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Eine Eulen-Wanderung in Hessen
"Kuwitt-Kuwitt. Uhu. Bu-Bu-Bu-Bu-Bu."

Der Naturpark Lahn-Dill-Bergland liegt beinahe mitten in Deutschland. Hier werden auch eher ungewöhnliche Führungen angeboten: Wanderungen durch das "tierische Hessen" - auf der Suche nach den Nachtvögeln mit den kugeligen Augen, die ihren Kopf um mehr als 270 Grad drehen können.

Von Heike Braun |
    Ein Raufußkauz auf einem Ast im Winter in Deutschland.
    Ein Raufußkauz auf einem Ast im Winter (imago / blickwinkel)
    "Was ist das? Eine Eule?"
    Nein, das ist eine Taube. Sofort wird klar, warum sich Anfang März so viele Menschen auf dem Kirchplatz in Lixfeld eingefunden haben, um nach Einbruch der Dunkelheit an einer Eulenwanderung teilzunehmen. Sie alle wollen zukünftig die Taube nicht mehr mit einem Uhu oder einem Raufußkautz, Waldkautz oder Sperlingskautz verwechseln. Einer, dem das niemals passieren würde, ist Erich Sänger. Er ist der Leiter dieser Nachtwanderung. Ausgerüstet mit einem lichtempfindlichen Fernglas und mit dem Fachwissen, das man zum Unterscheiden von Nacht-Vogelstimmen braucht.
    "Dann will ich mich erst mal vorstellen. Ich bin der Erich. Naturparkführer. Und ich mache meistens Führungen über Naturkunde, Vögel hauptsächlich. Auch allesmögliche andere. Ich bin hier der NABU-Vorsitzende. Auch im Kreis bin ich der Kreisvorsitzende und bin auch Beauftragter der Vogelschutzwarte in Frankfurt."
    Und damit alle wissen, worauf sie achten müssen, macht der Vogelkundler die Rufe der Eulen zuerst einmal vor.
    "Der Waldkautz: Kuwitt-Kuwitt-Kuwitt, macht das Weibchen. Und das Männchen macht: Uhu! So ganz kurz, ganz schnell. Bu-Bu-Bu-Bu-Bu. So macht der Raufußkautz. Bu-Bu-Bu-Bu-Bu. Gut. Dann können wir starten. Diese Richtung, dann links.“
    Die Gruppe setzt sich in Bewegung. Jeder weiß ja jetzt, worauf er hören muss. Zur Sicherheit noch einmal die Zusammenfassung:
    "Kuwitt-Kuwitt. Uhu. Bu-Bu-Bu-Bu-Bu."
    Die Küken werden von den Geschwistern gefressen
    Es geht bergauf. Die Dämmerung setzt ein. Der Wald beginnt und sofort wird es noch dunkler. Passend dazu, gibt es von Erich Sänger ein paar Grusel-Geschichten.
    "Eigene Uhus, die schlagen auch schon mal ihre eigenen Kleinen." – "Eigene Uhus? Wie ist das gemeint? Der Vater die Kinder?" – "Ja. Und die Mutter die Kinder. Wenn die Kleinen abgesondert sind, dann müssen die ihre Reviere verlassen, sonst schlagen sie halt ihr eigenes Kind. Das ist in der Natur Gang und Gebe. Jetzt haben wir ein gutes Nahrungsangebot. Dann legen Eulen bis zu vier oder fünf Eier. Vom ersten Ei an wird gebrütet. Und dann sind da die großen Eulen, die kleinen und die ganz kleinen. Und dann werden die kleinen Küken auch von den Geschwistern gefressen. Das ist halt Natur." – "Das ist doch wohl nicht wahr.“ – "Doch. Dann ist die Chance gegeben, dass ein oder zwei überleben. So wird die Art erhalten. Das ist Sache der Natur. So ist das geregelt. Das macht der Steinadler übrigens auch. Der hat immer zwei Eier und der Jüngere wird von dem Großen dann gefressen, wenn keine Nahrung da ist. Das ist halt so. Oder er wird rausgeschmissen aus dem Nest. Das ist ja ein Nahrungskonkurrent. Der Große will die Nahrung für sich haben und meist wird der Kleine raus geschmissen. Weil einer muss ja durchkommen. Damit die Art sich erhält."
    Die Wandergruppe ist inzwischen auf 27 Teilnehmer angestiegen. Der Jüngste ist acht, der Älteste ist 58 Jahre alt. Die jüngeren haben von der Tour im Internet erfahren. "Ich habe über Facebook gesehen, dass diese Veranstaltung hier angeboten wird. Diese Wanderung. Und dann haben wir uns kurzfristig dazu angemeldet."
    Eine 14-jährige Schleiereule
    Eine 14-jährige Schleiereule (AP)
    Andere haben in der Wanderbroschüre des Lahn-Dill-Parks geblättert. Die zum Beispiel in Restaurants ausliegt. So wie Irma Holler. "Ich habe das gelesen, da lag so ein Programmheftchen aus. Wir kommen aus Herborn und ich fand das für die Kinder ganz interessant und mich selbst interessiert das sehr. Und da habe ich angerufen und gesagt: Da mache ich mit. Die Kids waren auch gleich begeistert."
    "Ja, ich habe direkt gesagt: Ich will mit. Ich finde das interessant. Gerade abends." Leon Breuer ist 14 Jahre alt und hofft, wie all die anderen, dass er am Ende des Nachtspazierganges ein paar Eulenarten gehört hat. Die kennt er bislang nämlich nur aus dem Internet. Genau wie seine zwei Jahre jüngere Schwester. "Ich kenne nur eine Schnee-Eule. Falls es das hier gibt."
    Milena wird an diesem Abend noch lernen, dass Schnee-Eulen hauptsächlich in der arktischen Tundra vorkommen. Aber der Uhu ist ja mit der Schnee-Eule biologisch verwandt. Und den Uhu gibt es auch im Lahn-Dill Kreis.
    "Da! Das ist der Uhu. Ganz ruhig sein."
    Und dann erfahren die 27 Wanderer, dass auch der Uhu in der Lage ist, seinen Artgenossen klar zu machen, wenn sie still sein müssen. "Da gibt es verschiedene Laute und dann haben die Kleinen sich zu ducken im Nest und dann ist Ruhe. Bis der Alte wiederkommt."
    Wählerisch bei der Partnerwahl
    "Schön. Er ruft seinen Namen."
    Die Uhus sind, genau wie andere Eulenarten bis Ende März auf Balz. Der Fachmann kann die Stimmen von Männchen und Weibchen unterscheiden. In dieser Jahreszeit suchen sich die weiblichen Eulen einen Partner. Ist der erst einmal gefunden, hält die Verbindung oft ein Leben lang. Darum sind die Auswahlkriterien auch so hart, erklärt Erich Sänger. "Er gibt ja Beute ab. Der fängt zum Beispiel eine Maus oder eine Ratte oder ein Kaninchen und bringt es dem Weibchen. Das denkt: Oh, der bringt gute Beute. Den kann ich nehmen. Wenn er dann noch gut ruft, ist das noch besser. Der andere ruft vielleicht schwächer und bringt nur ein Mäuschen an. Dann sagt sie: Den will ich nicht."
    "Aha? Wie alt wird so ein Uhu?" – "Der kann bis zu 40 Jahre alt werden."
    "Das ist der Raufußkautz. Bu-Bu-Bu-Bu. Das ist er. Der Raufußkautz ist ein Überbleibsel aus der Eiszeit. Seine Füße sind befiedert, bis unten. Weil er die Kälte liebt. Deshalb haben wir noch sehr gute Populationen hier. Vor fünf Jahren hatten wir Spitzenerfolge von acht Brutpaaren."
    "Da. Das ist wieder der Uhu."
    Am Ende der Wanderung haben sich zwar nicht alle Eulenarten gemeldet, die im Lahn-Dill Kreis leben, aber die Wanderer haben viel über Nachtvögel und ihr Verhalten gelernt. Zum Beispiel auch, was Eulen tun, wenn sie nicht zu hören sind. "Dann wird sich aneinander gekuschelt und dann wird geruht."