemälde heute, das ohne Zweifel eines der wichtigsten Stücke der Renaissance-Malerei ist. Die sogenannte "Schutzmantelmadonna" von Hans Holbein dem jüngeren gehörte bis gestern dem Adelshaus Hessen, einer Erbengemeinschaft nach Prinz Ludwig von Hessen und bei Rhein. Und die wollten verkaufen, das war seit Langem bekannt. Das Frankfurter Städel Museum hat sich bemüht, das Gemälde zu erwerben, aber gestern kam die Meldung, dass der Unternehmer und Kunstsammler Reinhold Würth aus Künzelsau die Holbein-Madonna gekauft hat. Man spricht von einem Kaufpreis von 60 Millionen Euro, die FAZ vermutet jedenfalls, dass es sich um die höchste Summe handelt, die je in Deutschland für ein Kunstwerk bezahlt wurde. Im Moment hängt die "Madonna des Basler Bürgermeisters Jakob Meyer zum Hasen", wie das Gemälde genau heißt, im Frankfurter Städel, und ich habe dessen Direktor Max Hollein gebeten: Beschreiben Sie doch bitte mal die Bedeutung dieses Werkes?

    Max Hollein: Ich denke, die sogenannte Holbein-Madonna ist nicht nur ein Meisterwerk dieses wichtigen deutschen Malers der Früh-Renaissance, sondern sie ist sicherlich auch ein Schlüsselwerk für die deutsche Kunstgeschichte. Es ist insbesondere auch ein Gemälde, das in einem sehr guten Erhaltungszustand ist, insgesamt sicherlich wahrscheinlich das bedeutendste Altmeister-Gemälde, das sich in privaten Händen befand und jetzt auch weiterhin befinden wird, innerhalb Deutschlands.

    Netz: Herr Hollein, Sie selbst haben immerhin 40 Millionen Euro zusammengebracht, um diese "Schutzmantelmadonna". zu kaufen. Wer hat Sie dabei unterstützt, beziehungsweise wer hätte vielleicht noch mehr Unterstützung leisten können?

    Hollein: Uns ging es darum, in den Gesprächen und Verhandlungen, die wir wirklich in den letzten zwei Jahren immer wieder geführt haben, eine Lösung zu finden, um die Holbein-Madonna für das Städel, für die Öffentlichkeit, für Hessen zu sichern. Und insofern haben wir uns in den Verhandlungen immer wieder darum bemüht, eine Lösung zu finden, aber auch eine Summe aufzutreiben, die quasi einen Verkauf eventuell möglich machen würde. Diese 40 Millionen hätten sich zusammengesetzt aus öffentlichen Geldern insbesondere vom Land Hessen, sicherlich auch durch Stiftungen, aber es sind auch Mittel durch Mäzene oder auch Mittel, die dem Städel selbst oder dem Städelschen Museumsverein zur Verfügung gestanden wären, gewesen. Man muss auf der anderen Seite sagen, dass die 40 Millionen wirklich das äußerste waren, was wir im Grunde bereit gewesen sind zu machen, oder das äußerste, was wir gesehen haben, das wir machen können. Und insofern: Wir konnten nicht noch höher gehen, und das hat schlussendlich dann dazu geführt, dass wir doch leider nicht zum Zuge gekommen sind.

    Netz: Bei so einem unglaublich wichtigen Gemälde, wie Sie das vorhin beschrieben haben, ist ja ein großes Interesse da, das für die Öffentlichkeit zu erhalten, es vielleicht auch in öffentlichem Besitz zu halten. Hat das Land Hessen genug getan?

    Hollein: Ich denke, wir haben mit den verschiedensten Stellen gesprochen, auch über die Bedeutung dieses Gemäldes. Ich muss sagen, dass natürlich die öffentlichen Stellen darauf reagiert haben, das Land Hessen auch bereit war, einen Anteil zu leisten. Man kann im Nachhinein jetzt sagen, ist das genug, ist das zu wenig. Auf der anderen Seite spielen da sicherlich verschiedenste Faktoren eine Rolle. Ich würde gar nicht jetzt in diese Richtung gehen. Ich muss einfach feststellen, dass wir sicherlich alles versucht haben, uns bemüht haben, so viel Geld wie möglich dafür aufzutreiben. Wir sind bis zu 40 Millionen gekommen. Darüber hinaus war es nicht möglich für uns.

    Netz: Herr Hollein, die Madonna steht auf der nationalen Liste der zu schützenden Kulturgüter. Das heißt, sie ist mit einem Ausfuhrverbot belegt. Und der Unternehmer Reinhold Würth, der hat ja schon angekündigt, das Gemälde auf jeden Fall der Öffentlichkeit zugänglich zu halten. Er selbst besitzt Museen, in denen er sie zeigen kann, er will das Gemälde auch für Ausstellungen verleihen. Wo ist eigentlich das Problem?

    Hollein: Ich würde sagen, natürlich ist der Herr Würth der zweitbeste Käufer der Holbein-Madonna nach dem Städel. Da ist nicht de facto ein Problem da. Ich glaube, dass Herr Würth gerade auch mit seiner Sammlungstätigkeit und seinen Museen das Gemälde der Öffentlichkeit weiterhin zugänglich hält. Nichts desto Trotz: Es bleibt durch den Ankauf von Herrn Würth weiterhin in Privatbesitz. Man wird sehen, was in Jahren, Jahrzehnten vielleicht damit auch weiterhin passieren wird. Und natürlich wäre es für das Städel, wie auch vielleicht für das eine oder andere Museum in Deutschland, interessant oder wichtig auch gewesen, dieses Gemälde im Kontext der jeweiligen Sammlung im Grunde auch zeigen zu können. Man darf nicht vergessen, dass das Städel nicht nur eine der bedeutendsten deutschen Sammlungen hat, sondern dass das Städel insbesondere auch gerade in der Holbein-Forschung sicherlich seit Jahrzehnten führend ist. Das sind alles Dinge, die natürlich für einen Aufstellungsort in einem öffentlichen Museum wie dem Städel sprechen, aber ich sehe auch, dass sozusagen Herr Würth sicherlich der beste private Käufer ist, den man sich jetzt für ein solches Gemälde wünschen kann.

    Netz: Der Fall der "Schutzmantelmadonna" ist ja nun ein sehr prominenter wegen des hohen Preises des Gemäldes. Aber belegt er nicht vielleicht trotzdem mal wieder das strukturelle Problem auf dem Kunstmarkt, nämlich dass private Geldgeber bei Ankäufen immer stärker die Rolle von Museen übernehmen, die keine ausreichenden Etats mehr haben, oder ist das hier ein ganz anderer Fall?

    Hollein: Ich glaube, dass wir allgemein das absolut feststellen können: wir sind schon lange nicht mehr als Museen wirklich die primären Nachfrager am Kunstmarkt bei wirklich hoch qualitativen, hochpreisigen Werken. Das haben sie in der zeitgenössischen Kunst, das haben sie in der klassischen Moderne vielfach erfahren in den letzten Jahren oder auch sogar Jahrzehnten. Im Altmeistersektor auch immer wieder, das ist aber sicherlich jetzt ein besonderes Beispiel auch wiederum davon. Museen können sicherlich nur in ganz absoluten Ausnahmefällen in diesen Kategorien mithalten. Ich glaube, dass das Städel überhaupt bereit war, oder es ihm möglich war, jetzt 40 Millionen für so ein Werk zu bieten, ist sowieso schon im Grunde eine absolute Ausnahme, auch in der deutschen Museumslandschaft. Wir müssen sicherlich aber feststellen, dass die Preise am Kunstmarkt so sind, dass öffentliche Museen sicherlich als Nachfrager immer weiter zurückgedrängt werden.

    Netz: Der Direktor des Frankfurter Städel Museums Max Hollein, der beim Kauf der "Schutzmantelmadonna" von Hans Holbein nicht zum Zuge kam.

    Die Äußerungen unserer Gesprächspartner geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.