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"Ein Sieg der Autoren und der Verlage"

Der New Yorker Richter Denny Chin hat dem Plan des Google-Konzerns, das gesamte Wissen der Welt zu digitalisieren, vorerst einen Riegel vorgeschoben. Der Leser werde davon profitieren, meint Buchmarkt-Beobachter Holger Ehling.

Holger Ehling im Gespräch mit Rainer Berthold Schossig |
    Rainer Berthold Schossig: Die Firma Google hat einen Dämpfer erlitten: Die Mission, alles gedruckte Weltwissen zu scannen, zu digitalisieren und zu vermarkten, ist zunächst gestoppt. Der bisher geltende Vergleich zwischen Google und Verlegern und Autoren stammt aus dem Jahre 2008, wurde überarbeitet, und den hat ein New Yorker Richter gestern nun gekippt - übrigens auch auf Druck aus Deutschland hin. Googles digitale Bibliothek bleibt also bis auf weiteres ein Torso. Millionen Titel existieren weiterhin nur analog auf Papier. Frage an den Buchmarkt-Beobachter Holger Ehling: Ist das nun gut oder schlecht für die Zukunft des Urheberrechts im digitalen Zeitalter?

    Holger Ehling: Für die Zukunft des Urheberrechts im digitalen Zeitalter bedeutet die Entscheidung, das Google-Settlement in der jetzigen Form abzulehnen, dass tatsächlich die Urheber in ihre natürlichen Rechte zurückversetzt werden. Es wird nicht möglich sein, dass irgendjemand hergehen kann und geschützte Werke digitalisiert, ohne vorher um Erlaubnis zu bitten. Das war das wesentliche Petitum der Verlegerverbände der ganzen Welt, der Autorenverbände der ganzen Welt und auch von vielen, vielen Einzelpersonen. Insgesamt gab es 500 Einwendungen. Unter anderem hat auch das amerikanische Justizministerium deutlich gesagt, so geht es nicht.

    Schossig: Ist das nun eher ein Sieg der Autoren, oder der Verleger über die potentiellen Leser im Digitalen?

    Ehling: Es ist ein Sieg der Autoren und der Verleger gemeinsam, und zwar erst mal über eine sich breit machende Billigheimer- und "Gib mir ganz egal was da steht"-Mentalität. Der Leser wird auf längere Sicht davon auch profitieren, denn es ist natürlich so, dass geschützte Werke grundsätzlich einen Wert darstellen. Wenn tatsächlich in Zukunft es so sein wird, dass Urheber, dass auch Verlage ihre Arbeit nicht mehr in angemessener Form entlohnt bekommen können, dann wird sich die Qualität dessen, was man lesen kann, sei es zur Unterhaltung, sei es aber auch zur Information, auf lange Sicht deutlich verschlechtern.

    Schossig: Aber auch zwei ganz große Mitbewerber freuen sich; das wäre Microsoft und auch der Online-Händler Amazon. Das sind ja nicht irgendwelche ewig gestrigen Kritiker aus der verblassenden Gutenberg-Galaxis.

    Ehling: Nein, nein. Es geht nicht darum, dass irgendwelche Halbtoten aus der Gutenberg-Galaxis ihre verdorrten Hände aus dem Grab erheben und die schöne neue digitale Welt bei Seite räumen wollen, sondern es geht darum, dass tatsächlich Grenzen gezogen werden und dass ein normaler wirtschaftlicher Umgang wieder anempfohlen wird. Es werden also Grenzen gezogen um das, was man in der digitalen Welt darf und nicht darf. Für Google, die als erste mit dieser massiven Digitalisierungs-Kampagne begonnen haben, bedeutet das, dass sie nicht mehr in die Lage versetzt werden, in einer Einzelaktion, in einem Einzelabkommen sich quasi ein Monopol auf lange Sicht zu verschaffen, dass tatsächlich eben auch Mitbewerber hergehen können und in diesem Wettbewerb um die Digitalisierung von Texten mitwirken können.

    Schossig: Hat die Deutsche Digitale Bibliothek denn jetzt noch eine Chance, trotz des großen Google-Vorsprungs?

    Ehling: Die Deutsche Digitale Bibliothek ist natürlich etwas spät aus dem Quark gekommen, aber grundsätzlich ist die Deutsche Digitale Bibliothek ja kein Contra-Produkt. Es ist ein Produkt, in dem sehr deutlich abgestellt wird auf die Bedürfnisse, Informationsbedürfnisse vor allen Dingen im deutschsprachigen Raum. Es werden dort viele, viele Texte digitalisiert werden, die in dieser Form durch Google nicht verfügbar gemacht werden würden, jedenfalls nicht in absehbarer Zeit. Wir sind natürlich auch so weit noch nicht, dass dieses ganze Google-Thema abgeschlossen ist. Am 25. April wird es eine Anhörung geben der beteiligten Parteien, also des US-Verlegerverbandes, der Orpheus Guild aus den USA und Googles, und bis dahin hat der Richter auch ganz deutlich gesagt, in welcher Form er eine Überarbeitung erwartet, um tatsächlich eine Genehmigung erteilen zu können. Er hat nämlich gesagt, dieses Opt-out-Modell, nämlich dass man digitalisieren darf, solange wie der Betroffene nicht ausdrücklich sagt "nein", das muss umgewandelt werden in das, was tatsächlich in der Welt gang und gäbe ist, nämlich ein geschäftlicher Vorgang wie, diese Digitalisierung darf nur passieren im gegenseitigen, vorab getroffenen Einverständnis der Partner.