Lefteris Fiorendinos dachte, er hätte die Krisenzeiten hinter sich gelassen. Vor fünf Jahren zog der Ingenieur mit seiner Familie aus Athen auf die griechische Insel Mykonos und eröffnete dort ein kleines Hotel mit zehn Zimmern. Die beliebte Urlaubsinsel blieb damals von der Finanzkrise weitgehend verschont. Die Corona-Pandemie und der damit verbundene Einbruch beim Tourismus haben Mykonos dagegen hart getroffen.
"So habe ich Mykonos noch nie erlebt"
Beim Rundgang über die Strände und durch die Gassen von Mykonos sieht man viele geschlossene oder in Renovierung befindliche Läden. Die meisten Urlauber sind Griechen. Ein Zuschussprogramm soll den Binnentourismus ankurbeln. Manche der griechischen Urlauber können der unverhofften Ruhe durchaus etwas abgewinnen. So wie diese Athenerin, die von der Insel stammt:
"Sonst herrscht hier Gedränge und die Strand-Liegen kosten mindestens 40 Euro das Set. Jetzt aber gibt es weit und breit keine Strandliegen. Und alles ist so sauber: Kein Plastikmüll, keine Servietten, keine Quittungen, die im Wasser schwimmen. So habe ich Mykonos noch nie erlebt! Die Insel ist echt nicht wiederzuerkennen!"
Internationale Flughäfen bald wieder offen
Voraussichtlich bleibt das nicht so. Nach und nach lässt Griechenland auch internationale Touristen rein. Verpflichtende Coronatests vor der Reise gibt es nicht, die Einreisenden werden nach der Landung nur stichprobenartig getestet. Die Regierung wirbt für Urlaub im Land. "Greek summer is a state of mind", heißt es in einem Werbefilm. Premier Kiriakos Mitsotakis sagte zum Auftakt der griechischen Tourismussaison Mitte Juni:
"Ich habe kein Interesse, Griechenland in diesem Sommer zum Reiseziel Nr. 1 in Europa zu machen. Ich bin daran interessiert, Griechenland zum sichersten Reiseziel in Europa zu machen."
Unbeschwertheit mit Auflagen
Das bedeutet auch strenge Auflagen. Wenn ab dem 1. Juli alle internationalen Flughäfen wieder offen sind, müssen Hoteliers wie Jiannis Theocharis besonders auf ihre Gäste achten. Zimmer werden dann mehrmals täglich desinfiziert, Frühstück wird individuell serviert statt im Speisesaal und extra Aufpasser achten auf Einhaltung etwa der Abstandsregeln.
"Das wird schwierig", glaubt Theocharis. "Wenn eine Gruppe von Urlaubern eine andere Gruppe kennenlernt und daraus eine große Gruppe entsteht, wird unser Job sehr schwierig."
Griechenland braucht den Tourismus
Griechenland ist wirtschaftlich auf den Tourismus angewiesen. Tourismus macht etwa ein Fünftel der nationalen Wirtschaftsleistung aus. Durch die Coronakrise könnte die ohnehin hohe Arbeitslosigkeit deutlich steigen, schätzt der Wirtschaftsforscher Giorgos Argeitis:
"Alle Prognosen gehen davon aus, dass die Arbeitslosigkeit in Griechenland dieses Jahr enorm steigen wird. Von 17 Prozent wird sie auf bis zu 22 Prozent wachsen. Das wirft uns zurück in die Jahre der griechischen Finanzkrise 2014 und 2015."
Weiterarbeiten ohne Bezahlung
Zu spüren bekommen das etwa Anastasia und Elena, die eigentlich beide anders heißen. Beider Jobs hängen direkt oder indirekt am Tourismus. Elena ist offiziell in Kurzarbeit - eine Krisenlösung, bei der die EU Griechenland mit 1,4 Milliarden Euro unterstützt - in Form von Kreditien. Allerdings arbeitet Elena de facto den ganzen Tag, sagt sie. Genauso wie Anastasia, deren Arbeitsvertrag temporär ausgesetzt ist:
"Das bedeutet eigentlich, dass man in der Zeit der Freistellung überhaupt nicht arbeitet. So hat man uns das auch von der Personalabteilung gesagt. Offiziell. Inoffiziell aber läuft die Arbeit weiter, es gibt sehr viel zu tun, man sagt uns: 'Ihr müsst das Unternehmen unterstützen.'"
Bislang wenige COVID-19-Tote in Griechenland
Bei der Zahl der COVID-19-Infizierten ist Griechenland bis dato glimpflich davongekommen - nicht einmal 200 Todesfälle sind durch die Krankheit zu beklagen. Anders als Italien und Spanien hat Griechenland die COVID-19-Infektionskurve flach halten können. Die konservative Regierung führt das auf ihr hartes Durchgreifen zurück: Eindämmung durch frühen Lockdown und strenge Kontakteinschränkungen. Der Athener Krankenhaus-Chefarzt Ilias Sioras sieht die Leistung eher bei seinen Landsleuten:
"Das Verdienst gilt allein den Menschen in Griechenland, die den Anweisungen der Experten gefolgt sind, weil sie wussten, wie es um unser kaputtgespartes Gesundheitssystem ausschaut. Sie wussten genau: Mit so einem Gesundheitssystem würde das Ganze sonst nicht gut ausgehen. Deshalb sind sie zuhause geblieben."
Flüchtlinge fühlen sich allein gelassen
Bis dato hält das Gesundheitssystem stand. Durch den jetzt wieder anlaufenden und für Griechenland so wichtigen Tourismus könnte sich das allerdings ändern, fürchtet Parwana Amiri. Die Afghanin lebt mit rund 3.000 anderen Geflüchteten im Camp Ritsona nördlich von Athen.
"Griechenland war eines der sichersten Länder während der Corona-Krise", sagt Amiri. "Aber wenn jetzt die Tür geöffnet wird für Touristen, sind die Einheimischen nicht mehr sicher. Und wir noch weniger. So viele Flüchtlinge auf den Inseln werden nicht aufs Festland gebracht, als Grund wird die Corona-Gefahr genannt. Und jetzt heißt man Touristen willkommen ohne Tests? Das ist so ein diskriminierendes Verhalten!"