"Dieser Stuhl hat jahrzehntelang drei Gulden gekostet. Wenn man das nach heutigem Wert versucht auszurechnen, dann käme man auf einen Betrag zwischen 25 und 30 Euro. Also: nach heutiger Kaufkraftumrechnung preiswert."
Weiß Helmut Lang aus Wien, Möbelsammler, und meint den Kaffeehausstuhl Nr. 14 von Michael Thonet, 1859. Ein Rundholz als Rückenlehne, darunter ein kleines, zweites, für die Stabilität, eine gewebte Sitzfläche, dreidimensional gebogene Vorderbeine, die den Schwung der oberen Bauteile mitnehmen. Das ist ergonomisch und bequem, das lässt Transparenz, sich umzusehen, wer sonst noch im Kaffeehaus sitzt.
"Und extrem haltbar: Man braucht eigentlich nur einen Schraubenzieher, alle paar Monate die Schrauben mal nachziehen; und damit ist er eigentlich für ewige Zeiten konstruiert und gedacht."
Die anderen zweieinhalbtausend Möbelschreiner in Wien fanden es um 1850 nicht gut, dass Michael Thonet, ein Piefke aus Boppard, auch Möbel herstellen wollte. Doch der war ein Mann des "Think Big".
"Die Grundidee war, dass er seine Fabrik mitten in die mährischen Wälder baute."
Um dann nicht, wie die anderen Tischler, aus einem Rotbuchenstamm wenige Stühle zu drechseln oder sich in mühseliger Schichtlaminierung zu ergehen, sondern - dies die geniale Idee - den Stamm in Stäbe zu zerlegen und, mit sehr wenig Verschnitt, sehr viele Stühle aus massivem Holz zu biegen.
"Wir haben hier also den Dämpfkessel, circa 100 Grad und 0,5 Bar Druck, da werden diese Lehnen gedämpft drin. Vier bis sechs Stunden, bis sie biegefähig sind."
Jürgen Hofmann ist Holzbieger bei Thonet heute, einer von 260 Angestellten im hessischen Frankenberg. Das Familienunternehmen gibt es immer noch, freilich nicht als Imperium mit Stuhlproduktion und Export mit einer Stückzahl in Millionenhöhe. Denn das Patent, Holz zu biegen, war Michael Thonet seinerzeit auf Druck der anderen Wiener Schreiner recht schnell abhandengekommen.
"Jetzt fängt der Kessel an zu zischen, der Dampf entweicht, der Überdruck."
Und butterweich kommen die Buchenstäbe aus dem Kessel, den das Museum für Angewandte Kunst zusammen mit neu erworbenen Bugholzmöbeln ausstellt. Der Dämpfer erinnert an ein Jauchefass von anno dazumal. Doch der Produktionsprozess riecht ausgesprochen gut. Faszinierend auch, dass die schnell erkaltenden Stäbe, schon wenige Minuten nachdem Hoffmann sie in Formschablonen gepresst und gehämmert hat, sehr stabil wirken.
"Es sind viele Versuche im Lauf der Jahrzehnte angestellt worden, Formmaschinen herzustellen. Es geht einfach nicht. Das von Erfahrung geleitete Gefühl der Bieger, bei jedem Stück findet es Anwendung."
Das liegt an der dreidimensionalen Biegung, die für die Robotik nicht recht programmierbar ist, weiß Peter Ellenberg, Architekt und gelernter Zimmermann, dessen umfangreiche Möbelsammlung auch in der Alten Pinakothek in München ausgestellt ist. Ihn fasziniert - generell an alten Bugholzmöbeln und besonders am Kaffeehausstuhl Nr. 14 - ihr paradoxer Charakter. Sie sind einerseits individuelles Handwerk, andererseits, von 1859 an, serielles Industrieprodukt.
" Sie sind montiert worden, ähnlich wie heute Möbel, die der Kunde selbst in die endgültige Form bringt, aber vorher in Collis und Paketen transportiert."
Zerlegt in seine Bauteile wurde Nr. 14 zu 36 Stück pro Kubikmeter verschifft, um Cafés und Tanzsäle - bis New York und Chicago - zu bestuhlen. Jeder Stuhl ein Unikat, im Werk schon einmal montiert, um zu prüfen, ob die Bohrungen für die Schrauben passen, und erst dann zerlegt. Insgesamt 60 Millionen Mal hatte Thonet bis 1900 den Stuhl im Originaldesign produziert.
Frappierend, dass heute nur noch vier Exemplare erhalten sind, unverkäufliche Museumsstücke. Das mag daran liegen, schmunzelt Ellenberg, dass man, bis heute, Nr. 14 als Massenprodukt unterschätzt, mit Designkopien verwechselt, ihn arglos entsorgt, verfeuert.
"Also man kann nicht einfach losgehen, zum nächsten Antiquitätenhändler, und sagen: Ich möchte einen Thonet-Stuhl von 1870! Dann bekommen Sie die Antwort: Ich auch!"
Weiß Helmut Lang aus Wien, Möbelsammler, und meint den Kaffeehausstuhl Nr. 14 von Michael Thonet, 1859. Ein Rundholz als Rückenlehne, darunter ein kleines, zweites, für die Stabilität, eine gewebte Sitzfläche, dreidimensional gebogene Vorderbeine, die den Schwung der oberen Bauteile mitnehmen. Das ist ergonomisch und bequem, das lässt Transparenz, sich umzusehen, wer sonst noch im Kaffeehaus sitzt.
"Und extrem haltbar: Man braucht eigentlich nur einen Schraubenzieher, alle paar Monate die Schrauben mal nachziehen; und damit ist er eigentlich für ewige Zeiten konstruiert und gedacht."
Die anderen zweieinhalbtausend Möbelschreiner in Wien fanden es um 1850 nicht gut, dass Michael Thonet, ein Piefke aus Boppard, auch Möbel herstellen wollte. Doch der war ein Mann des "Think Big".
"Die Grundidee war, dass er seine Fabrik mitten in die mährischen Wälder baute."
Um dann nicht, wie die anderen Tischler, aus einem Rotbuchenstamm wenige Stühle zu drechseln oder sich in mühseliger Schichtlaminierung zu ergehen, sondern - dies die geniale Idee - den Stamm in Stäbe zu zerlegen und, mit sehr wenig Verschnitt, sehr viele Stühle aus massivem Holz zu biegen.
"Wir haben hier also den Dämpfkessel, circa 100 Grad und 0,5 Bar Druck, da werden diese Lehnen gedämpft drin. Vier bis sechs Stunden, bis sie biegefähig sind."
Jürgen Hofmann ist Holzbieger bei Thonet heute, einer von 260 Angestellten im hessischen Frankenberg. Das Familienunternehmen gibt es immer noch, freilich nicht als Imperium mit Stuhlproduktion und Export mit einer Stückzahl in Millionenhöhe. Denn das Patent, Holz zu biegen, war Michael Thonet seinerzeit auf Druck der anderen Wiener Schreiner recht schnell abhandengekommen.
"Jetzt fängt der Kessel an zu zischen, der Dampf entweicht, der Überdruck."
Und butterweich kommen die Buchenstäbe aus dem Kessel, den das Museum für Angewandte Kunst zusammen mit neu erworbenen Bugholzmöbeln ausstellt. Der Dämpfer erinnert an ein Jauchefass von anno dazumal. Doch der Produktionsprozess riecht ausgesprochen gut. Faszinierend auch, dass die schnell erkaltenden Stäbe, schon wenige Minuten nachdem Hoffmann sie in Formschablonen gepresst und gehämmert hat, sehr stabil wirken.
"Es sind viele Versuche im Lauf der Jahrzehnte angestellt worden, Formmaschinen herzustellen. Es geht einfach nicht. Das von Erfahrung geleitete Gefühl der Bieger, bei jedem Stück findet es Anwendung."
Das liegt an der dreidimensionalen Biegung, die für die Robotik nicht recht programmierbar ist, weiß Peter Ellenberg, Architekt und gelernter Zimmermann, dessen umfangreiche Möbelsammlung auch in der Alten Pinakothek in München ausgestellt ist. Ihn fasziniert - generell an alten Bugholzmöbeln und besonders am Kaffeehausstuhl Nr. 14 - ihr paradoxer Charakter. Sie sind einerseits individuelles Handwerk, andererseits, von 1859 an, serielles Industrieprodukt.
" Sie sind montiert worden, ähnlich wie heute Möbel, die der Kunde selbst in die endgültige Form bringt, aber vorher in Collis und Paketen transportiert."
Zerlegt in seine Bauteile wurde Nr. 14 zu 36 Stück pro Kubikmeter verschifft, um Cafés und Tanzsäle - bis New York und Chicago - zu bestuhlen. Jeder Stuhl ein Unikat, im Werk schon einmal montiert, um zu prüfen, ob die Bohrungen für die Schrauben passen, und erst dann zerlegt. Insgesamt 60 Millionen Mal hatte Thonet bis 1900 den Stuhl im Originaldesign produziert.
Frappierend, dass heute nur noch vier Exemplare erhalten sind, unverkäufliche Museumsstücke. Das mag daran liegen, schmunzelt Ellenberg, dass man, bis heute, Nr. 14 als Massenprodukt unterschätzt, mit Designkopien verwechselt, ihn arglos entsorgt, verfeuert.
"Also man kann nicht einfach losgehen, zum nächsten Antiquitätenhändler, und sagen: Ich möchte einen Thonet-Stuhl von 1870! Dann bekommen Sie die Antwort: Ich auch!"