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"Eine ernsthafte Angelegenheit für ihn und seine Karriere"

Was Karl-Theodor zu Guttenberg in der CSU so unersetzbar mache, sei seine Popularität. "Würde das angegriffen, hätte er tatsächlich ein Problem", sagt der Politologe Michael Weigl von der Universität München angesichts der Plagiatsvorwürfe gegenüber dem Verteidigungsminister in Zusammenhang mit seiner Doktorarbeit.

Michael Weigl im Gespräch mit Christoph Heinemann |
    Christoph Heinemann: Immer stärker gerät Bundesverteidigungsminister zu Guttenberg wegen seiner in Teilen offenbar abgeschriebenen Doktorarbeit unter Druck. Gestern machten bereits erste Rücktrittsforderungen die Runde. Am Abend hatte Bundeskanzlerin Merkel den Minister zu einem Gespräch ins Kanzleramt einbestellt, über den Inhalt wurde allerdings nichts bekannt. Derweil setzte die Universität Bayreuth ihrem ehemaligen Doktoranden eine Zwei-Wochen-Frist, um die immer neuen Vorwürfe aufzuklären. Die Internet-Seite Guttenplug-Wiki listete am späten Abend im Internet bereits weit über 50 mögliche Plagiatsstellen auf. Guttenberg sagte gestern einen Wahlkampftermin in Sachsen-Anhalt ab.
    Über den Fall zu Guttenberg sprach meine Kollegin Nadine Lindner mit dem Politologen Michael Weigl von der Universität München. Erste Frage: Wie angeschlagen ist zu Guttenberg nach diesen Plagiatsvorwürfen?

    Michael Weigl: Also es ist tatsächlich so, dass das eine ernsthafte Angelegenheit auch für ihn und seine Karriere sein könnte, denn es zielt natürlich genau auf das ab, was man bislang von der Oppositionsseite noch nicht geschafft hat, nämlich seine Glaubwürdigkeit zu gefährden. Sollte das tatsächlich auch bei den Bürgern ankommen, sprich ihn in seinen Popularitätswerten schmälern, dann wäre ihm sozusagen die Hausmacht verloren gegangen. Das ist das, was ihn in der CSU so unersetzbar macht, seine Popularität. Würde das angegriffen, hätte er tatsächlich ein Problem.

    Nadine Lindner: Aber jemand, der ein mittelmäßiger Wissenschaftler ist, muss ja kein schlechter Politiker sein.

    Weigl: Nein, das sicherlich nicht. Aber es geht eben darum, dass Guttenberg in der CSU selber ja nicht die Macht hat, weil er so viele Netzwerke zum Beispiel hat. Dafür ist er viel zu kurz dabei. Er hat vor allem deswegen die Macht in der CSU, weil er eben so hohe Popularitätswerte hat, weil er dazu beiträgt, die CSU zu stabilisieren. Wäre es jetzt aber so, dass die Menschen eben tatsächlich sagen, nein, der ist nicht mehr glaubwürdig, und ihm eben diese Unterstützung in hohem Maße entziehen, dann verliert er genau diese Position, die er braucht, um seine Macht in der CSU zu entfalten.

    Lindner: Wie sieht er da denn aus? Was ja sehr auffällig ist, das ist ja das Schweigen der CSU: kaum Rückendeckung, kaum Solidaritätsbekundungen. Wie bewerten Sie das?

    Weigl: Die CSU hat natürlich tatsächlich ein Dilemma. Die CSU hat nach der Landtagswahl in Bayern 2008 beziehungsweise der Bundestagswahl – beides ja schwierige Wahlen für die CSU – ein Schlüsselwort für sich entdeckt, und das ist Glaubwürdigkeit. Also auch für die Partei geht es um Glaubwürdigkeit. Das heißt, sie muss im Moment aufpassen, dass dieses Glaubwürdigkeitsdilemma von Guttenberg nicht auf die Partei übergeht. Gleichzeitig muss sie ihn aber natürlich auch stützen, weil er eben wichtig für sie ist. Das heißt, sie laviert sehr stark. Man merkt das, dass sich die Solidaritätsbekundungen aus der Partei doch sehr zurückhalten.

    Lindner: Ist da nicht vielleicht auch so ein bisschen Schadenfreude dabei, bei jemandem, der so einen steilen Aufstieg hinter sich hat, dass ihm das auch manche vielleicht gönnen?

    Weigl: Also es ist sicherlich so, dass Guttenberg in der Partei nicht nur Freunde hat, und es gibt sicherlich einige, die jetzt froh sind beziehungsweise auch in den letzten Wochen froh waren, dass er etwas auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt wird. Nichtsdestotrotz ist auch diesen Kritikern von Guttenberg klar, ohne Guttenberg geht es im Moment nicht, beziehungsweise er ist eben ein wesentlicher Faktor für die Unterstützung der Partei. Insofern: Das Schenkelklopfen hält sich sicherlich in Grenzen.

    Lindner: Sie unterrichten Politik an der Universität in München und Sie unterrichten die Studenten auch im wissenschaftlichen Arbeiten. Wo liegt denn der Unterschied zwischen einem Plagiat und einfach nur schlichtem schlampigen Arbeiten in der Wissenschaft?

    Weigl: Zum einen muss man natürlich mal sagen, dass es den wissenschaftlichen Grundsatz gibt, dass alles, was nicht eigenes Gedankengut ist, was man von anderen nimmt, sei es ein direktes oder sei es ein indirektes Zitat, auch belegt werden muss. Das heißt, jeder Verstoß dagegen ist jetzt nicht nur unbedingt Schlampigkeit, sondern das ist tatsächlich ein Verstoß gegen die Grundregeln wissenschaftlichen Arbeitens.
    Bei einem Plagiat würde ich allerdings vorsichtig sein mit diesem Wort. Das bedeutet noch mal etwas mehr, nämlich dass tatsächlich zum einen wesentliche Teile, also auch einfach vom Umfang her, abgekupfert sein müssen, nicht belegt sein sollen. Das weiß man im Moment bei Guttenberg noch nicht. Es ist immer die Rede von einigen Seiten, es tauchen immer mehr Vorwürfe auf, das wird man abwarten müssen.
    Der zweite Punkt ist, dass tatsächlich auch die Substanz der Arbeit betroffen sein muss, dass also wirklich die Argumentation, die jetzt in unserem Fall Guttenberg aufbaut, zusammenbrechen würde, wenn man diese falschen, falsch belegten Stellen rausnimmt. Auch das ist sicherlich im Moment noch überhaupt nicht absehbar, sondern da muss man abwarten, wie das normale reguläre Verfahren jetzt weitergeht.

    Lindner: Wie überprüfen Sie das denn bei Ihren Studenten, ob Sie ein Plagiat vor sich haben oder nicht?

    Weigl: Es gibt da zwei Möglichkeiten. Das eine ist tatsächlich so ein gewisses Bauchgefühl. Es gibt so ein paar Hinweise in den Texten, wo man dann einfach selbstständig nachrecherchiert. Das Zweite: Es gibt inzwischen Plagiat-Software. Das heißt, ich kann einfach einen Text sozusagen in diese Software eingeben und die sucht mir dann nach eventuellen Fundstellen, nach eventuellen Doppelungen mit anderen Texten. Allerdings ist es schon so, dass man auch bei dieser Software, wenn sie dann mal durchgelaufen ist, sie zeigt einem sehr viele Treffer an, man muss dann noch mal selbst händisch nachkorrigieren, stimmt das überhaupt, was die Software einem da herausgibt. Aber die Software erleichtert das natürlich schon sehr stark.

    Lindner: Also die technischen Möglichkeiten gibt es. Warum ist es dann in Bayreuth niemandem aufgefallen, dass es so viele unbelegte Stellen gibt?

    Weigl: Da muss man sicherlich auch die Kollegen sozusagen in Schutz nehmen. Es ist sehr schwierig, Plagiate zu erkennen. Es geht ja jetzt zum Beispiel in diesem Fall bei Guttenberg auch tatsächlich wohl um Zeitungsartikel. Nicht jeder Professor kann jeden Zeitungsartikel, der irgendwie mit dem Thema zu tun hat, oder auch nicht jeden Aufsatz, nicht jedes Buch kennen. Und dann muss man beim Lesen ja auch noch sofort erkennen, oh, das ist nicht von demjenigen. Also das ist ein sehr, sehr schwieriges Verfahren und es ist tatsächlich so, dass viele Plagiate unentdeckt bleiben und auch viele einfach falsche Belegführungen. Das ist einfach so. Insofern wäre das jetzt nicht unbedingt ungewöhnlich. Man muss sicherlich mal abwarten, wie groß dann letztlich der Umfang tatsächlich ist.

    Heinemann: Der Politikwissenschaftler Michael Weigl von der Universität München. Die Fragen stellte meine Kollegin Nadine Lindner.