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Eine avantgardistische Odyssee

Das Doppelalbum "666" von der griechischen Band "Aphrodites Child", das vor mehr als 40 Jahren erschien, war ein Füllhorn an Inspiration und ist auch heute ein Klassiker. Musikalischer Regisseur des Albums war Multiinstrumentalist Vangelis, der später durch Filmmusik bekannt wurde.

Von Thomas Elbern |
    Für viele ist der Song "The four horsemen" von Aphrodite's Child die einzige Begegnung mit dem Album "666".

    Kein Wunder, das ist der Song, den DJs für Rockpartys heute noch spielen und er vereint Jung und Alt auf der Tanzfläche.

    Eigentlich schade, denn "666" ist in seiner Gesamtheit ein wirklich epochales Werk, das jedem Fan des Progressive Rock oder des Konzeptalbums an sich, Stoff für viele erfüllte Stunden Textexegese oder musikalische Querverweise gibt.

    Eingespielt wurde es 1970 im Pariser Europasonor Studio, jenem Ort, an dem auch Pink Floyd zwei Jahre später im Rahmen ihres Musikfilms "Live at Pompei" auftauchen sollten um dort unter anderen die ersten Demos ihrer Alben wie "Meddle" und "Dark side of the moon" aufzunehmen.

    Dass "666" erst 1972 erschien, hatte mit Bedenken der englischen Plattenfirma zu tun.

    Obwohl: Bedenken ist noch sehr gelinde ausgedrückt.

    Das Album war Ihnen schlichtweg zu pornografisch, was mit in erster Linie mit diesem Titel hier zu tun hatte: Infinity. Der Song besteht in erster Linie aus Perkussion und Gestöhne und wirkt heute noch wie aus einer anderen Welt.

    Vangelis, der musikalische Mastermind hinter "666", weigerte sich "Infinity" vom Album zu nehmen, stattdessen kürzte er das Stück von 39 auf 5 Minuten, worauf sich Künstler und Plattenfirma letztendlich einigen konnten.

    Das Album "666", bei dem es vielleicht nur vordergründig um die Offenbarung des Johannes aus dem neuen Testament ging, beleuchtete weniger eine Apokalypse, als viel mehr die dunkle Seite der Flowerpower-Bewegung.

    Es war nicht lange her, da wurde die amerikanische Schauspielerin Sharon Tate von der Manson Familie praktisch hingerichtet und beim Altamont Festival in Kalifornien ein Musikfan von einem als Sicherheitskraft engagierten Hells Angels Mitglied erstochen.
    Im Jahr 1969 hatte die Hippiebewegung längst ihre Unschuld verloren.
    Nicht umsonst nennt sich ein Song auf "666" auch "Altamont".

    Späthippies, die ab 1972 bewusstseinserweiternde Drogen konsumiert haben, dürfte das Album "666" als Soundtrack zur inneren Reise gedient haben.

    Man kann Vangelis als musikalischen Regisseur bezeichnen und Costas Ferris, der übrigens wirklich Regisseur war, als Drehbuchautoren.

    Sänger Demis Roussos, den viele nur als späteren Softrocker und sogar Schlagerbarden kennen, ist bei 666 nur noch auf wenigen Songs zu hören, stattdessen zitiert der englische Sprecher John Forst aus der Bibel und die griechische Schauspielerin Irene Papas hatte ihren grandiosen Auftritt als Stöhnerin bei Infinity.

    Aphrodite's Child waren längst keine Band mehr, sondern das Studioprojekt von Multiinstrumentalist Vangelis geworden.

    Selbst heute, über 4o Jahre nach der Veröffentlichung, wirkt "666" noch nicht angestaubt, sondern wie die durchgeknallte Version eines "Jesus Christ Superstar" Musicals oder die abgründige Seite einer New-Age-Bewegung, die noch gar nicht erfunden war.

    Diese Sprechchöre wirken heute noch wie aus einer anderen Welt und in einer Zeit, wo der Begriff "Weltmusik" noch gar nicht verwendet wurde, brachten Vangelis und seine Mitstreiter auch noch griechische Folklore unter.

    666 bleibt eines der unglaublichsten, rätselhaften und visionärsten Alben, die die Rockmusikgeschichte je erlebt hat und mit dem Song "The Beast" gibt es sogar humorvolle Momente.

    666 steckt voller Ironie und war das Meisterwerk in der kurzen Karriere von Aphrodite's Child , die sich nach dem Album auflösten.

    Demis Roussos wurde Schlagerstar, dessen Gesänge wie süßer Samos aus den Gehörgängen tropften. Während Vangelis mit unzähligen Soundtracks von "Blade Runner" bis "Chariots of fire" seine Synthesizermusik salonfähig machte und auf die große Leinwand brachte.

    1972, als "666" erschien, war das Album nicht unbedingt ein Kassenschlager, dafür hat es sich in den Jahrzehnten danach millionenfach verkauft.

    Mit dem Song "Break" endet "666" und das versöhnliche Stück entlässt den Hörer nach 78 Minuten Spielzeit aus einer Art avantgardistischen Odyssee, die dem Album einen ewigen Platz im Rockolymp sichern wird.
    Der griechische Schlagersänger Demis Roussos
    Der Sänger von Aphrodite's Child Demis Roussos im Musikantenstadl (picture alliance / dpa /)