Sabine Dölls drei Kinder, vier, sechs und acht Jahre alt, spielen im Garten einer Doppelhaushälfte im West-Londoner Stadtteil Barnes. Die Kinder reden Englisch untereinander. Sabine Döll, eine gebürtige Niedersächsin, die in Wirklichkeit anders heißt, ist 42 Jahre alt, mit einem Amerikaner verheiratet und lebt seit 15 Jahren in Großbritannien. Ende letztes Jahr reifte der Plan, schnell noch britische Staatsbürgerin zu werden, bevor der Brexit kommt.
"Ich glaube nicht, dass die deutschen oder die anderen EU-Bürger am 24. Juni sofort das Land verlassen würden. Ich glaube auch nicht, dass das rechtlich haltbar wäre. Ich glaube auch nicht, dass das unmittelbar kommt, aber ich glaube, dass ihnen so langsam die Luft abgewürgt wird."
Wer arbeitslos wird, könnte zum Beispiel rausfliegen. Oder wer kein eigenes Einkommen hat, wie sie als Mutter und Hausfrau. Sie musste für den Antrag auf die Staatsbürgerschaft ein eigenes Einkommen nachweisen, obwohl ihr Mann als Banker in der City gut verdient. Dann der "Life in the UK–Test", für den sie und ihr Mann schon ein wenig büffeln mussten.
"Was ist die nationale Blume von Schottland und das Nationalgericht von Wales? Wo kann man die Kronjuwelen sehen? Im Tower of London. Welcher König hat die Angelsachsen im Jahr 784 vereint und gegen die Dänen und Wikinger gewonnen? Die Antwort war Alfred der Große."
Den Test hat Sabine Döll an einem Computer per multiple choice absolviert, mit ihr zusammen seien viele Polen da gewesen. Ein Sprachtest blieb ihr erspart, weil sie an der Uni Edinburgh einen englisch-sprachigen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften absolviert hat. Den Sprachtest muss jeder machen. EU-Bürger erhalten auch nicht mehr automatisch nach fünf Jahren ein unbefristetes Aufenthaltsrecht wie früher, sondern nur auf Antrag. Alles Zeichen für Sabine Döll, dass die britischen Behörden den EU-Bürgern das Leben schwerer machen. Außerdem wird die Einbürgerung noch teurer.
"Im letzten Jahr, als wir es beantragt haben, 1005 Pfund pro Erwachsener und 750 Pfund pro Kind. Bei einer Familie mit fünf Köpfen läppert sich das. Inzwischen ist es 20 oder 25 Prozent teurer geworden."
Für die Dölls waren das also umgerechnet über 4500 Euro. Plus noch einmal 100 Pfund für die Staatsbürgerschaftsfeier.
"Da wird man willkommen geheißen als englischer Staatsbürger. Muss seinen Treueeid der Queen gegenüber schwören und seine Unterstützung des englischen Staatssystems. Dann wird God save the Queen, die Hymne, gespielt."
Das mit dem Treueeid sei ihr nicht schwer gefallen, außerdem darf sie ihren deutschen Pass behalten. Über all dem Stress hat Sabine Döll allerdings vergessen, sich als Neubürgerin für das Referendum morgen zu registrieren. Sie hätte – kleine Überraschung - für den Brexit gestimmt. Die EU sei zu abstrakt, die Nation doch viel näher. Jetzt ist es für sie eben auch die britische Nation.