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Ein sicheres Haus für Mia Maus

Viele Menschen sagen natürlich, wir brauchen weder künstliches Leben, noch künstliche Intelligenz. Solange wir noch nicht mal das Leben verstehen, das jetzt schon auf dieser Erde existiert. Stimmt allerdings. Gerade von vielen Tierarten wissen wir Menschen noch erschreckend wenig. Was teilweise natürlich auch ein gewisses kommunikatives Problem ist.

Von Bernd Schuh |
    Ansätze dieses Dilemma zu beheben gab es bereits. Affen hat man schon versucht die menschliche Sprache beizubringen. Die berühmte Schimpansin Washoe beherrschte bis zu ihrem Tod im Jahre 2007 250 menschliche Wörter. Aber weitere echte Tier-Mensch-Kommunikation schien bisher kaum realisierbar. Schade! Oder vielleicht auch, Gott sei Dank! Denn wenn Tiere reden konnten, würde uns gefallen, was Sie zu berichten hätten?

    Die Tierschutzorganisation GFA nutzte kürzlich ein ‚Brain-Computer-Interface’-Modul, um Missstände in der Pharmaforschung aufzudecken. Die Ermittler der GFA haben die Erlebnisse einer Labormaus aufgezeichnet:


    Müller: "1. April 2012. Im Verhörraum 7.2 der GFA. Anwesend: Ermittlungsleiter Martin Müller und Frau Mia Maus. Beginn der Aufzeichnung 16:40 Uhr."

    Maus: "Ich heiße nicht Mia Maus."

    Müller: "Natürlich nicht. Aber wir benutzen Tarnnamen auch in den Verhörprotokollen. So schützen wir die Opfer besser. Sie wissen, warum Sie hier sind, Frau...Maus?"

    Maus: "Ich weiß nur, dass ich froh bin, dass ich nicht mehr an meinem Arbeitsplatz hocke. "

    Müller: "Wer ist Ihr Arbeitgeber?"

    Maus: "Ich bin Zeitarbeiterin. Mein Vermittler ist die Firma Karl-Rhein in Sulzfeld."

    Müller: "Und wo waren Sie zuletzt tätig."

    Maus (weinerlich): "Das wissen Sie doch. Ihr Sondereinsatzkommando hat mich doch da rausgeholt."

    Müller: "Wir brauchen die Angaben fürs Protokoll. Also, Sie sind Mia Maus, Jahrgang…"

    Maus: "Bitte! Das muss doch nicht auch noch auf Band!"

    Müller: "Gut. Das Geburtsdatum kann den Akten entnommen werden. Familienstand verheiratet…"

    Maus (schluchzt): "Verwitwet."

    Müller: "Kinder?"

    Maus (schluchzt noch heftiger): "Tot. Alle tot. Entblutet. Wir bekamen gut zu essen, mein Mann und ich. Aber die Kinder haben sie alle…. Es war furchtbar."

    Müller: "Entblutet. Ja, ich glaube, ich habe das hier: 'Auswirkung einer Ernährung mit hohem Eiweißgehalt auf Leberstoffwechsel und Milchabgabe. Gefördert vom 6. EU-Forschungsprogramm' Das ist schon ein Jahr her. Richtig?"

    Maus (schluchzt):

    Müller: "Zuletzt waren Sie für die Unternehmensgruppe Deutsche Forschungsgemeinschaft, Abteilung Marburg tätig. Ist das korrekt?"

    Maus: "Ja, leider."

    Müller (sachlich in Richtung Mikro): "Frau Maus zittert heftig. Es besteht kein Grund zur Besorgnis, Frau Maus. Sie sind hier in Sicherheit."

    Maus: "Ich zittere nicht aus Angst. Mir ist in den letzten Tagen MPTP in die Bauchhöhle gespritzt worden. Schauen Sie, hier."

    Müller: "Ja. Da brauchen wir nicht so in die Einzelheiten zu gehen. Erklären Sie MPTP, bitte."

    Maus: "Ein Mittel, das Parkinson-Symptome hervorruft. "

    Müller: "Ah...hier ist es. Fürs Protokoll: Frau Maus bezieht sich auf das Projekt 'Heraufregulierung der C1q-Expression in der Mikroglia hat keinen Effekt beim MPTP Mausmodell für Parkinson Krankheit. Die Arbeit wurde unterstützt von der Deutschen Parkinsonhilfe.'"

    Maus (schluchzt)

    Müller: "Frau Maus?"

    Maus: "(unter Tränen) Kurz bevor Ihre Truppe das Labor gestürmt hat, haben sie meine beste Freundin enthauptet, und ihr Gehirn…"

    Müller: "Sie wissen, dass Sie hier sicher sind, Frau Maus. Ihre Angaben werden der Geheimen Forschungsaufsicht helfen, die kriminellen Machenschaften zu unterbinden. Wenn Sie durchhalten, können Sie unsere Kronzeugin werden. Bitte konzentrieren Sie sich. Was können Sie noch berichten?"

    Maus: "Mein Mann,"

    Müller: "Was ist mit Ihrem Mann?"

    Maus: "Er ist tot! Sie haben ihm die Herzschlagader abgebunden. Er sollte einen Herzinfarkt bekommen. Man wollte wissen, ob er die Herzmuskelentzündung und den Infarkt besser übersteht, wenn man ihm CCN1 gibt."

    Müller: "Was für eine Herzmuskelentzündung?"

    Maus: "Die hatten sie ihm vorher gespritzt. Mit Viren. "

    Müller: "Konnte die Frage beantwortet werden?"

    Maus: "Welche Frage?"

    Müller: " Ob CCN1 hilft."

    Maus (schluchzt wieder auf): "Nein. Er ist ja sofort gestorben. Durch das Abbinden!"

    Müller: "Das war auch in Marburg?"

    Maus: "Nein, das war in Berlin. Da sind wir zum Glück gemeinsam hin vermittelt worden. Meine beste Freundin ist zur gleichen Zeit nach San Diego geschickt worden, nach Kalifornien. Da waren wir erst ganz neidisch!"

    Müller: "Später nicht mehr?"

    Maus: "Nein! Man hat ihr dort Knochenkrebszellen unter die Haut gespritzt. "

    Müller (blättert wieder): "Ah ja, ich hab es hier: 'Eignung eines humanmedizinischen Medikaments zur Behandlung von Knochenmarkkrebs bei Mäusen. Unterstützt durch die Deutsche Krebshilfe.'"

    Maus: "Ich kann nicht mehr! Das ist alles so furchtbar. Immer wird uns armen Mäusen irgendein Chemiezeug geimpft, "

    Müller: "Üblich ist aber auch das Verabreichen durch eine Schlundsonde, korrekt?"

    Maus: ""Ja. Immer nur an uns wehrlosen Tieren!"

    Müller: "Da muss ich Sie korrigieren, man hat auch schon Meningitismittel an nigerianischen Kindern ausprobiert. Oder künstliche Herzklappen an rumänischen Kleinkindern. Aber das ist weniger bekannt. Frau Maus?Frau Maus ist höchst erregt. Sie zittert sehr heftig. Frau Maus, bitte, Sie müssen sich nicht mehr aufregen. Es wird alles gut. Wir haben Sie befreit. Und wenn Sie für uns als Kronzeugin auftreten, werden wir diesen Zweig der organisierten Kriminalität zerschlagen."

    Maus: "Die kriegen mich doch vorher! Die machen mich kalt! Die führen mir die Schlundsonde sonstwo ein. Und nähen mich vorher noch mit anderen zusammen..."

    Müller (blättert wieder): "Ah, da beziehen Sie sich wohl auf einen Fall in Hannover. Die Verbindung der Blutkreisläufe. Dieses Vorhaben ist aber über das Planungsstadium nicht hinausgekommen. Wurde von der Laves nicht genehmigt. Das nenne ich kriminalhygienische Prophylaxe."

    Maus (schluchzt, weint und rumpelt)

    Müller: "Und was Ihre Sorge angeht, wir schützen Sie. Sie kommen in unser Zeugenschutzprogramm, verstehen Sie? Eine neue Identität, bodygards, Sie wohnen in einem absolut sicheren Haus."

    Maus (beruhigt sich etwas)

    Müller: "Und Sie werden nette Gesellschaft haben, andere Kronzeugen."

    Maus: "Andere...Kronzeugen?"

    Müller (stellt das Gerät ab): "Ja. Ich mach das jetzt mal aus. Dann kann ich die Klarnamen verwenden. Da ist zum Beispiel die Familie Mankie aus dem Primatenforschungszentrum. Und die Gebrüder Rattatu, die stehen Ihnen doch auch verwandtschaftlich nahe. Oder ein ganz freundliches Paar, die leben in Partnerschaft, Carlo Cater und Mieze Mauz, oder einen netten alten Herrn, Mr. Fox Te... Frau Maus, was haben Sie denn?"

    Maus (hat bei Erwähnung der Katzen aufgeschrieen, den Stuhl umgeworfen, schreit und trommelt gegen die Wand): "Nein! Nein!"