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Eine Frau an der Spitze Australiens

Überraschender Führungswechsel in Australien: Premierminister Kevin Rudd musste trotz erfolgreicher Amtszeit gehen, weil sich die eigene Partei, von ihm abwandte. Mit Julia Gillard übernimmt nun erstmals eine Frau die Spitze.

Von Andreas Stummer |
    Es war ein historischer Donnerstag in Canberra. Australiens erste Generalgouverneurin vereidigte Australiens erste Premierministerin: Julia Gillard, 48, geboren in Wales, Einwandererkind, gelernte Anwältin, im Parlament seit 1998, frühere Ministerin für Bildung und Arbeit, Vizeregierungschefin – und jetzt – nach einer internen Parteirevolte, ist sie die erste Frau im Staat; ohne vom Volk gewählt zu sein, aber mit jeder Menge Vorschusslorbeeren.

    "Julia Gillard hat sich in Opposition und in der Regierung bewährt. Wir wissen, was sie kann - und sie wird eine fantastische Premierministerin sein", sagt eine Frau in Canberra. Ihr Mann aber erinnert daran: "Sie war Kevin Rudds rechte Hand - sie hat alle Entscheidungen und Fehlentscheidungen dieser Regierung mitgetragen. Das wird ihr schaden."

    Noch vergangenes Jahr war Kevin Rudd der beliebteste australische Premier aller Zeiten. Ein frischer Wind nach elf Jahren unter dem erzkonservativen John Howard. Rudd galt als unschlagbar, bis er begann, Wahlversprechen nicht zu halten. "Der Klimaschutz ist die größte, moralische Pflicht unserer Zeit", sagte Rudd nach seinem Wahlsieg - nur um einen angekündigten Emissionshandel mit CO2-Zertifikaten nach der gescheiterten Klimakonferenz von Kopenhagen auf Eis zu legen. Ein Fehler, den Julia Gillard nicht wiederholen will.

    "Ich möchte mehr alternative Energien wie Wind oder Sonne nutzen. Denn ich bin davon überzeugt, dass Menschen zum Klimawandel beitragen. Deshalb brauchen wir einen Emissionshandel. Ein Gesetz, das jeder unterstützt und das in Australien und im Ausland einen Preis für CO2 festlegt."

    Selbst ihre Kritiker geben zu: Gillard ist direkt, aber fair, kompetent, verlässlich – und vor allem kollegial. Ganz anders als Kevin Rudd. Er bestimmte den Kurs, er traf die wichtigen Entscheidungen, er machte die großen Ankündigungen. Seine Minister waren meist nur Statisten. Bestes Beispiel: eine geplante Supersteuer auf Profite der australischen Bergbau-Industrie. Rudd wollte 40 Prozent der Gewinne großer Rohstoffkonzerne, die Branche erklärte ihm den Grubenkrieg. Danach sanken Rudds Umfragewerte unter Tage. Julia Gillard will jetzt einen Kompromiss. Nicht um jeden Preis, sondern nur mit Billigung ihrer Partei.

    "Die Basis meiner Autorität als Parteichefin ist der gegenseitige Respekt, den wir füreinander haben sollten – wir sind Kollegen und wir sind ein Team. Jeder Australier sollte einen größeren Anteil an unseren Bodenschätzen haben. Aber dazu müssen wir miteinander reden und verhandeln."

    Der Führungswechsel von Rudd zu Gillard sei ein Witz, mäkelt Tony Abbott, der Oppositionsführer der Konservativen – gleiches Programm, anderer Zirkusdirektor. Abbott nennt Gillard "die rote Julia". Nicht nur wegen ihrer Haarfarbe, sondern weil sie in der Labour-Partei als Linksaußen gilt. In der Boulevardpresse wird diskutiert, was Gillard trägt, ihr Haarschnitt und dass ihr Partner Tim Friseur ist, dass die beiden unverheiratet sind, dass Gillard keine Kinder hat - und auch nie welche wollte -, dass sie zwar Sinn für Humor hat, aber im Job keinen Spaß versteht.

    "Ich bin keine Anfängerin, ich bin seit zwölf Jahren in der Politik. Und in all dieser Zeit habe ich mir immer meine eigene Meinung gebildet, ich habe nach meinem Gewissen gehandelt - und stets im Interesse Australiens."

    Julia Gillard hat angekündigt, noch in diesem Jahr Wahlen abzuhalten. Erst wenn sie im Amt bestätigt sei, sagt sie, fühle sie sich als rechtmäßige Premierministerin. Kaum jemand zweifelt daran, dass bis dahin Australiens eiserne Lady an der Spitze des Landes ihren Mann stehen wird.