Hamburg, das Forschungszentrum DESY. Der Hörsaal ist rappelvoll. Gespannt verfolgen Hunderte von Physikern den wissenschaftlichen Fachvortrag, der gerade am CERN in Genf läuft und per Videokonferenz auf die Leinwand projiziert wird. Dort zeigt der Physiker Joe Incandela unzählige Folien mit Formeln und Diagrammen – was beweisen soll, dass die Forscher am Teilchenbeschleuniger LHC sauber und ordentlich experimentiert haben. Dann, nach einer langen halben Stunde, legt Incandela endlich die entscheidende Folie auf. Die Zuschauer sind begeistert.
"Das ist absolut voll spannend. Wir warten da sehr, sehr lange drauf. Und jetzt sieht man es. Das ist wahnsinnig aufregend."
Die Physikerin Ingrid Gregor, die an den Experimenten am CERN beteiligt ist, sitzt im Publikum und hat Gänsehaut. Denn die Messdaten zeigen: das Higgs-Teilchen, das meistgesuchte Teilchen der Physik, ist mit äußerst hoher Wahrscheinlichkeit entdeckt. Die Möglichkeit eines Irrtums liegt bei 1:1.000.0000. Gregors Kollegin, der Italienerin Erika Garutti, schießen sogar die Freudentränen in den Augen.
"Das ist ein sehr emotionaler Augenblick. Es ist fantastisch! Mein ganzes Physikerinnen-Leben bin ich schon auf der Suche nach dem Higgs-Teilchen. Und nun ist es endlich da!"
Auch die Chefs sind euphorisiert. In Genf peitscht CERN-Generaldirektor Rolf Heuer seine Fachkollegen so richtig ein.
"Ich würde sagen: Wir haben es! Glauben Sie das auch?"
Die Euphorie hat ihren Grund, denn die Entdeckung beendet eine lange Durststrecke in der Physik. Schon in den sechziger Jahren hatte der schottische Theoretiker Peter Higgs ein Teilchen postuliert, das eine ganz besondere Eigenschaft besitzt: Es verleiht den anderen Elementarteilchen Masse – jenen Grundbausteinen also, aus denen Materie aufgebaut ist, auch wir selber. Laut Peter Higgs liegt dem Kosmos ein alles durchdringendes Feld zugrunde. Durch dieses Feld bewegen sich Elementarteilchen – zum Beispiel Quarks und Elektronen – wie durch einen zähen Sirup. Dabei verspüren sie einen Widerstand, ähnlich dem Widerstand, den der Sirup dem Kochlöffel beim Umrühren bietet.
"Das ist die Erklärung, warum Masse existiert. Dieses Higgs erzeugt in Grunde genommen die Masse, und damit alles, was da ist: das Universum, die Erde, die Menschen – alles wird dadurch erklärt."
Aber die Suche war höchst mühselig: Ältere Beschleuniger hatten das Higgs nicht finden können. Deshalb mussten die Physiker die größte Wissenschaftsmaschine aller Zeiten bauen, den Large Hadron Collider LHC, ein Ring mit einem Umfang von 27 Kilometern. Er beschleunigt Wasserstoffkerne auf unvorstellbar hohe Energien und lässt sie frontal aufeinanderprallen. Gelegentlich kann sich dabei ein Higgs bilden, doch dieses Higgs ist instabil und zerplatzt umgehend in lauter Bruchstücke. Diese Bruchstücke können die Forscher mit riesigen Detektoren nachweisen und vermessen. Anhand dieser Messdaten müssen die Forscher dann rekonstruieren, ob tatsächlich ein Higgs entstanden ist oder nicht. Eine mühevolles Puzzlespiel – weshalb die Entdeckung so lange gedauert hat. Peter Higgs jedenfalls, der heute 83-jährige Erfinder des Higgs-Teilchens, zeigt sich gerührt.
"Ich möchte mich bei jedem hier bedanken, der an diesem großartigen Projekt beteiligt ist. Für mich ist das wirklich eine unglaubliche Sache in meinem Leben!"
Jetzt gilt Peter Higgs als heißer Kandidat für den Physiknobelpreis. Diejenigen Teilchenforscher, die den Preis schon haben, sind höchst angetan von der Entdeckung.
"Damit ist ein weiteres Stück des Standardmodells der Teilchenphysik bestätigt, das wohl letzte große Stück. Ein Triumph für das Standardmodell."
Martinus Veltman, Physiknobelpreis 1999.
"Das Higgs hat eine lange Geschichte. Fast ein halbes Jahrhundert hat man nach ihm gesucht. Wenn man es jetzt endlich aufgespürt hat, ist das ein Triumph für die Teilchenphysik in Europa, vor allem für das CERN."
Carlo Rubbia, Physiknobelpreis 1984.
"Es ist die Entdeckung eines neuen Teilchens. Wir hatten sie zwar erwartet. Doch nun geht es darum, die genauen Eigenschaften des Higgs-Teilchens zu erforschen. Und vielleicht kommt dabei ja etwas Neues, Unerwartetes heraus."
David Gross, Physiknobelpreis 2004. Auch wenn das Higgs nun entdeckt ist – die Messungen am LHC sind damit noch lange nicht zu Ende. Das betont auch CERN-Generaldirektor Rolf Heuer.
"Wir haben eine Entdeckung gemacht. Wir haben ein neues Teilchen gefunden, und es sieht aus wie das Higgs-Teilchen. Aber wie genau sieht es aus? Das ist nach wie vor offen. Das heute ist ein historischer Meilenstein. Aber es war nur der Anfang."
Die Physiker wollen noch viele Jahre mit dem LHC weiterexperimentieren, würden ihn am liebsten in ein paar Jahren aufrüsten, um noch mehr und noch stärkere Teilchenkollisionen zu schaffen. Damit ließe sich das Higgs dann nicht nur im Detail studieren. Sondern vielleicht würden sich sogar andere neue Teilchen zeigen – Teilchen, die noch exotischer sind als das Higgs und die durch das Standardmodell nicht mehr zu erklären sind.
Links bei dradio.de:
Forscher weisen offenbar "Higgs-Boson"-Teilchen nach -
Das "Gottesteilchen" wurde jahrelang nur vermutet
Die Einschläge kommen näher
Physiker sind dem Higgs dicht auf den Fersen *
Hoffnung auf das Higgs
Physiker suchen weiterhin vergeblich nach Susy- und Higgs-Teilchen
Hoffen auf Higgs
Der LHC-Teilchenbeschleuniger soll schottischen Geniestreich beweisen
Wettkampf der Teilchenschleudern
Die Suche nach dem Higgs-Teilchen
"Das ist absolut voll spannend. Wir warten da sehr, sehr lange drauf. Und jetzt sieht man es. Das ist wahnsinnig aufregend."
Die Physikerin Ingrid Gregor, die an den Experimenten am CERN beteiligt ist, sitzt im Publikum und hat Gänsehaut. Denn die Messdaten zeigen: das Higgs-Teilchen, das meistgesuchte Teilchen der Physik, ist mit äußerst hoher Wahrscheinlichkeit entdeckt. Die Möglichkeit eines Irrtums liegt bei 1:1.000.0000. Gregors Kollegin, der Italienerin Erika Garutti, schießen sogar die Freudentränen in den Augen.
"Das ist ein sehr emotionaler Augenblick. Es ist fantastisch! Mein ganzes Physikerinnen-Leben bin ich schon auf der Suche nach dem Higgs-Teilchen. Und nun ist es endlich da!"
Auch die Chefs sind euphorisiert. In Genf peitscht CERN-Generaldirektor Rolf Heuer seine Fachkollegen so richtig ein.
"Ich würde sagen: Wir haben es! Glauben Sie das auch?"
Die Euphorie hat ihren Grund, denn die Entdeckung beendet eine lange Durststrecke in der Physik. Schon in den sechziger Jahren hatte der schottische Theoretiker Peter Higgs ein Teilchen postuliert, das eine ganz besondere Eigenschaft besitzt: Es verleiht den anderen Elementarteilchen Masse – jenen Grundbausteinen also, aus denen Materie aufgebaut ist, auch wir selber. Laut Peter Higgs liegt dem Kosmos ein alles durchdringendes Feld zugrunde. Durch dieses Feld bewegen sich Elementarteilchen – zum Beispiel Quarks und Elektronen – wie durch einen zähen Sirup. Dabei verspüren sie einen Widerstand, ähnlich dem Widerstand, den der Sirup dem Kochlöffel beim Umrühren bietet.
"Das ist die Erklärung, warum Masse existiert. Dieses Higgs erzeugt in Grunde genommen die Masse, und damit alles, was da ist: das Universum, die Erde, die Menschen – alles wird dadurch erklärt."
Aber die Suche war höchst mühselig: Ältere Beschleuniger hatten das Higgs nicht finden können. Deshalb mussten die Physiker die größte Wissenschaftsmaschine aller Zeiten bauen, den Large Hadron Collider LHC, ein Ring mit einem Umfang von 27 Kilometern. Er beschleunigt Wasserstoffkerne auf unvorstellbar hohe Energien und lässt sie frontal aufeinanderprallen. Gelegentlich kann sich dabei ein Higgs bilden, doch dieses Higgs ist instabil und zerplatzt umgehend in lauter Bruchstücke. Diese Bruchstücke können die Forscher mit riesigen Detektoren nachweisen und vermessen. Anhand dieser Messdaten müssen die Forscher dann rekonstruieren, ob tatsächlich ein Higgs entstanden ist oder nicht. Eine mühevolles Puzzlespiel – weshalb die Entdeckung so lange gedauert hat. Peter Higgs jedenfalls, der heute 83-jährige Erfinder des Higgs-Teilchens, zeigt sich gerührt.
"Ich möchte mich bei jedem hier bedanken, der an diesem großartigen Projekt beteiligt ist. Für mich ist das wirklich eine unglaubliche Sache in meinem Leben!"
Jetzt gilt Peter Higgs als heißer Kandidat für den Physiknobelpreis. Diejenigen Teilchenforscher, die den Preis schon haben, sind höchst angetan von der Entdeckung.
"Damit ist ein weiteres Stück des Standardmodells der Teilchenphysik bestätigt, das wohl letzte große Stück. Ein Triumph für das Standardmodell."
Martinus Veltman, Physiknobelpreis 1999.
"Das Higgs hat eine lange Geschichte. Fast ein halbes Jahrhundert hat man nach ihm gesucht. Wenn man es jetzt endlich aufgespürt hat, ist das ein Triumph für die Teilchenphysik in Europa, vor allem für das CERN."
Carlo Rubbia, Physiknobelpreis 1984.
"Es ist die Entdeckung eines neuen Teilchens. Wir hatten sie zwar erwartet. Doch nun geht es darum, die genauen Eigenschaften des Higgs-Teilchens zu erforschen. Und vielleicht kommt dabei ja etwas Neues, Unerwartetes heraus."
David Gross, Physiknobelpreis 2004. Auch wenn das Higgs nun entdeckt ist – die Messungen am LHC sind damit noch lange nicht zu Ende. Das betont auch CERN-Generaldirektor Rolf Heuer.
"Wir haben eine Entdeckung gemacht. Wir haben ein neues Teilchen gefunden, und es sieht aus wie das Higgs-Teilchen. Aber wie genau sieht es aus? Das ist nach wie vor offen. Das heute ist ein historischer Meilenstein. Aber es war nur der Anfang."
Die Physiker wollen noch viele Jahre mit dem LHC weiterexperimentieren, würden ihn am liebsten in ein paar Jahren aufrüsten, um noch mehr und noch stärkere Teilchenkollisionen zu schaffen. Damit ließe sich das Higgs dann nicht nur im Detail studieren. Sondern vielleicht würden sich sogar andere neue Teilchen zeigen – Teilchen, die noch exotischer sind als das Higgs und die durch das Standardmodell nicht mehr zu erklären sind.
Links bei dradio.de:
Forscher weisen offenbar "Higgs-Boson"-Teilchen nach -
Das "Gottesteilchen" wurde jahrelang nur vermutet
Die Einschläge kommen näher
Physiker sind dem Higgs dicht auf den Fersen *
Hoffnung auf das Higgs
Physiker suchen weiterhin vergeblich nach Susy- und Higgs-Teilchen
Hoffen auf Higgs
Der LHC-Teilchenbeschleuniger soll schottischen Geniestreich beweisen
Wettkampf der Teilchenschleudern
Die Suche nach dem Higgs-Teilchen