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Ein Stück Ewigkeit für 1500 Euro

Eine umstrittene Berliner Baustelle ist die des Stadtschlosses. Auf der Suche nach dem fehlenden Geld hat der Förderverein Berliner Schloss jetzt einen Katalog herausgebracht, in dem er die noch käuflichen Bauteile des Schlosses anpreist.

Von Burkhard Müller-Ullrich | 24.10.2012
    In Berlin, der Hauptstadt deutschen Planungsgeistes, kann man an jeder Baustelle erleben, wie Leistungsbereitschaft, Vernunft und Flexibilität ein ganzes Land voranbringen. Mal ist es ein Großflughafen, dessen hurtige Gestaltwerdung weltweites Aufsehen erregt, mal geht es um den Wiederaufbau eines alten Stadtschlosses, der sich im Laufe weniger Jahrzehnte zu einer nationalen Obsession entwickelt. Und nun, da in Berlin, der Hauptstadt des Glanzes und der Eleganz, das alte Stadtschloss in moderner Betonbauweise neu ersteht und nur zwei Nebenfragen - nämlich: wozu soll das Ganze dienen und wer soll es bezahlen - noch zu klären sind, kommt in Berlin, der Hauptstadt der Großzügigkeit und des Gemeinsinns, das berühmte bürgerliche Engagement zum Zug.

    Um die Spendenbereitschaft der extrem wohlhabenden Berliner Oberschicht anzuregen, hat der Wiederaufbauverein jetzt den ebenso hypnotischen wie absurden Begriff des "symbolischen Teileigentums" geprägt. Gemeint ist damit Folgendes: Wer Geld gibt, darf sich ein Stück Stadtschloss aussuchen und so tun, als ob es ihm gehöre. Und um die Zuordnung zwischen Einzelspenden und Stadtschlossteilen zu ermöglichen, wurde ein Katalog mit dem Titel "Mach Geschichte!" produziert – eine Aufforderung, deren Duz-Ton dem Shopping-Erlebnis einen volkstümlichen Touch gibt.

    Hier kann man wählen zwischen simplen Sandsteinquadern für 560 Euro, Säulenschäften für 6.100 Euro und Gesimsen für über 30.000, wenn es denn nicht gleich eine ganze Balustrade oder eine komplette Schlütersche Fensterachse für 379.800 Euro sein soll. "Damit ist Ihnen", heißt es im Katalog zum hochfinanzadäquateren 'Sie' wechselnd, "ein wunderbares, ganz persönliches, großes Fassadenelement gewidmet!"

    Dieses Gewidmetsein drückt sich übrigens darin aus, dass eine permanente Diaschau im Eingangsfoyer per Zufallsgenerator jede Minute einen neuen Spendernamen mitsamt zugehörigem Fassadenstück aufleuchten lässt, bei Spenden ab 100.000 Euro kommt noch eine steinerne Namenstafel hinzu. Und ab einer Million kann sogar ein repräsentativer Raum nach dem Geldgeber benannt werden.

    Wie bei jedem Ausverkauf signalisieren Schriftbalken im Katalog, was alles schon weg ist. Beispielsweise die Kolossalstatuen am Eosanderportal zum Preis von 250.000 Euro: weder Stärke, noch Mäßigung, noch Gerechtigkeit, noch Weisheit sind mehr zu haben – als symbolisches Teileigentum. Besucher aus anderen Bundesländern können sich übrigens darüber freuen, sowieso einen guten Teil der hauptstädtischen Infrastruktur mitfinanziert zu haben: hier einen Hydranten, dort eine Eingangstür und da das Hinterrad eines Busses.

    Das allerdings ganz ohne Spendenquittung und Namensprojektion.