Einbürgerung
Das lange Warten auf den deutschen Pass

Seit der jüngsten Reform können Zugewanderte früher als bisher die deutsche Staatsangehörigkeit beantragen. Das Verfahren selbst wird dadurch allerdings nicht schneller. Im Gegenteil, denn Ämter sind überlastet. Was Antragstellern helfen könnte.

20.07.2024
    Ein deutscher Pass aus der Nähe.
    Das neue Staatsangehörigkeitsrecht macht Einbürgerungen früher möglich, trotzdem brauchen Zugewanderte einen langen Atem. (picture alliance / Zoonar / stockfotos-mg)
    Monatelange Wartezeiten und viel Bürokratie: Der Weg zum deutschen Pass ist eine Geduldsprobe. Seit einer Reform des Staatsangehörigkeitsrechts können sich nach Deutschland zugewanderte Menschen früher um eine Einbürgerung bewerben. Geduld brauchen sie allerdings weiterhin, denn die Bearbeitungsdauer ihrer Anträge ist lang – und sie könnte wegen des neuen Gesetzes noch länger werden. Doch es gibt Ansätze, wie Betroffenen geholfen werden könnte.

    Inhalt

    Wie schwer ist der Weg zum deutschen Pass?

    Wer einen deutschen Pass haben möchte, braucht einen langen Atem. Im Schnitt vergeht rund ein Jahr, bis ein Einbürgerungsantrag bearbeitet ist. Vorausgesetzt, Bewerberinnen und Bewerber haben zuvor alle Unterlagen korrekt eingereicht, allerhand Formulare ausgefüllt und Nachweise vorgelegt. Das allein stellt viele vor Herausforderungen. Dazu kommen Sprachbarrieren und überlastete Ämter, die für Rückfragen kaum zu erreichen sind – geschweige denn für einen Termin vor Ort.
    Zwar hat ein neues Gesetz in diesem Jahr einige Erleichterungen gebracht. Etwa können sich Ausländer früher um die Einbürgerung bewerben. Das Verfahren selbst ist dadurch allerdings nicht schneller geworden. Im Gegenteil, denn schon vor der Reform stapelten sich in den Ämtern die Akten. Nun könnten es noch mehr werden.

    Was hat sich mit dem neuen Staatsangehörigkeitsrecht geändert? 

    Die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts ist am 27. Juni in Kraft getreten. Seitdem können nach Deutschland Eingewanderte mit einem qualifiziertem Aufenthaltsrecht bereits nach fünf statt wie bisher nach acht Jahren einen deutschen Pass beantragen. Bei "besonderen Integrationsleistungen“, etwa guten Sprachkenntnissen oder ehrenamtlichem Engagement, bereits nach drei Jahren. 
    Auch ist mit der Novelle die doppelte Staatsbürgerschaft grundsätzlich möglich. Das galt bisher nur in bestimmten Fällen, etwa für EU-Bürger und Schweizer. In Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern erhalten zudem in Zukunft automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn mindestens ein Elternteil seit mehr als fünf Jahren rechtmäßig in Deutschland lebt und ein unbefristetes Aufenthaltsrecht besitzt. 

    Welche Voraussetzungen müssen für die Einbürgerung erfüllt sein?

    Bedingungen für den deutschen Pass sind unter anderem Sprachkenntnisse und die Sicherung des Lebensunterhaltes für sich und die Familie. Auch wer ohne eigenes Verschulden von Sozialleistungen abhängig ist, etwa wegen Krankheit, verliert den Anspruch auf Einbürgerung. Ob jemand als Härtefall dennoch die deutsche Staatsangehörigkeit erhält, liegt dann im Ermessen der zuständigen Einbürgerungsbehörde. 
    Außerdem müssen sich Bewerberinnen und Bewerber zu der im Grundgesetz verankerten freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen sowie zur besonderen historischen Verantwortung Deutschlands für nationalsozialistische Verbrechen und zum Schutz jüdischen Lebens. 

    Warum verläuft die Bearbeitung der Anträge so schleppend?

    In deutschen Behörden gibt es zu wenig Personal für immer mehr Anträge. Laut dem Mediendienst Integration, einem Projekt des Rats für Migration, zu dem sich Migrationsforscherinnen und Migrationsforscher aus ganz Deutschland zusammengeschlossen haben, waren schon vor dem neuen Staatsangehörigkeitsrecht mehr Einbürgerungsverfahren in Bearbeitung, als im gesamten vergangenen Jahr Ausländer einen deutschen Pass erhielten. Das gehe aus einer Umfrage in den größten deutschen Städten hervor. 
    Dabei war bereits 2023 mit mehr als 200.000 Einbürgerungen ein Rekordjahr, sagt Jan Schneider, Leiter des Bereichs Forschung im Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR). Und die Zahlen werden aller Voraussicht nach weiter steigen.
    Schneider geht davon aus, dass es durch die Reform vor allem unter den Drittstaatsangehörigen, die schon länger in Deutschland leben, einen „richtigen Schub“ geben könnte. Beispielsweise weil viele Türkinnen und Türken nun, mit der Möglichkeit zur doppelten Staatsangehörigkeit, den deutschen Pass beantragen könnten, ohne zuvor den türkischen abgeben zu müssen. 

    Vor welchen Herausforderungen stehen die Ämter?

    Wegen des zu erwartenden Andrangs warnen die Kommunen vor Überlastung: „Die hohe Zahl von Neuanträgen, die auf ohnehin schon stark belastete Ämter trifft, wird die Verfahren zunächst verlangsamen, statt sie zu beschleunigen“, so Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Die personellen Engpässe in den Ämtern ließen sich schließlich nicht von heute auf morgen beseitigen.
    Dabei sei die Zunahme an Einbürgerungsanträgen und der damit verbundene höhere Personalbedarf in den Behörden durchaus absehbar gewesen, sagt Jan Schneider. Die Politik habe es „ein Stück weit versäumt“, sich rechtzeitig auf die Situation einzustellen. Mittlerweile würden zwar neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingestellt, „allerdings leider erst seit einigen Monaten“. Zudem sei auch im öffentlichen Dienst der Fachkräftemangel spürbar.

    Welche Konsequenzen hat die lange Wartezeit?

    Die schleppende Bearbeitung der Einbürgerungsanträge ist nicht nur für Bewerberinnen und Bewerber fatal, ist der Beauftragte der rheinland-pfälzischen Landesregierung für Migration und Integration, Miguel Vicente überzeugt: „Wir sind ein demokratisches Land, wir können es uns nicht leisten, dass ein Großteil der Bevölkerung, der langfristig hier lebt, von der politischen Teilhabe ausgeschlossen ist.“ 
    Zudem sei Deutschland wegen des Fachkräftemangels und des demographischen Wandels auf Menschen mit Zuwanderungsgeschichte angewiesen, so Vicente. Experten schätzten im vergangenen Jahr, dass hierzulande rund 400.000 Zuwanderer gebraucht werden, um den Bedarf an Fachkräften zu stillen. Dabei ist nach Ansicht des Migrationsbeauftragten „der beste Haltefaktor“, damit diejenigen, die bereits im Land sind, auch hier bleiben, „wenn man deutscher Staatsbürger wird“. 

    Warum ist die Einbürgerung für viele wichtig?

    Aus Sicht von SVR-Mitarbeiter Jan Schneider ist die Einbürgerung „so etwas wie das Sahnehäubchen“ für diejenigen, die bereits lange in Deutschland leben und vielfältig integriert sind. Zum einen, weil der deutsche Pass einen echten „Mehrwert“ biete, zum Beispiel das Wahlrecht und große Reisefreiheit. Zum anderen sei die Einbürgerung für viele ein emotional wichtiger Schritt. 
    Berlin, 17.01.2023 - Eingebürgerte zeigen ihre Einbürgerungsurkunden nach einer Einbürgerungsfeier bei der Zentralen Einbürgerungsstelle des Landesamtes für Einwanderung.
    Neubürgerinnen zeigen ihre Urkunden: Für viele Zugewanderte ist die Einbürgerung ein wichtiger Schritt zu mehr Teilhabe. (picture alliance / Jochen Eckel / Jochen Eckel)
    Auch Miguel Vicente ist überzeugt: Der Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft führe dazu, dass Menschen sich als gleichberechtigte Staatsbürger empfänden. Das wiederum habe einen weiteren Effekt: Wer sich als Teil des Landes wahrgenommen fühle, engagiere sich stärker ehrenamtlich und politisch. Nach Ansicht von Jan Schneider braucht es nach der Gesetzreform nun vor allem „Werbung und Verständnis“, dafür, wie der Einbürgerungsprozess funktioniert. Und, die klare Kommunikation, dass das Verfahren durchaus langwierig sei. Das solle Frust bei den Antragstellern vermeiden. 

    Wie kann das Verfahren schneller werden?

    Um den Antragsstau abzubauen und die Einbürgerung zu erleichtern, gibt es verschiedene Ansätze. Etwa mehr Personal in den Ämtern und digitale Anträge. In Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern begleiten sogenannte Einbürgerungslotsen Menschen auf dem Weg zum deutschen Pass. „Pass(t) genau“ nennt sich das Modellprojekt, bei dem hauptamtliche Berater und ehrenamtliche Lotsen vor und während des Prozesses zur deutschen Staatsangehörigkeit unterstützen. 
    „Wir sind Brückenbauer zwischen Menschen, die eingebürgert werden wollen, und Behörden“, sagt Mehdi Jafari Gorzini, der, wie viele seiner ehrenamtlichen Kolleginnen und Kollegen, selbst eine Einwanderungsgeschichte hat. Mit dem Beratungsnetzwerk soll das Verfahren einfacher werden – sowohl für die Antragsteller als auch für die Behörden. Etwa, weil vorab Fragen geklärt und Anträge besser vorbereitet werden können.

    irs