Das Lied der Hamburger Band Tocotronic, das dem vorliegenden Buch den Namen gab, können Sie zwar in der Live-Ausstrahlung dieser Besprechung im Deutschlandfunk hören, nicht aber, wenn Sie beispielsweise diese Sendung als Podcast heruntergeladen haben. Der Grund: Die Musikindustrie verlangt für die Rechte an dieser Art von Verbreitung via Internet Extragebühren.
Ein Fehler, muss man sagen, wenn man das Buch von Kai-Hinrich und Tim Renner gelesen hat. Denn die beiden Autoren argumentieren, dass Musikindustrie, Zeitungsverlage und andere kommerzielle Anbieter noch immer nicht den neuen Charakter des Mediums Internet begriffen haben. Die Angst vor dem kostenlosen Herunterladen sogar kleinster Musikeinspielungen beispielsweise halten sie für übertrieben und sinnlos, ja sogar für kontraproduktiv.
"Wer die vielen Vorteile der Digitalisierung nutzen will, wird dies nur erfolgreich tun können, wenn er bereit ist, die Kontrolle über Inhalte aufzugeben. Der Konsument wird sich nicht mehr vorschreiben lassen, wann er was unter welchen Bedingungen nutzen darf."
Für die beiden Autoren stellt die Digitalisierung eine Fortsetzung der Popkultur mit anderen Mitteln dar. Popkultur, so schreiben sie, ist im Gegensatz zur Kultur des Bildungsbürgertums eine Kultur des Hier und Jetzt. Vorkenntnisse sind kaum erforderlich, jeder kann mitmachen, Identitätsfindung findet über den persönlichen Stil statt, über die Darstellung der eigenen Individualität. Es fällt auf, sagt der Musikproduzent Tim Renner,
"… dass die Popkultur, fangen wir bei Andy Warhol an, machen wir beim Punk weiter, immer als Kern hatte, dass man Existentes nimmt, in neue Zusammenhänge bringt, selbstgestalterisch eingreift und sich selbst neben dem Konsumenten ganz schnell als Produzenten versteht. Das ist ein ganz anderes Kulturbild, das auch dahin führt, in der Musik, dass man auch die Kultur in Bruchstücken kommunizieren kann und sich Sinnzusammenhänge dazwischen denkt, also die Fokussierung auf den einzelnen Popsong statt der geschlossenen Oper als Werk, das ist ein komplett anderer Anspruch und ein komplett anderer Umgang mit Kultur, den diese popkulturell Sozialisierten haben. Die sind absolut in der Mehrheit, in der Bundesrepublik, aber die finden sich natürlich in bestimmten Institutionen nicht gut ausgeprägt. Beispiel Feuilleton, aber auch Politik: Das sind in der Regel die Menschen, die sich in Parlamenten finden, nicht die Popaffinsten gewesen, die sie früher auf Partys getroffen hätten, sondern die haben sich in ihren Jugendorganisationen brav hochgedient, an klassischen Bildungsidealen."
Freiheit und Teilhabe, so schreiben die Autoren, seien die Grundbedingung einer demokratischen Gesellschaft. Diese beiden Werte seien auch die Grundlage der digitalen Welt. Deshalb müsse der Staat das freie Internet gegen Versuche von Internet-Firmen schützen, künstliche Schranken für den Netzzugang zu errichten. Die Politik sei sich aber dessen noch viel zu wenig bewusst. Bezahlbarrieren für Inhalte erledigten sich dagegen ohnehin von selbst. In der digitalen Kultur, in der es binnen Sekunden möglich ist, riesige Datenmengen von einem Computer zum anderen zu kopieren, in der jeder auch ohne größeren Aufwand zum Musiker oder Publizisten werden kann, mache es keinen Sinn mehr, künstliche Schranken zu errichten, die im nächsten Moment schon umgangen werden können.
"Generell gilt im digitalen Zeitalter: Nur wer eine besonders hohe Qualität und einen besonders guten Service anbietet, kann künftig – ob durch Gebühren oder herkömmliche Einnahmequellen – mit Inhalten Geld verdienen. Denn künftig ist jeder Mediennutzer auch ein Medienproduzent. Wenn aber die Masse Medien macht, machen Massenmedien keinen Sinn."
Kein Medienproduzent werde darum herumkommen, mehr als zuvor in Qualität und Nutzerfreundlichkeit zu investieren. Das Internet, so die Autoren, sei eben nicht einfach ein neues Medium, das neben den anderen existiere, es nehme die anderen Medien vielmehr in sich auf und schaffe damit ein Medium ganz neuer Art. Es mache gedruckte Zeitungen, Fernsehprogramme oder CDs, DVDs und Bücher zwar nicht überflüssig, aber es marginalisiere sie. Erstaunlicherweise jedoch reagierten die betroffenen Unternehmen nicht mit einer Steigerung der Qualität ihrer Produkte – im Gegenteil: Redaktionen werden ausgedünnt, das Programm der großen Fernsehsender wird immer austauschbarer, Bücher werden immer oberflächlicher lektoriert. Aber, so schreiben sie:
"Weder Gelegenheitslesern noch Kindern und Jugendlichen wird zu vermitteln sein, dass gedruckte Bücher besser als E-Books sind. Das Bedürfnis nach einem realen, sozialen Erlebnis erlischt durch die Nutzung digitaler Medien jedoch nicht. Seit die große Mehrheit der Jugendlichen sich Musik aus dem Internet beschafft, steigt die Zahl der Konzertbesucher. Ist der Zugang zur Musik nicht mit einem sozialen Erlebnis verbunden, wird der Konsum immer geselliger gestaltet. Die Buchhandlung wird deshalb immer mehr zum Erlebnisraum werden, in dem sich Gleichgesinnte treffen, um zu diskutieren, Kaffee zu trinken und ab und an einer Lesung zu lauschen."
Wir befinden uns also nach Ansicht von Kai-Hinrich und Tim Renner in einer kulturellen Übergangsphase, in der überkommene Medienstrukturen aufgebrochen werden und sich eine ganze Branche umorientieren muss: Hin zu geringeren Gewinnmargen und einem viel kleinteiligeren Geschäft, in dem mit der reinen Produktion von Inhalten, sei es Journalismus, Film, Musik oder Literatur kaum noch Geld zu verdienen sein wird, wenn alles sich kostenlos – legal oder illegal - aus dem Netz laden lässt.
Für sie allerdings kein Grund kulturpessimistisch zu werden. Anhand ihrer eigenen Lebensläufe erläutern sie, wie normal es ist, dass sich Medienrezeption und Medien verändern.
Das ist lebendig geschrieben und unterhaltsam zu lesen. So mancher Käufer zwischen 40 und 50 wird sich in den Geschichten aus dem Leben der Brüder wiederfinden. Und sicher ist es auch sinnvoll, eine Entwicklung, die ohnehin nicht zurückgenommen werden kann, in erster Linie als Chance zu sehen. Doch auch wenn Kai-Hinrich und Tim Renner nicht die Risiken der Entwicklung leugnen: Beispielsweise die Marginalisierung wichtiger Nachrichten in der Flut der Internet-Informationen, so blenden sie doch weitgehend aus, welche Folgen es für Politik und Gesellschaft haben könnte, wenn die Popkultur die Bildungsbürgerkultur an den Rand drängt. Ihr Buch ist eine umfangreiche Zusammenfassung jener Entwicklungen, die die Digitalisierung schon jetzt angestoßen hat, ein sympathischer Rundumschlag. Es weist nach, dass die digitale Welt nicht unbedingt schlechter sein muss als die analoge. Aber ob digital tatsächlich besser ist, das bleibt offen.
Kai Hinrich und Tim Renner: "Digital ist besser". Das Buch hat 246 Seiten, ist bei Campus erschienen und kostet 22 Euro. Für uns hat es Brigitte Baetz gelesen.
Ein Fehler, muss man sagen, wenn man das Buch von Kai-Hinrich und Tim Renner gelesen hat. Denn die beiden Autoren argumentieren, dass Musikindustrie, Zeitungsverlage und andere kommerzielle Anbieter noch immer nicht den neuen Charakter des Mediums Internet begriffen haben. Die Angst vor dem kostenlosen Herunterladen sogar kleinster Musikeinspielungen beispielsweise halten sie für übertrieben und sinnlos, ja sogar für kontraproduktiv.
"Wer die vielen Vorteile der Digitalisierung nutzen will, wird dies nur erfolgreich tun können, wenn er bereit ist, die Kontrolle über Inhalte aufzugeben. Der Konsument wird sich nicht mehr vorschreiben lassen, wann er was unter welchen Bedingungen nutzen darf."
Für die beiden Autoren stellt die Digitalisierung eine Fortsetzung der Popkultur mit anderen Mitteln dar. Popkultur, so schreiben sie, ist im Gegensatz zur Kultur des Bildungsbürgertums eine Kultur des Hier und Jetzt. Vorkenntnisse sind kaum erforderlich, jeder kann mitmachen, Identitätsfindung findet über den persönlichen Stil statt, über die Darstellung der eigenen Individualität. Es fällt auf, sagt der Musikproduzent Tim Renner,
"… dass die Popkultur, fangen wir bei Andy Warhol an, machen wir beim Punk weiter, immer als Kern hatte, dass man Existentes nimmt, in neue Zusammenhänge bringt, selbstgestalterisch eingreift und sich selbst neben dem Konsumenten ganz schnell als Produzenten versteht. Das ist ein ganz anderes Kulturbild, das auch dahin führt, in der Musik, dass man auch die Kultur in Bruchstücken kommunizieren kann und sich Sinnzusammenhänge dazwischen denkt, also die Fokussierung auf den einzelnen Popsong statt der geschlossenen Oper als Werk, das ist ein komplett anderer Anspruch und ein komplett anderer Umgang mit Kultur, den diese popkulturell Sozialisierten haben. Die sind absolut in der Mehrheit, in der Bundesrepublik, aber die finden sich natürlich in bestimmten Institutionen nicht gut ausgeprägt. Beispiel Feuilleton, aber auch Politik: Das sind in der Regel die Menschen, die sich in Parlamenten finden, nicht die Popaffinsten gewesen, die sie früher auf Partys getroffen hätten, sondern die haben sich in ihren Jugendorganisationen brav hochgedient, an klassischen Bildungsidealen."
Freiheit und Teilhabe, so schreiben die Autoren, seien die Grundbedingung einer demokratischen Gesellschaft. Diese beiden Werte seien auch die Grundlage der digitalen Welt. Deshalb müsse der Staat das freie Internet gegen Versuche von Internet-Firmen schützen, künstliche Schranken für den Netzzugang zu errichten. Die Politik sei sich aber dessen noch viel zu wenig bewusst. Bezahlbarrieren für Inhalte erledigten sich dagegen ohnehin von selbst. In der digitalen Kultur, in der es binnen Sekunden möglich ist, riesige Datenmengen von einem Computer zum anderen zu kopieren, in der jeder auch ohne größeren Aufwand zum Musiker oder Publizisten werden kann, mache es keinen Sinn mehr, künstliche Schranken zu errichten, die im nächsten Moment schon umgangen werden können.
"Generell gilt im digitalen Zeitalter: Nur wer eine besonders hohe Qualität und einen besonders guten Service anbietet, kann künftig – ob durch Gebühren oder herkömmliche Einnahmequellen – mit Inhalten Geld verdienen. Denn künftig ist jeder Mediennutzer auch ein Medienproduzent. Wenn aber die Masse Medien macht, machen Massenmedien keinen Sinn."
Kein Medienproduzent werde darum herumkommen, mehr als zuvor in Qualität und Nutzerfreundlichkeit zu investieren. Das Internet, so die Autoren, sei eben nicht einfach ein neues Medium, das neben den anderen existiere, es nehme die anderen Medien vielmehr in sich auf und schaffe damit ein Medium ganz neuer Art. Es mache gedruckte Zeitungen, Fernsehprogramme oder CDs, DVDs und Bücher zwar nicht überflüssig, aber es marginalisiere sie. Erstaunlicherweise jedoch reagierten die betroffenen Unternehmen nicht mit einer Steigerung der Qualität ihrer Produkte – im Gegenteil: Redaktionen werden ausgedünnt, das Programm der großen Fernsehsender wird immer austauschbarer, Bücher werden immer oberflächlicher lektoriert. Aber, so schreiben sie:
"Weder Gelegenheitslesern noch Kindern und Jugendlichen wird zu vermitteln sein, dass gedruckte Bücher besser als E-Books sind. Das Bedürfnis nach einem realen, sozialen Erlebnis erlischt durch die Nutzung digitaler Medien jedoch nicht. Seit die große Mehrheit der Jugendlichen sich Musik aus dem Internet beschafft, steigt die Zahl der Konzertbesucher. Ist der Zugang zur Musik nicht mit einem sozialen Erlebnis verbunden, wird der Konsum immer geselliger gestaltet. Die Buchhandlung wird deshalb immer mehr zum Erlebnisraum werden, in dem sich Gleichgesinnte treffen, um zu diskutieren, Kaffee zu trinken und ab und an einer Lesung zu lauschen."
Wir befinden uns also nach Ansicht von Kai-Hinrich und Tim Renner in einer kulturellen Übergangsphase, in der überkommene Medienstrukturen aufgebrochen werden und sich eine ganze Branche umorientieren muss: Hin zu geringeren Gewinnmargen und einem viel kleinteiligeren Geschäft, in dem mit der reinen Produktion von Inhalten, sei es Journalismus, Film, Musik oder Literatur kaum noch Geld zu verdienen sein wird, wenn alles sich kostenlos – legal oder illegal - aus dem Netz laden lässt.
Für sie allerdings kein Grund kulturpessimistisch zu werden. Anhand ihrer eigenen Lebensläufe erläutern sie, wie normal es ist, dass sich Medienrezeption und Medien verändern.
Das ist lebendig geschrieben und unterhaltsam zu lesen. So mancher Käufer zwischen 40 und 50 wird sich in den Geschichten aus dem Leben der Brüder wiederfinden. Und sicher ist es auch sinnvoll, eine Entwicklung, die ohnehin nicht zurückgenommen werden kann, in erster Linie als Chance zu sehen. Doch auch wenn Kai-Hinrich und Tim Renner nicht die Risiken der Entwicklung leugnen: Beispielsweise die Marginalisierung wichtiger Nachrichten in der Flut der Internet-Informationen, so blenden sie doch weitgehend aus, welche Folgen es für Politik und Gesellschaft haben könnte, wenn die Popkultur die Bildungsbürgerkultur an den Rand drängt. Ihr Buch ist eine umfangreiche Zusammenfassung jener Entwicklungen, die die Digitalisierung schon jetzt angestoßen hat, ein sympathischer Rundumschlag. Es weist nach, dass die digitale Welt nicht unbedingt schlechter sein muss als die analoge. Aber ob digital tatsächlich besser ist, das bleibt offen.
Kai Hinrich und Tim Renner: "Digital ist besser". Das Buch hat 246 Seiten, ist bei Campus erschienen und kostet 22 Euro. Für uns hat es Brigitte Baetz gelesen.