"Das Problem ist aktuell, dass wir einige Marktsegmente momentan nicht beliefern können, die einfach durch die Sanktionen für uns nicht zugänglich sind."
Erzählte kürzlich Matthias Pausch, der Geschäftsführer des Pumpen- und Getriebe-Herstellers Vakoma Industries und Mega Drive GmbH. Ein Magdeburger Traditionsunternehmen, das 90 Prozent seiner Umsätze - über Jahrzehnte hinweg - erst mit der Sowjetunion, dann mit Russland erwirtschaftete. Wegen der Sanktionsmaßnahmen der EU geriet das Unternehmen ins Straucheln, wurde insolvent. 2017 wurde es durch einen Investor gerettet und damit auch die 35 Mitarbeiter.
"Wenn der Russland-Markt wieder zugänglich wäre, im vollen Maße, könnten wir unseren Umsatz zwischen 30 und 50 Prozent steigern und könnten hier am Standort fünf bis zehn Plätze für Mitarbeiter schaffen."
Ostdeutsche Ministerpräsidenten fordern Ende der Sanktionen
Die Ministerpräsidenten einiger ostdeutscher Länder dürften an dieser Stelle heftig mit dem Kopf nicken. In ungewöhnlicher Konstellation und Einigkeit forderten mehrere ostdeutsche Regierungschefs unlängst das Ende der Russland-Sanktionen: darunter
Thüringens Landeschef Bodo Ramelow von der Linkspartei, Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin aus Mecklenburg-Vorpommern, SPD und Reiner Haseloff, Sachsen-Anhalts CDU-Ministerpräsident. Die Sanktionen hätten bisher nichts gebracht, sagte unlängst Haseloff.
"Außer, dass wir gerade bei den ostdeutschen Firmen, deutliche Nachteile erfahren. Während das Gas – und Ölgeschäft ganz normal weiter geht. Das heißt, wenn die Wirkung nicht erzielt wird, dann muss man sich fragen, ob politisch nicht nachgearbeitet werden muss und neue Wege gefunden werden müssen."
Forderungen, denen sich der Osteuropaverein der deutschen Wirtschaft nicht anschließen kann. Die Wirtschaftsbeziehungen seien längst wieder auf dem Stand vor 2014, die wirtschaftlichen Auswirkungen sind nicht sanktionsbedingt, so Geschäftsführerin Ute Kochlowski-Kadjaia:
"Weil die grundsätzlichen Probleme, die es im deutsch-russischen Geschäft gegeben hat, aufgrund der russischen Wirtschaftsrezession gewesen sind, aufgrund der sinkenden Ölpreise und des fallenden Rubelkurses. Die wirklich sanktionsbedingten wirtschaftlichen Einschränkungen im Handel relativ gering waren."
Die Zahlen am Beispiel von Sachsen-Anhalt: In den Wirtschaftsbeziehungen steht Russland auf Platz 14. 2016 exportierten die Unternehmen aus dem Bundesland Waren im Wert von 300 Millionen Euro nach Russland, 2017 waren es 341 Millionen Euro, das ist ein Anstieg von mehr als zehn Prozent. Viel wichtigere Partner seien aber Großbritannien oder die Niederlande, ist aus dem Magdeburger Wirtschaftsministerium zu hören. Und in Richtung Polen – ein Spitzenwert - habe man Waren im Wert von 1,5 Milliarden Euro exportiert.
Den Vorwurf der Wirtschaftsexpertin Kochlowski-Kadjaia, sachsen-anhaltische Unternehmen hätten zu einseitig auf russische Märkte gesetzt, bestreitet Außenwirtschaftsexperte Andreas Kerzig von der Industrie-und Handelskammer in Magdeburg allerdings.
"Kann schon sein, dass der eine oder andere, da ein bisschen blauäugig war. Aber man kann das nicht verallgemeinern."
In Sachsen-Anhalts CDU herrscht längst nicht nur Einigkeit
Auf der großen bundespolitischen Bühne setzen die ostdeutschen Ministerpräsidenten in Sachen Russland-Sanktionen indessen offenbar wieder eher auf stille Diplomatie. Beim jüngsten Treffen der ostdeutschen Regierungschefs mit Bundeskanzlerin Angela Merkel im sachsen-anhaltischen Bad Schmiedeberg in dieser Woche wurde das Thema schlicht umgangen. Wohl auch, um die Harmonie nicht zu stören.
Und auch in Sachsen-Anhalts CDU herrscht in Sachen Russland-Sanktionen längst nicht nur Einigkeit. Man müsse auf die Erfüllung des Minsk-II-Abkommens pochen, erst dann könne man überhaupt über ein Ende der Sanktionen sprechen, fordert etwa Christoph Bergner, früheres CDU-Bundestagsmitglied und einstiger Ministerpräsident Sachsen-Anhalts. Er kritisiert den aktuellen Regierungschef Haseloff in diesem Punkt deutlich und erinnert an die Auswirkungen des Ukraine-Konflikts.
"Es sind zehntausend Menschen in den letzten drei Jahren ums Leben gekommen. Und Europa muss sich dafür einsetzen, dass hier Befriedung und Stabilität herrschen."
Bergner warnt vor einem deutschen, insbesondere einem ostdeutschen Alleingang bei der Forderung nach einem Ende der Sanktionen. Auch weil man damit die osteuropäischen EU-Partner insbesondere das Baltikum und Polen düpiere.
"Wir stehen in der Verantwortung und müssen dieser Verantwortung gerecht werden."
Nicht an EU-Kriterien für Sanktionen rütteln
Und auch unter ostdeutschen Spitzenpolitikern sind die Reihen in der Russland-Politik alles andere als geschlossen. So warnt etwa Wolfgang Tiefensee, Thüringens SPD-Wirtschaftsminister davor, die europäische Haltung hinsichtlich der Sanktionen von deutscher Seite her zu unterminieren:
"Wir legen ganz großen Wert darauf, dass wir im europäischen Geleitzug bleiben und ich teile nicht die Meinung, dass irgendein EU-Land – auch nicht Deutschland – aus diesem Geleitzug ausscheren sollte."
Die Initiative müsse von Russland ausgehen, sagen die mitteldeutschen Wirtschaftsminister in großer Einigkeit. So auch Sachsen-Anhalts SPD-Wirtschaftsminister Armin Willingmann, der so auf Distanz zum eigenen Regierungschef geht.
"Die Wirtschaftssanktionen sind weniger ein dramatisches Thema wirtschaftlicher Auswirkungen, sondern eines außenpolitischen Verständnisses. Die Lösung liegt darin, dass man sich auf Standards verständigt, wie Staaten miteinander umgehen, dass Grenzen unverletzlich sind. Da müssen Wirtschaftsminister darauf achten, denn es sind die wesentlichen Grundlagen für eine erfolgreiche Wirtschaft, vor allen Dingen für eine erfolgreiche Exportwirtschaft."
Und dennoch: Bei der Frage um ein Ende der Russland-Sanktionen herrscht tiefe Uneinigkeit, zwischen Ost- und Westdeutschland. Allerdings sollten - so lässt sich der Appell ostdeutscher Wirtschaftsminister interpretieren – Haseloff und Co mit deutlich mehr Fingerspitzengefühl vorgehen.