Hitzacker vor wenigen Tagen. Der kleine Ort an der Elbe, 30 Kilometer von Gorleben entfernt, ist eines der Ziele auf der Sommerreise von Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister, CDU. Der will hier im Wendland - ein halbes Jahr vor der Landtagswahl - eigentlich medienwirksam über den idyllischen Deich radeln. Doch eine Gruppe von Gorleben-Gegnern, ausgerüstet mit Anti-Atomkraft-Fahnen, passt den Politiker vorher ab. Martin Donat, Vorsitzender der örtlichen "Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg", streckt dem Ministerpräsidenten die Hand entgegen.
Donat: "Guten Tag, Herr McAllister, das ist ja schön, dass Sie das Wendland mal besuchen."
McAllister:"Schönen guten Tag. Ich bin ja nicht das erste Mal hier..."
Donat: "Das ist wohl richtig, aber es wär ja auch gut, wenn Sie mal unsere Sorgen zur Kenntnis nehmen würden. Leider ist Gorleben ja noch nicht aus dem Rennen. Und leider sind Sie an den Küchengesprächen ja gar nicht beteiligt. Wie wird Niedersachsen denn seine Position wahren?"
Die aktuellen Bemühungen um einen Endlagerkonsens werden hier im Wendland, wo seit mehr als 35 Jahren gegen ein Endlager für hoch radioaktiven Abfall in Gorleben gekämpft wird, sehr genau beobachtet. Die Angst, dass nicht nur im oberirdischen Zwischenlager, sondern bald auch tatsächlich in dem umstrittenen Salzstock eines Tages Castoren eingelagert werden könnten, ist groß. Obwohl der damalige Bundesumweltminister Norbert Röttgen vor gut einem Dreivierteljahr einen Neustart für die Endlagersuche ausgerufen hat.
Seitdem ringen Vertreter von Bund und Ländern, von Opposition und Regierung um das sogenannte Standortauswahlgesetz. Darin soll festgelegt werden, wie und wo künftig in Deutschland nach einem geeigneten Ort für die Endlagerung der hochgefährlichen Abfälle gesucht werden soll. Nach einem gescheiterten Anlauf im Jahr 2003, die Endlagersuche neu zu organisieren - damals wollten sich CDU und CSU nicht an den Verhandlungen beteiligen - besteht erstmals die Möglichkeit einer parteiübergreifenden Einigung.
Dies sei eine historische Chance, sagt Ministerpräsident McAllister bei seinem Ausflug nach Hitzacker, bevor er sich auf's Fahrrad schwingt. Doch verhandelt werde hinter verschlossenen Türen, entgegnet Gorleben-Gegner Martin Donat: Die Öffentlichkeit bleibe ausgeschlossen.
"Öffnen Sie die Türen! Nicht nur das kurze Zeitfenster, öffnen Sie die Türen und lassen Sie die Debatte über das Atommülldesaster zu! McAllister: Also, wir haben die Tür geöffnet. Stellen Sie sich mal vor, wenn Ihnen jemand vor zwei Jahren prognostiziert hätte, dass Regierung und Opposition, Bund und Länder konkret in Gesprächen sind, die Endlagersuche in Deutschland auf ein ganz neues Verfahren zu stellen, im Rahmen einer Debatte um ein Endlagersuchgesetz - ich weiß nicht, ob Sie wirklich da gesagt hätten, das halte ich für realistisch..."
Der Anstoß zum neuen Anlauf bei der Endlagersuche kam im Sommer 2011 aus Baden-Württemberg: Winfried Kretschmann, erster grüner Ministerpräsident der Republik machte sich dafür stark, die einseitige Fixierung auf Gorleben aufzugeben. Kretschmann forderte eine neue Suche an anderen Orten: Nicht nur in Salzstöcken, sondern auch in Ton- und Granitformationen sollte nach Lagerstätten gesucht werden. Selbstverständlich auch in Baden-Württemberg. Der damalige Bundesumweltminister Norbert Röttgen nahm Kretschmanns Vorstoß gerne an. Konsensorientiert, mit offenem Ausgang, Bürgerbeteiligung und einem Höchstmaß an Transparenz - so sollte die neue Suche aussehen.
"Es gibt eine weiße Landkarte, kein Tabu, und es geht darum, den sichersten Standort für radioaktive Abfälle in Deutschland zu finden."
Doch Röttgens Nachfolger geht andere Wege. Peter Altmaier spricht zwar von einem offenen, transparenten Verfahren. Das bezieht sich offenbar aber nicht auf die Ausarbeitung des zentralen Gesetzes: Wer an den vom Bundesumweltministerium organisierten Verhandlungsrunden teilnimmt, darüber macht die Behörde keine Angaben. Offizielle Presseanfragen beim Ministerium zum Thema Endlagersuche bleiben tagelang unbeantwortet, Interviewwünsche unerfüllt.
Anders als sein Amtsvorgänger setzt Altmaier nicht auf Gespräche in großer Runde, über deren Ergebnisse dann vor laufender Kamera berichtet wird. Er zieht vertrauliche Treffen vor. Jürgen Trittin und Sigmar Gabriel lud er zu so genannten "Küchengesprächen" in seine Berliner Altbauwohnung. Über die Ergebnisse wurde Stillschweigen vereinbart. Selbst die Parteigenossen in Niedersachsen bleiben beim aktuellen Sachstand außen vor. Die immer wieder versprochene Transparenz und Offenheit bei der Endlagersuche gelte offenbar nicht für die Entwicklung des dafür nötigen Gesetzes, kritisiert deshalb Rebecca Harms. Sie ist Fraktionschefin der Grünen im Europaparlament und eine der profiliertesten Gegnerinnen des Gorlebener Endlagerprojekts:
"So wie auch schon bei der "Standortentscheidung Gorleben" in den Siebzigerjahren vorgegangen worden ist, so wird jetzt auch zwischen einigen wenigen Ministern und in erster Linie: Beamten, zwischen Bund und Ländern geklärt, wie man das in Zukunft - ohne dass man sich über die Fehler der Vergangenheit verständigt hat - wie man das in Zukunft fortsetzen will!"
Diese Kritik beeindruckt den Bundesumweltminister nicht. In der CDU ist nach Fukushima klarer denn je: Mit einem sturen Pro-Atomkraft-Kurs lassen sich keine Bundestags- und Landtagswahlen mehr gewinnen, im Gegenteil. Und weil diese Wahlen bald anstehen, muss nun alles ganz schnell gehen, so Peter Altmaier Mitte Juni im Morgenmagazin des "ZDF":
"Die Zeit drängt! Ich möchte, dass ein Gesetz verabschiedet wird, bevor der Bundestagswahlkampf beginnt und bevor dann alle unter Sachzwängen leiden, die nichts mit Gorleben, die nichts mit Endlagern zu tun haben."
Dies wäre auch ganz im Sinne von David McAllister. Mehrfach hat der niedersächsische Ministerpräsident betont, wie sehr seine Landesregierung an einer gemeinsamen Lösung in der Endlagerfrage schon in diesem Sommer interessiert sei.
"Entscheidend sind jetzt die Gespräche zwischen den Spitzen der Bundestagsfraktionen und Parteien. Wir in Niedersachsen sind sofort bereit, uns an jedem Konsens- und an jedem Spitzengespräch zu beteiligen. Wir selbst haben ja - mit einigen anderen - auch diese Konsensgespräche überhaupt erst angeschoben."
Auch für McAllister drängt die Zeit: Er muss sich im kommenden Januar bei der Landtagswahl beweisen. In den Umfragen liegt seine CDU derzeit leicht vor der SPD, doch weil die FDP schwächelt, reicht es bislang nicht für eine schwarz-gelbe Koalition. Eine sich hinziehende Debatte um den niedersächsischen Standort Gorleben käme im Wahlkampf äußerst ungelegen.
"Das Thema Endlagersuchgesetz, das muss im Parteienkonsens geklärt werden ohne Wahlkampf und ohne scharfe Auseinandersetzungen. Das Thema ist zu ernst, das Thema ist zu langfristig angelegt, um kurzfristig wieder Wahlkampfaktionen zum Opfer zu fallen."
Die niedersächsische Landesregierung macht sich im Zuge des angestrebten Endlagerkonsenses dafür stark, die Erkundung Gorlebens zunächst zu stoppen. Außerdem sollen die Ergebnisse der Sicherheitsanalyse des Salzstocks so lange nicht in den Suchprozess einfließen, bis Vergleiche mit anderen Standorten möglich sind.
Erste Ergebnisse haben Altmaiers Küchengespräche bereits erbracht. Gegenstand der Verhandlungen ist ein erster Entwurf für das Standortauswahlgesetz. Das soll regeln, wie die Suche nach einem atomaren Endlager ablaufen und wer sie organisieren soll: Wird dafür ein neues Bundesinstitut gegründet oder laufen weiterhin alle Fäden des Verfahrens beim schon heute zuständigen Bundesamt für Strahlenschutz, kurz: BfS, zusammen? SPD und Grüne in Bund und den Ländern wünschen sich, dass nach wie vor das von Wolfram König geführte BfS die Suche leitet. Der Präsident mit dem grünen Parteibuch hat sich in mehr als zehn Jahren an der Spitze des Bundesamtes viel Vertrauen auch bei atomkritischen Gruppen erworben, zuletzt bei der Schließung des maroden Atommülllagers Asse II. Vor allem aus dem CDU-geführten Bundesumweltministerium kommt immer wieder die Forderung, König und das BfS bei der Endlagersuche kaltzustellen, dort gilt der grüne Präsident vielen als zu kritisch.
Über die grobe Linie einer neuen Suche scheint zwischen dem amtierenden Bundesumweltminister und seinen Vorgängern Sigmar Gabriel und Jürgen Trittin Einigkeit zu herrschen. Von mir aus, sagte Sigmar Gabriel vor wenigen Tagen, gefragt zum Stand der Dinge, könnten wir den Sack zumachen. Eine optimistische Sicht. Denn vor allem über vier Punkte herrscht immer noch Dissens. Das erklärt Jürgen Trittin, der als Fraktionschef der Bündnisgrünen an den Verhandlungen teilnimmt.
"Es geht um die Frage: Was soll mit Gorleben geschehen? Wir dort tatsächlich die Erkundung und der Bau beendet? Zweitens: Gibt es keine Einigung bisher über die Frage, welche Kriterien denn im Gesetz stehen müssen. Drittens gibt es auch keine Verständigung darüber, wie viele Standorte am Ende miteinander verglichen werden. Und viertens gibt es keinen Konsens darüber, wer eigentlich suchen soll!"
Seit Anfang Juli kursiert der Entwurf unter Journalisten. Auf 25 Seiten gibt er einen Einblick in das, was hinter verschlossenen Türen ausgehandelt wurde. Klar geregelt scheint dabei der Umgang mit dem Standort Gorleben. Paragraf 20 des Gesetzentwurfs für ein neues Standortauswahlverfahren sieht vor:
Der Salzstock Gorleben wird wie jeder in Betracht kommende Standort gemäß den nach dem Standortauswahlgesetz festgelegten Kriterien und Anforderungen in das Standortauswahlverfahren einbezogen. (...) Der Salzstock Gorleben dient nicht als Referenzstandort für andere zu erkundende Standorte.
Gorleben im Rennen zu lassen: Das befürworten Bundesumweltminister Altmaier, mit ihm die CDU und CSU und sogar der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel, auch wenn die Genossen per Bundesparteitagsbeschluss festgelegt haben: Gorleben muss sofort und für immer aufgegeben werden!
"Ich glaube aber - und da unterscheide ich mich von der niedersächsischen SPD - ich glaube, dass man das Endlagersuchverfahren nicht seriös und integer an anderen Standorten betreiben kann, wenn man vorher politisch entscheidet, Gorleben aus dem Spiel zu nehmen. Deswegen finden sie in meinem Konzept von 2006, als ich Bundesumweltminister war, die Aussage, dass Gorleben nicht weitererkundet wird, aber nicht politisch aus dem Spiel genommen wird."
Das hieße: Zum Jahresende werden nur Unterhaltungsmaßnahmen in Gorleben betrieben. Es würden keine neuen Stollen ins Salz gesprengt, nicht geforscht oder die Beschaffenheit des Standorts analysiert werden. Mit diesem Szenario könnten auch die Grünen leben, erklärt Sylvia Kotting-Uhl. Sie ist atompolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bundestag:
"Das ist für die Bevölkerung im Wendland natürlich schwer zu akzeptieren. Auch wir Grüne, auch ich bin der Ansicht, dass Gorleben sich dem Vergleich stellen muss, um endgültig aus dem Verfahren ausgeschlossen werden zu können und auch, um dieser elendiglichen Geschichte, dass in Gorleben immer nur politisch entschieden wurde und nicht wissenschaftlich begründet - dieser Geschichte nicht noch mal am Schluss wieder eine politische Entscheidung zu geben. Sondern jetzt wirklich anhand eines wissenschaftlichen Vergleichs festzustellen - für alle Seiten sichtbar: Gorleben ist schlechter als dieser oder jener Standort. Und deshalb kommt Gorleben endgültig und rechtssicher aus dem Verfahren."
Gorleben bleibt im Topf - Darüber sind sich die Bundesspitzen von SPD und Grünen und Altmaier einig. Aber die Parteibasis in Niedersachsen hat schwere Bedenken: Sie will - aufgrund der regionalen Betroffenheit - mitreden bei den Verhandlungen. Die Grünen verstehen sich von jeher als Gorlebengegner und auch die niedersächsische SPD ist davon überzeugt: In diesen Salzstock könne hoch radioaktiver Atommüll nicht sicher eingelagert werden: kein intaktes Deckgebirge, Gasvorkommen, wasserführende Schichten in der Tiefe. Die geologischen Zweifel, sagt der SPD-Landesvorsitzende Stephan Weil, seien über die Jahre nicht kleiner, sondern größer geworden.
"Das ist keine taktische Frage. Sondern das muss eine vor allen Dingen von Verantwortungsbewusstsein getragene Entscheidung sein, weil wir hier buchstäblich über eine Jahrtausend-Frage sprechen. Und da nehme ich einfach zu Kenntnis, dass es viele Geologen gibt, die sagen: Das ist strukturell kein geeigneter Standort. Und ich glaube, am Ende dieses schwierigen Suchprozesses muss es ein Standort sein, der über jeden seriösen Zweifel erhaben ist. Und soweit ich das beurteilen kann, wird es das - bezogen auf Gorleben - nicht geben können."
Die Gräben zwischen den Grünen im Bund und in Niedersachsen scheinen noch tiefer zu sein und könnten das ganze Projekt noch zum Kippen bringen. Dass Jürgen Trittin, der baden-württembergische Regierungschef Winfried Kretschmann und die rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerin Eveline Lemke in den Gesprächen mit dem Bundesumweltministerium nicht auf den Verzicht Gorlebens bestehen, stößt bei den niedersächsischen Grünen auf Unverständnis und scharfe Kritik.
Zudem fühlen sich die grünen Akteure vor Ort in Hannover und im Wendland nicht genug einbezogen in die Verhandlungen. Während die kompromissbereiten grünen Endlager-Neulinge aus Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz mit am Tisch sitzen dürfen, bleiben die Asse- und Gorleben-erfahrenen Niedersachsen außen vor. Entscheidungen würden ohne Rücksprache getroffen und Informationen nur spärlich mitgeteilt, heißt es aus Hannover. Dass auch die Öffentlichkeit nicht in den Prozess einbezogen wird, wiegt für die Grünen in Niedersachsen noch schwerer.
Wie die einzelnen Schritte der neuen Endlagersuche aussehen könnten, ist in Paragraf 12 des zuletzt bekannt gewordenen Entwurfs beschrieben: Zunächst sollen Kriterien festgelegt werden, denen ein Endlager genügen muss. Dann erst werden ungeeignete und geeignete Suchgebiete bestimmt. Im nächsten Schritt würde entschieden, wo erste Tiefbohrungen und seismische Messungen stattfinden. Und erst danach folgt die Entscheidung, welche Standorte auch untertägig untersucht werden.
Auf jeder Stufe des Verfahrens soll der Bundestag die jeweilige Auswahl der potenziellen Endlager beschließen. Wie viele Standorte am Ende zusammen mit Gorleben im Rennen bleiben, lässt der Gesetzentwurf offen. Ebenso unklar ist, ob alle für die Atommülllagerung infrage kommenden Wirtsgesteine - Granit, Ton und Salz - miteinander verglichen werden sollen. Dass der Bundesumweltminister, seine Länderkollegen und seine Gäste bei den "Küchengesprächen" eine derart umfangreiche Suche starten wollen, ist nämlich unwahrscheinlich. Im vorliegenden Gesetzentwurf sind für die gesamte neue Standortsuche gerade einmal zwei Milliarden Euro eingeplant. Zum Vergleich: Allein in das Gorlebener Projekt sind bisher 1,8 Milliarden Euro geflossen.
Und ob am Ende der Verhandlungen überhaupt ein tragfähiges Gesetz steht, ist keineswegs ausgemacht. Denn auch die rechtliche Konstruktion des Verfahrens ist problematisch, urteilen Experten. Vorgesehen ist, dass nicht mehr die einschlägigen Landes- und Bundesbehörden die jeweiligen Schritte der Suche per Verwaltungsakt festlegen. Stattdessen soll jeder Schritt durch Gesetzesbeschlüsse des Bundestages abgeschlossen und damit legitimiert werden. Der Hamburger Rechtsanwalt Ulrich Wollenteit hat sich mit etlichen Rechtsfragen der Atomkraftnutzung und Entsorgung befasst. Er hegt schwere Bedenken gegen das geplante Gesetz:
"Welche Standorte werden übertägig untersucht, welche Standorte werden untertägig untersucht und welcher Standort soll's denn am Ende werden? - Wenn darüber der Gesetzgeber entscheidet, dann können die betroffenen Bürger, aber auch die Gebietskörperschaften selbst dagegen nicht vor einem Verwaltungsgericht klagen. Sondern sie können nur eine sogenannte Verfassungsbeschwerde beim Bundeserfassungsgericht anbringen. Und das beinhaltet einen sehr verkürzten Rechtsschutz, der auch verfassungsrechtlich nach meiner Auffassung höchst problematisch ist."
Noch ist unklar, ob es einen Parteienkonsens über die dringend nötige alternative Standortsuche geben wird. Aber schon heute ist klar: Der bisherige Entwurf hat gravierende Mängel: Und die Art und Weise, das Tempo, mit dem das Gesetz beschlossen werden soll, weckt Misstrauen, lässt Zweifel an den Motiven der Handelnden aufkommen. Geht es wirklich um die dauerhafte Befriedung eines schweren gesellschaftlichen Konflikts oder um kurzatmigen Aktionismus vor anstehenden Bundes- und Landtagswahlen?
Zurück in Hitzacker, der Wendland-Station auf David McAllisters Sommerreise. Der niedersächsische Ministerpräsident hat die Gorleben-Gegner, die ihn überraschend empfangen haben, eingeladen, ein Stück mit ihm zu radeln. Danach könne man doch immer noch weiter reden, sagt der CDU-Politiker und die Mitglieder der Bürgerinitiative fahren tatsächlich mit. Als sie mit ihren Anti-Atomkraftfahnen neben dem Ministerpräsidenten auftauchen, lässt der sich damit breitlächelnd fotografieren. Doch das war es dann: McAllister will nicht noch einmal über die geforderte Öffentlichkeitsbeteiligung an dem geplanten Standortsuchgesetz diskutieren. Erstmal soll der heiß ersehnte Endlagerkonsens in trockene Tücher.
"Ich glaube, ein möglicher Fahrplan wäre, dass sich eben die Spitzen der Parteien auf Eckpunkte verständigen, dass der Bundesumweltminister dann den Auftrag bekommt, diese Eckpunkte in Gesetzesform zu gießen, und dann durchläuft dieses Gesetz im Bundestag und im Bundesrat die notwendigen Stationen. Und wir werben auch dafür, dass die Bürger beteiligt werden, insbesondere und gerade auch die Gruppen, die im Wendland aktiv sind, weil sie bislang als einzige Erfahrung gesammelt haben mit diesem Vorhaben. Nur wenn wir nicht zu einer Einigung kommen, dann stehen wir mit leeren Händen da. Und was machen wir dann?"
Donat: "Guten Tag, Herr McAllister, das ist ja schön, dass Sie das Wendland mal besuchen."
McAllister:"Schönen guten Tag. Ich bin ja nicht das erste Mal hier..."
Donat: "Das ist wohl richtig, aber es wär ja auch gut, wenn Sie mal unsere Sorgen zur Kenntnis nehmen würden. Leider ist Gorleben ja noch nicht aus dem Rennen. Und leider sind Sie an den Küchengesprächen ja gar nicht beteiligt. Wie wird Niedersachsen denn seine Position wahren?"
Die aktuellen Bemühungen um einen Endlagerkonsens werden hier im Wendland, wo seit mehr als 35 Jahren gegen ein Endlager für hoch radioaktiven Abfall in Gorleben gekämpft wird, sehr genau beobachtet. Die Angst, dass nicht nur im oberirdischen Zwischenlager, sondern bald auch tatsächlich in dem umstrittenen Salzstock eines Tages Castoren eingelagert werden könnten, ist groß. Obwohl der damalige Bundesumweltminister Norbert Röttgen vor gut einem Dreivierteljahr einen Neustart für die Endlagersuche ausgerufen hat.
Seitdem ringen Vertreter von Bund und Ländern, von Opposition und Regierung um das sogenannte Standortauswahlgesetz. Darin soll festgelegt werden, wie und wo künftig in Deutschland nach einem geeigneten Ort für die Endlagerung der hochgefährlichen Abfälle gesucht werden soll. Nach einem gescheiterten Anlauf im Jahr 2003, die Endlagersuche neu zu organisieren - damals wollten sich CDU und CSU nicht an den Verhandlungen beteiligen - besteht erstmals die Möglichkeit einer parteiübergreifenden Einigung.
Dies sei eine historische Chance, sagt Ministerpräsident McAllister bei seinem Ausflug nach Hitzacker, bevor er sich auf's Fahrrad schwingt. Doch verhandelt werde hinter verschlossenen Türen, entgegnet Gorleben-Gegner Martin Donat: Die Öffentlichkeit bleibe ausgeschlossen.
"Öffnen Sie die Türen! Nicht nur das kurze Zeitfenster, öffnen Sie die Türen und lassen Sie die Debatte über das Atommülldesaster zu! McAllister: Also, wir haben die Tür geöffnet. Stellen Sie sich mal vor, wenn Ihnen jemand vor zwei Jahren prognostiziert hätte, dass Regierung und Opposition, Bund und Länder konkret in Gesprächen sind, die Endlagersuche in Deutschland auf ein ganz neues Verfahren zu stellen, im Rahmen einer Debatte um ein Endlagersuchgesetz - ich weiß nicht, ob Sie wirklich da gesagt hätten, das halte ich für realistisch..."
Der Anstoß zum neuen Anlauf bei der Endlagersuche kam im Sommer 2011 aus Baden-Württemberg: Winfried Kretschmann, erster grüner Ministerpräsident der Republik machte sich dafür stark, die einseitige Fixierung auf Gorleben aufzugeben. Kretschmann forderte eine neue Suche an anderen Orten: Nicht nur in Salzstöcken, sondern auch in Ton- und Granitformationen sollte nach Lagerstätten gesucht werden. Selbstverständlich auch in Baden-Württemberg. Der damalige Bundesumweltminister Norbert Röttgen nahm Kretschmanns Vorstoß gerne an. Konsensorientiert, mit offenem Ausgang, Bürgerbeteiligung und einem Höchstmaß an Transparenz - so sollte die neue Suche aussehen.
"Es gibt eine weiße Landkarte, kein Tabu, und es geht darum, den sichersten Standort für radioaktive Abfälle in Deutschland zu finden."
Doch Röttgens Nachfolger geht andere Wege. Peter Altmaier spricht zwar von einem offenen, transparenten Verfahren. Das bezieht sich offenbar aber nicht auf die Ausarbeitung des zentralen Gesetzes: Wer an den vom Bundesumweltministerium organisierten Verhandlungsrunden teilnimmt, darüber macht die Behörde keine Angaben. Offizielle Presseanfragen beim Ministerium zum Thema Endlagersuche bleiben tagelang unbeantwortet, Interviewwünsche unerfüllt.
Anders als sein Amtsvorgänger setzt Altmaier nicht auf Gespräche in großer Runde, über deren Ergebnisse dann vor laufender Kamera berichtet wird. Er zieht vertrauliche Treffen vor. Jürgen Trittin und Sigmar Gabriel lud er zu so genannten "Küchengesprächen" in seine Berliner Altbauwohnung. Über die Ergebnisse wurde Stillschweigen vereinbart. Selbst die Parteigenossen in Niedersachsen bleiben beim aktuellen Sachstand außen vor. Die immer wieder versprochene Transparenz und Offenheit bei der Endlagersuche gelte offenbar nicht für die Entwicklung des dafür nötigen Gesetzes, kritisiert deshalb Rebecca Harms. Sie ist Fraktionschefin der Grünen im Europaparlament und eine der profiliertesten Gegnerinnen des Gorlebener Endlagerprojekts:
"So wie auch schon bei der "Standortentscheidung Gorleben" in den Siebzigerjahren vorgegangen worden ist, so wird jetzt auch zwischen einigen wenigen Ministern und in erster Linie: Beamten, zwischen Bund und Ländern geklärt, wie man das in Zukunft - ohne dass man sich über die Fehler der Vergangenheit verständigt hat - wie man das in Zukunft fortsetzen will!"
Diese Kritik beeindruckt den Bundesumweltminister nicht. In der CDU ist nach Fukushima klarer denn je: Mit einem sturen Pro-Atomkraft-Kurs lassen sich keine Bundestags- und Landtagswahlen mehr gewinnen, im Gegenteil. Und weil diese Wahlen bald anstehen, muss nun alles ganz schnell gehen, so Peter Altmaier Mitte Juni im Morgenmagazin des "ZDF":
"Die Zeit drängt! Ich möchte, dass ein Gesetz verabschiedet wird, bevor der Bundestagswahlkampf beginnt und bevor dann alle unter Sachzwängen leiden, die nichts mit Gorleben, die nichts mit Endlagern zu tun haben."
Dies wäre auch ganz im Sinne von David McAllister. Mehrfach hat der niedersächsische Ministerpräsident betont, wie sehr seine Landesregierung an einer gemeinsamen Lösung in der Endlagerfrage schon in diesem Sommer interessiert sei.
"Entscheidend sind jetzt die Gespräche zwischen den Spitzen der Bundestagsfraktionen und Parteien. Wir in Niedersachsen sind sofort bereit, uns an jedem Konsens- und an jedem Spitzengespräch zu beteiligen. Wir selbst haben ja - mit einigen anderen - auch diese Konsensgespräche überhaupt erst angeschoben."
Auch für McAllister drängt die Zeit: Er muss sich im kommenden Januar bei der Landtagswahl beweisen. In den Umfragen liegt seine CDU derzeit leicht vor der SPD, doch weil die FDP schwächelt, reicht es bislang nicht für eine schwarz-gelbe Koalition. Eine sich hinziehende Debatte um den niedersächsischen Standort Gorleben käme im Wahlkampf äußerst ungelegen.
"Das Thema Endlagersuchgesetz, das muss im Parteienkonsens geklärt werden ohne Wahlkampf und ohne scharfe Auseinandersetzungen. Das Thema ist zu ernst, das Thema ist zu langfristig angelegt, um kurzfristig wieder Wahlkampfaktionen zum Opfer zu fallen."
Die niedersächsische Landesregierung macht sich im Zuge des angestrebten Endlagerkonsenses dafür stark, die Erkundung Gorlebens zunächst zu stoppen. Außerdem sollen die Ergebnisse der Sicherheitsanalyse des Salzstocks so lange nicht in den Suchprozess einfließen, bis Vergleiche mit anderen Standorten möglich sind.
Erste Ergebnisse haben Altmaiers Küchengespräche bereits erbracht. Gegenstand der Verhandlungen ist ein erster Entwurf für das Standortauswahlgesetz. Das soll regeln, wie die Suche nach einem atomaren Endlager ablaufen und wer sie organisieren soll: Wird dafür ein neues Bundesinstitut gegründet oder laufen weiterhin alle Fäden des Verfahrens beim schon heute zuständigen Bundesamt für Strahlenschutz, kurz: BfS, zusammen? SPD und Grüne in Bund und den Ländern wünschen sich, dass nach wie vor das von Wolfram König geführte BfS die Suche leitet. Der Präsident mit dem grünen Parteibuch hat sich in mehr als zehn Jahren an der Spitze des Bundesamtes viel Vertrauen auch bei atomkritischen Gruppen erworben, zuletzt bei der Schließung des maroden Atommülllagers Asse II. Vor allem aus dem CDU-geführten Bundesumweltministerium kommt immer wieder die Forderung, König und das BfS bei der Endlagersuche kaltzustellen, dort gilt der grüne Präsident vielen als zu kritisch.
Über die grobe Linie einer neuen Suche scheint zwischen dem amtierenden Bundesumweltminister und seinen Vorgängern Sigmar Gabriel und Jürgen Trittin Einigkeit zu herrschen. Von mir aus, sagte Sigmar Gabriel vor wenigen Tagen, gefragt zum Stand der Dinge, könnten wir den Sack zumachen. Eine optimistische Sicht. Denn vor allem über vier Punkte herrscht immer noch Dissens. Das erklärt Jürgen Trittin, der als Fraktionschef der Bündnisgrünen an den Verhandlungen teilnimmt.
"Es geht um die Frage: Was soll mit Gorleben geschehen? Wir dort tatsächlich die Erkundung und der Bau beendet? Zweitens: Gibt es keine Einigung bisher über die Frage, welche Kriterien denn im Gesetz stehen müssen. Drittens gibt es auch keine Verständigung darüber, wie viele Standorte am Ende miteinander verglichen werden. Und viertens gibt es keinen Konsens darüber, wer eigentlich suchen soll!"
Seit Anfang Juli kursiert der Entwurf unter Journalisten. Auf 25 Seiten gibt er einen Einblick in das, was hinter verschlossenen Türen ausgehandelt wurde. Klar geregelt scheint dabei der Umgang mit dem Standort Gorleben. Paragraf 20 des Gesetzentwurfs für ein neues Standortauswahlverfahren sieht vor:
Der Salzstock Gorleben wird wie jeder in Betracht kommende Standort gemäß den nach dem Standortauswahlgesetz festgelegten Kriterien und Anforderungen in das Standortauswahlverfahren einbezogen. (...) Der Salzstock Gorleben dient nicht als Referenzstandort für andere zu erkundende Standorte.
Gorleben im Rennen zu lassen: Das befürworten Bundesumweltminister Altmaier, mit ihm die CDU und CSU und sogar der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel, auch wenn die Genossen per Bundesparteitagsbeschluss festgelegt haben: Gorleben muss sofort und für immer aufgegeben werden!
"Ich glaube aber - und da unterscheide ich mich von der niedersächsischen SPD - ich glaube, dass man das Endlagersuchverfahren nicht seriös und integer an anderen Standorten betreiben kann, wenn man vorher politisch entscheidet, Gorleben aus dem Spiel zu nehmen. Deswegen finden sie in meinem Konzept von 2006, als ich Bundesumweltminister war, die Aussage, dass Gorleben nicht weitererkundet wird, aber nicht politisch aus dem Spiel genommen wird."
Das hieße: Zum Jahresende werden nur Unterhaltungsmaßnahmen in Gorleben betrieben. Es würden keine neuen Stollen ins Salz gesprengt, nicht geforscht oder die Beschaffenheit des Standorts analysiert werden. Mit diesem Szenario könnten auch die Grünen leben, erklärt Sylvia Kotting-Uhl. Sie ist atompolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bundestag:
"Das ist für die Bevölkerung im Wendland natürlich schwer zu akzeptieren. Auch wir Grüne, auch ich bin der Ansicht, dass Gorleben sich dem Vergleich stellen muss, um endgültig aus dem Verfahren ausgeschlossen werden zu können und auch, um dieser elendiglichen Geschichte, dass in Gorleben immer nur politisch entschieden wurde und nicht wissenschaftlich begründet - dieser Geschichte nicht noch mal am Schluss wieder eine politische Entscheidung zu geben. Sondern jetzt wirklich anhand eines wissenschaftlichen Vergleichs festzustellen - für alle Seiten sichtbar: Gorleben ist schlechter als dieser oder jener Standort. Und deshalb kommt Gorleben endgültig und rechtssicher aus dem Verfahren."
Gorleben bleibt im Topf - Darüber sind sich die Bundesspitzen von SPD und Grünen und Altmaier einig. Aber die Parteibasis in Niedersachsen hat schwere Bedenken: Sie will - aufgrund der regionalen Betroffenheit - mitreden bei den Verhandlungen. Die Grünen verstehen sich von jeher als Gorlebengegner und auch die niedersächsische SPD ist davon überzeugt: In diesen Salzstock könne hoch radioaktiver Atommüll nicht sicher eingelagert werden: kein intaktes Deckgebirge, Gasvorkommen, wasserführende Schichten in der Tiefe. Die geologischen Zweifel, sagt der SPD-Landesvorsitzende Stephan Weil, seien über die Jahre nicht kleiner, sondern größer geworden.
"Das ist keine taktische Frage. Sondern das muss eine vor allen Dingen von Verantwortungsbewusstsein getragene Entscheidung sein, weil wir hier buchstäblich über eine Jahrtausend-Frage sprechen. Und da nehme ich einfach zu Kenntnis, dass es viele Geologen gibt, die sagen: Das ist strukturell kein geeigneter Standort. Und ich glaube, am Ende dieses schwierigen Suchprozesses muss es ein Standort sein, der über jeden seriösen Zweifel erhaben ist. Und soweit ich das beurteilen kann, wird es das - bezogen auf Gorleben - nicht geben können."
Die Gräben zwischen den Grünen im Bund und in Niedersachsen scheinen noch tiefer zu sein und könnten das ganze Projekt noch zum Kippen bringen. Dass Jürgen Trittin, der baden-württembergische Regierungschef Winfried Kretschmann und die rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerin Eveline Lemke in den Gesprächen mit dem Bundesumweltministerium nicht auf den Verzicht Gorlebens bestehen, stößt bei den niedersächsischen Grünen auf Unverständnis und scharfe Kritik.
Zudem fühlen sich die grünen Akteure vor Ort in Hannover und im Wendland nicht genug einbezogen in die Verhandlungen. Während die kompromissbereiten grünen Endlager-Neulinge aus Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz mit am Tisch sitzen dürfen, bleiben die Asse- und Gorleben-erfahrenen Niedersachsen außen vor. Entscheidungen würden ohne Rücksprache getroffen und Informationen nur spärlich mitgeteilt, heißt es aus Hannover. Dass auch die Öffentlichkeit nicht in den Prozess einbezogen wird, wiegt für die Grünen in Niedersachsen noch schwerer.
Wie die einzelnen Schritte der neuen Endlagersuche aussehen könnten, ist in Paragraf 12 des zuletzt bekannt gewordenen Entwurfs beschrieben: Zunächst sollen Kriterien festgelegt werden, denen ein Endlager genügen muss. Dann erst werden ungeeignete und geeignete Suchgebiete bestimmt. Im nächsten Schritt würde entschieden, wo erste Tiefbohrungen und seismische Messungen stattfinden. Und erst danach folgt die Entscheidung, welche Standorte auch untertägig untersucht werden.
Auf jeder Stufe des Verfahrens soll der Bundestag die jeweilige Auswahl der potenziellen Endlager beschließen. Wie viele Standorte am Ende zusammen mit Gorleben im Rennen bleiben, lässt der Gesetzentwurf offen. Ebenso unklar ist, ob alle für die Atommülllagerung infrage kommenden Wirtsgesteine - Granit, Ton und Salz - miteinander verglichen werden sollen. Dass der Bundesumweltminister, seine Länderkollegen und seine Gäste bei den "Küchengesprächen" eine derart umfangreiche Suche starten wollen, ist nämlich unwahrscheinlich. Im vorliegenden Gesetzentwurf sind für die gesamte neue Standortsuche gerade einmal zwei Milliarden Euro eingeplant. Zum Vergleich: Allein in das Gorlebener Projekt sind bisher 1,8 Milliarden Euro geflossen.
Und ob am Ende der Verhandlungen überhaupt ein tragfähiges Gesetz steht, ist keineswegs ausgemacht. Denn auch die rechtliche Konstruktion des Verfahrens ist problematisch, urteilen Experten. Vorgesehen ist, dass nicht mehr die einschlägigen Landes- und Bundesbehörden die jeweiligen Schritte der Suche per Verwaltungsakt festlegen. Stattdessen soll jeder Schritt durch Gesetzesbeschlüsse des Bundestages abgeschlossen und damit legitimiert werden. Der Hamburger Rechtsanwalt Ulrich Wollenteit hat sich mit etlichen Rechtsfragen der Atomkraftnutzung und Entsorgung befasst. Er hegt schwere Bedenken gegen das geplante Gesetz:
"Welche Standorte werden übertägig untersucht, welche Standorte werden untertägig untersucht und welcher Standort soll's denn am Ende werden? - Wenn darüber der Gesetzgeber entscheidet, dann können die betroffenen Bürger, aber auch die Gebietskörperschaften selbst dagegen nicht vor einem Verwaltungsgericht klagen. Sondern sie können nur eine sogenannte Verfassungsbeschwerde beim Bundeserfassungsgericht anbringen. Und das beinhaltet einen sehr verkürzten Rechtsschutz, der auch verfassungsrechtlich nach meiner Auffassung höchst problematisch ist."
Noch ist unklar, ob es einen Parteienkonsens über die dringend nötige alternative Standortsuche geben wird. Aber schon heute ist klar: Der bisherige Entwurf hat gravierende Mängel: Und die Art und Weise, das Tempo, mit dem das Gesetz beschlossen werden soll, weckt Misstrauen, lässt Zweifel an den Motiven der Handelnden aufkommen. Geht es wirklich um die dauerhafte Befriedung eines schweren gesellschaftlichen Konflikts oder um kurzatmigen Aktionismus vor anstehenden Bundes- und Landtagswahlen?
Zurück in Hitzacker, der Wendland-Station auf David McAllisters Sommerreise. Der niedersächsische Ministerpräsident hat die Gorleben-Gegner, die ihn überraschend empfangen haben, eingeladen, ein Stück mit ihm zu radeln. Danach könne man doch immer noch weiter reden, sagt der CDU-Politiker und die Mitglieder der Bürgerinitiative fahren tatsächlich mit. Als sie mit ihren Anti-Atomkraftfahnen neben dem Ministerpräsidenten auftauchen, lässt der sich damit breitlächelnd fotografieren. Doch das war es dann: McAllister will nicht noch einmal über die geforderte Öffentlichkeitsbeteiligung an dem geplanten Standortsuchgesetz diskutieren. Erstmal soll der heiß ersehnte Endlagerkonsens in trockene Tücher.
"Ich glaube, ein möglicher Fahrplan wäre, dass sich eben die Spitzen der Parteien auf Eckpunkte verständigen, dass der Bundesumweltminister dann den Auftrag bekommt, diese Eckpunkte in Gesetzesform zu gießen, und dann durchläuft dieses Gesetz im Bundestag und im Bundesrat die notwendigen Stationen. Und wir werben auch dafür, dass die Bürger beteiligt werden, insbesondere und gerade auch die Gruppen, die im Wendland aktiv sind, weil sie bislang als einzige Erfahrung gesammelt haben mit diesem Vorhaben. Nur wenn wir nicht zu einer Einigung kommen, dann stehen wir mit leeren Händen da. Und was machen wir dann?"