"Da ist man stolz drauf. Da ist man stolz drauf, dass so 'was besteht, jetzt, zu 'ner schnelllebigen Zeit."
Mathias Mertens ist sich der mehr als zweihundertjährigen Tradition des Fährbetriebs im Naturpark Untere Sieg zwischen Bonn und Troisdorf bewusst. Der 77-Jährige freut sich über den sonnigen Wochenendtag, heute, an dem die Menschen wieder in Scharen kommen. Karin Kurz hat am Fährhäuschen mit dem kleinen blumengeschmückten Holzgeländer viel zu tun. Auf dem Gartentisch unter einem großen Sonnenschirm reiht sie einige Türmchen von Cent- und Eurostücken. Augenzwinkernd nennt Mertens die 60-Jährige seinen Ersten Offizier. Die beiden haben zusammengefunden, seit sie vor etwa sechs Jahren ihre Ehepartner verloren. Einige Meter weiter gehen schon die ersten Leute über einen kurzen Ponton-Steg auf das Boot.
Es ist zwölf Meter lang, 2,40 Meter breit, mit Platz für bis zu 20 Personen. Nicht eben klein, aber an einem betriebsamen Tag wie heute muss Fährmann Mertens schon schauen, wie er Passagiere und Fahrräder gut unterbringt.
"Das mache ich schon 40 Jahre, das muss alles passen. Wenn hier die Leute stehen, die möchten nicht warten, es soll ja weitergehen, die sind ja auf Tour. Das muss Ruckzuck vonstattengehen."
Sowie das Boot mit Fahrrädern und Passagieren beladen ist, zwängt sich Mertens ans Bootsende durch, wo er sich mit seiner Lotsenmütze an ein sieben Meter langes Holz-Ruderblatt stellt. Damit kann er im seichten, nur bis 80 Zentimeter tiefen Wasser steuern, um die Fähre an einem fix gespannten Drahtseil entlang treiben zu lassen. Von diesem führt ein zweites, bewegliches Seil zum Boot, wie Mertens seinen Passagieren erklärt.
"Oben ist das Scharseil. Vom Scharseil runter ist die Gierrolle mit dem Gierseil. Und je nach Ruderstellung setzt die Fähre schräg und die Strömung drückt das mit der Rolle rüber."
"Da brauchste ja gar nichts zu machen? Dafür willste Geld haben?", sagt ein Fahrgast und bringt die anderen zum Lachen.
Menschen begegnen, mit ihnen ins Gespräch kommen, mal scherzen, auch das ist das Schöne an seinem Fährberuf, sagt Mertens. Währenddessen macht an der Spitze der Fähre Helmut Reinartz die Halteleinen los. Der 70-Jährige bessert sich hier seit etlichen Jahren seine Rente auf. Heute ist das mal wieder hart verdientes Zubrot, denn die Strömung ist so schwach, dass er mit der Stak-Stange nachhelfen muss:
"Dat is Schwerarbeit. Machen Sie das mal jetzt da. Da legen Sie sich abends sofort ins Bett."
Reinartz und Mertens haben sich als Maurer kennengelernt. Mit diesem Hauptberuf hatte Mertens sich finanziell abgesichert, seit er 1974 den wetter- und saisonabhängigen Fährbetrieb übernahm. Tagsüber beschäftigte er eine Hilfskraft auf dem Boot, abends und am Wochenende übernahm er selbst das Ruder – bis er als Maurer in Rente ging. Sein Einsatz hat sich gelohnt, die Fähre ist für die Menschen aus der Umgebung, wie Peter Schell aus dem nahen Bergheim, nicht wegzudenken.
"Die Siegfähre ist für mich, ja, meine Kindheit. Und, ja, das ist einfach Tradition. Da haben wir früher gebadet als Kinder auch, und das gehört mit zu unserem Leben, ganz klar."
Die Fähre ist längst nicht nur den Einheimischen als Ausflugsziel ein Begriff. So hat sich Mertens in der Zeit, als Bonn noch Sitz der Bundesregierung war, mit dem ehemaligen Arbeitsminister Norbert Blüm angefreundet.
"Also, das ist einer der besten, die ich kennengelernt hab'. Von den Politikern einer der besten. Rein menschlich gesehen. Der kann unter's Volk gehen. Ein Mann von Welt ist der. Wir haben schon bei mir auf der Terrasse gefrühstückt hier, morgens, mit seiner Frau, mit der Marita."
Blüm hat Fähre und Fährmann auch gerne als lokale Attraktion vorgestellt, so dem damaligen amerikanischen Botschafter, John Kornblum. Mertens erinnert sich an einen fröhlichen Abend.
"Da ist der mit dem Kornblum mal gekommen, abends, frühabends. Haben wir dann gezecht, aber wie. Der war ein echter Kerl. Er konnte aber nicht fließend deutsch, das machte seine Tochter, das Übersetzen. Mit Bier kann man sich mit jedem verständigen."
Auch Bundeskanzler Gerhard Schröder ist hier gewesen, 2005. Aber mit dem ist Mertens nicht so warm geworden:
"Der ist bei mir hingekommen, haben was erzählt. Und da war der Chefredakteur von der Bild-Zeitung, sagte: 'Herr Fährmann, Herr Mertens, was halten sie denn von Herrn Schröder?' Ich sagte: 'Das ist so ein Fahrgast wie jeder andere auch da.' Ich weiß ja, was meine Partei ist. Ich war immer CDU."
Inzwischen ist der Nachmittag zur Hälfte verstrichen, Zeit für eine kurze Pause. Mertens geht von der Fähre und zieht aus der Brusttasche seines Polohemds ein Cigarillo. Sein Hobby, sagt er lächelnd. Unter der Woche hat er dafür mehr Zeit. Und an Regentagen sitzt Mertens stundenlang in seinem vier Quadratmeter großen Fährhäuschen, am kleinen Fenster zu den Anlegestellen, und liest. Am liebsten Bücher über Natur. Oder er betrachtet die stille Flusslandschaft mit ihren Weiden, Pappeln, Akazien, Eschen und Nussbäumen. Nicht wenige Bäume hat er selbst gesetzt.
"Ich bin also ein echter Naturmensch. Ich kann mich morgens schon um fünf Uhr oder sobald es hell wird, kann ich mich hinsetzen ins Fährhäuschen und kann das hier beobachten. Man sieht immer Leben, am Wasser oder hier in der Landschaft, das Urwüchsige an der Sieg."
Ein Leben, das sich auf den immer gleichen 39 Metern zwischen zwei Ufern bewegt, hin und her, her und hin, von früh bis spät, jeden Tag, Monat für Monat, Jahr für Jahr. Mertens wird bald 78. Wünscht er sich da nicht, mal ganz woanders zu sein?
"Nein, das wäre unmöglich da. Ihr könnt mir zehn Millionen geben, auf Hawaii oder Südsee oder Malediven, wie das alles heißt, würde ich nicht annehmen. Ich bleibe hier. Ich bin hier geboren, ich kenn' jeden, ich kenn' jeden Baum, ich kenn' jedes Tier. Man ist ja hier verwurzelt in der Sache. Ich hab' ein schönes Zuhause und mehr will ich nicht. Man kann nicht mehr wie essen und trinken im Leben. Das andere macht nur Kopfschmerzen."
Mathias Mertens ist sich der mehr als zweihundertjährigen Tradition des Fährbetriebs im Naturpark Untere Sieg zwischen Bonn und Troisdorf bewusst. Der 77-Jährige freut sich über den sonnigen Wochenendtag, heute, an dem die Menschen wieder in Scharen kommen. Karin Kurz hat am Fährhäuschen mit dem kleinen blumengeschmückten Holzgeländer viel zu tun. Auf dem Gartentisch unter einem großen Sonnenschirm reiht sie einige Türmchen von Cent- und Eurostücken. Augenzwinkernd nennt Mertens die 60-Jährige seinen Ersten Offizier. Die beiden haben zusammengefunden, seit sie vor etwa sechs Jahren ihre Ehepartner verloren. Einige Meter weiter gehen schon die ersten Leute über einen kurzen Ponton-Steg auf das Boot.
Es ist zwölf Meter lang, 2,40 Meter breit, mit Platz für bis zu 20 Personen. Nicht eben klein, aber an einem betriebsamen Tag wie heute muss Fährmann Mertens schon schauen, wie er Passagiere und Fahrräder gut unterbringt.
"Das mache ich schon 40 Jahre, das muss alles passen. Wenn hier die Leute stehen, die möchten nicht warten, es soll ja weitergehen, die sind ja auf Tour. Das muss Ruckzuck vonstattengehen."
Sowie das Boot mit Fahrrädern und Passagieren beladen ist, zwängt sich Mertens ans Bootsende durch, wo er sich mit seiner Lotsenmütze an ein sieben Meter langes Holz-Ruderblatt stellt. Damit kann er im seichten, nur bis 80 Zentimeter tiefen Wasser steuern, um die Fähre an einem fix gespannten Drahtseil entlang treiben zu lassen. Von diesem führt ein zweites, bewegliches Seil zum Boot, wie Mertens seinen Passagieren erklärt.
"Oben ist das Scharseil. Vom Scharseil runter ist die Gierrolle mit dem Gierseil. Und je nach Ruderstellung setzt die Fähre schräg und die Strömung drückt das mit der Rolle rüber."
"Da brauchste ja gar nichts zu machen? Dafür willste Geld haben?", sagt ein Fahrgast und bringt die anderen zum Lachen.
Menschen begegnen, mit ihnen ins Gespräch kommen, mal scherzen, auch das ist das Schöne an seinem Fährberuf, sagt Mertens. Währenddessen macht an der Spitze der Fähre Helmut Reinartz die Halteleinen los. Der 70-Jährige bessert sich hier seit etlichen Jahren seine Rente auf. Heute ist das mal wieder hart verdientes Zubrot, denn die Strömung ist so schwach, dass er mit der Stak-Stange nachhelfen muss:
"Dat is Schwerarbeit. Machen Sie das mal jetzt da. Da legen Sie sich abends sofort ins Bett."
Reinartz und Mertens haben sich als Maurer kennengelernt. Mit diesem Hauptberuf hatte Mertens sich finanziell abgesichert, seit er 1974 den wetter- und saisonabhängigen Fährbetrieb übernahm. Tagsüber beschäftigte er eine Hilfskraft auf dem Boot, abends und am Wochenende übernahm er selbst das Ruder – bis er als Maurer in Rente ging. Sein Einsatz hat sich gelohnt, die Fähre ist für die Menschen aus der Umgebung, wie Peter Schell aus dem nahen Bergheim, nicht wegzudenken.
"Die Siegfähre ist für mich, ja, meine Kindheit. Und, ja, das ist einfach Tradition. Da haben wir früher gebadet als Kinder auch, und das gehört mit zu unserem Leben, ganz klar."
Die Fähre ist längst nicht nur den Einheimischen als Ausflugsziel ein Begriff. So hat sich Mertens in der Zeit, als Bonn noch Sitz der Bundesregierung war, mit dem ehemaligen Arbeitsminister Norbert Blüm angefreundet.
"Also, das ist einer der besten, die ich kennengelernt hab'. Von den Politikern einer der besten. Rein menschlich gesehen. Der kann unter's Volk gehen. Ein Mann von Welt ist der. Wir haben schon bei mir auf der Terrasse gefrühstückt hier, morgens, mit seiner Frau, mit der Marita."
Blüm hat Fähre und Fährmann auch gerne als lokale Attraktion vorgestellt, so dem damaligen amerikanischen Botschafter, John Kornblum. Mertens erinnert sich an einen fröhlichen Abend.
"Da ist der mit dem Kornblum mal gekommen, abends, frühabends. Haben wir dann gezecht, aber wie. Der war ein echter Kerl. Er konnte aber nicht fließend deutsch, das machte seine Tochter, das Übersetzen. Mit Bier kann man sich mit jedem verständigen."
Auch Bundeskanzler Gerhard Schröder ist hier gewesen, 2005. Aber mit dem ist Mertens nicht so warm geworden:
"Der ist bei mir hingekommen, haben was erzählt. Und da war der Chefredakteur von der Bild-Zeitung, sagte: 'Herr Fährmann, Herr Mertens, was halten sie denn von Herrn Schröder?' Ich sagte: 'Das ist so ein Fahrgast wie jeder andere auch da.' Ich weiß ja, was meine Partei ist. Ich war immer CDU."
Inzwischen ist der Nachmittag zur Hälfte verstrichen, Zeit für eine kurze Pause. Mertens geht von der Fähre und zieht aus der Brusttasche seines Polohemds ein Cigarillo. Sein Hobby, sagt er lächelnd. Unter der Woche hat er dafür mehr Zeit. Und an Regentagen sitzt Mertens stundenlang in seinem vier Quadratmeter großen Fährhäuschen, am kleinen Fenster zu den Anlegestellen, und liest. Am liebsten Bücher über Natur. Oder er betrachtet die stille Flusslandschaft mit ihren Weiden, Pappeln, Akazien, Eschen und Nussbäumen. Nicht wenige Bäume hat er selbst gesetzt.
"Ich bin also ein echter Naturmensch. Ich kann mich morgens schon um fünf Uhr oder sobald es hell wird, kann ich mich hinsetzen ins Fährhäuschen und kann das hier beobachten. Man sieht immer Leben, am Wasser oder hier in der Landschaft, das Urwüchsige an der Sieg."
Ein Leben, das sich auf den immer gleichen 39 Metern zwischen zwei Ufern bewegt, hin und her, her und hin, von früh bis spät, jeden Tag, Monat für Monat, Jahr für Jahr. Mertens wird bald 78. Wünscht er sich da nicht, mal ganz woanders zu sein?
"Nein, das wäre unmöglich da. Ihr könnt mir zehn Millionen geben, auf Hawaii oder Südsee oder Malediven, wie das alles heißt, würde ich nicht annehmen. Ich bleibe hier. Ich bin hier geboren, ich kenn' jeden, ich kenn' jeden Baum, ich kenn' jedes Tier. Man ist ja hier verwurzelt in der Sache. Ich hab' ein schönes Zuhause und mehr will ich nicht. Man kann nicht mehr wie essen und trinken im Leben. Das andere macht nur Kopfschmerzen."