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Eine Frau mit vielen Gesichtern

Im Kreis der Familie, beim Staatsempfang oder als dreidimensionales Hologramm - Porträts von Elizabeth II. gibt es viele. Eine Auswahl der Queen-Darstellungen der letzten 60 Jahre zeigt die Londoner National Portrait Gallery in der aktuellen Ausstellung "The Queen: Art and Image".

Von Hans Pietsch |
    Das erste Bild der neuen Königin, das die Nation zu sehen bekam, war nicht etwa ein offizielles Porträt, sondern ein Pressefoto. Prinzessin Elisabeth hielt sich in Kenia auf, als sie die Nachricht vom Tod ihres Vaters erreichte. Bei ihrer Ankunft auf dem Londoner Flughafen am folgenden Tag wartete schon die Presse und am 7. Februar 1952 erschien in der "Times" ein Foto der blutjungen Monarchin, umgeben von Offiziellen. Sie dreht sich zum Fotografen um und ihr Gesichtsausdruck sagt: So ganz weiß ich noch nicht, was mit mir geschehen ist.

    Doch dann beginnt sofort die Imagebildung. Cecil Beatons offizielles Krönungsfoto macht den Anfang: eine willensstarke junge Frau, der Situation gewachsen, königlich, aber auch bescheiden. Das berühmte Porträt des Italieners Pietro Annigoni von 1954 spinnt das weiter. Er plaziert sie vor eine fast schamlos romantische Landschaft, wieder erscheint sie unerschütterlich stark, betrachtet die Welt jedoch von einer Position der Isolation aus.

    Ein Foto ihres Schwagers Anthony Armstrong Jones von 1957 läutet dann das nächste Jahrzehnt ein: Das Ehepaar blickt von einer Steinbrücke aus stolz auf die beiden Kinder Anne und Charles hinunter, die, auf einem Felsvorsprung sitzend, in einem Buch lesen. Ein wenn auch etwas steifes Familienfoto, das zeigen soll, dass hinter ihrer singulären Position als Regentin eine Frau steht, die normale menschliche Werte mit uns teilt.

    In den 60er-Jahren beginnt man nämlich, Autorität zu misstrauen, Klassengegensätze brechen auf. Das Königshaus reagiert darauf mit einer weiteren Vermenschlichung der Queen, gipfelnd in einer Fernsehdokumentation, die 1969 von 70 Prozent der Nation gesehen wurde. Der Blick hinter die Kulissen, Elisabeth im Kreis der Familie, beim Mittagessen, über einen Witz lachend.

    Künstler durchschauen nun die Künstlichkeit und stellen sie dar. Gerhard Richter etwa, mit einer Lithografie von 1966, ein verwischtes Bild, das die Realität verdeckt, und ein Jahr später mit einem Ölbild, dessen übertriebene Farben die Künstlichkeit noch erhöhen.

    Von da an gibt es dann kein Halten mehr für Ironie, ja Blasphemie. Jamie Reids Poster für die zum Silbernen Thronjubiläum 1977 erschienene Single "God save the Queen" zeigt ein Foto der Monarchin, ihre Augen verdeckt durch den Titel des Songs, und ihr Mund durch den Namen der Gruppe, Sex Pistols. Zwei Collagen des Duos Gilbert & George von 1981 ordnen Postkarten in Form eines Kruckenkreuzes, Symbol der faschistischen Vaterländischen Front in Österreich, und eines christlichen Kreuzes an, und Hew Lockes aus buntem Plastik hergestelltes Wandrelief "Medusa" von 2008 zeigt die Monarchin als die Gorgone, bei deren Anblick man sich in Stein verwandelt.

    Dazwischen immer wieder ernsthafte Versuche, des Enigmas Elisabeth II. habhaft zu werden. 2007 etwa die Amerikanerin Annie Leibovitz mit vier majestätischen Fotoporträts, mit denen sie auf frühere Darstellungen zurückgeht. Sie zieht ihr den schwarzen Umhang an, den Beaton 1968 für ein Porträt benutzte, und stellt sie vor eine Landschaft, die aber alles andere als romantisch wie bei Annigoni ist, sondern fast bedrohlich in ihrer Dunkelheit - eine einsame Figur.

    Und Thomas Struth fotografiert sie und Prinz Philip im letzten Jahr, eigens für diese Schau, in Windsor Castle. Ein altes Ehepaar, aus dem Dunkel des Raums heraustretend, fast überwältigt von der sie umgebenden Tradition.

    Die intelligent zusammengestellte Übersicht beginnt und endet mit dem ersten und einzigen Hologramm der Königin. Ganz nah kommt man an das dreidimensionale Gesicht heran, jede Falte um Mundwinkel und Augen wird sichtbar. Das ist sie, sagt man sich. Und doch bleibt weiter unklar: Wer ist diese Frau wirklich?

    Vielleicht muss man, um sich diese Frage zu beantworten, ins Wachsfigurenkabinett der Madame Tussaud gehen, wo in diesen Tagen die nun schon 23. Version der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.

    Linktipp:
    Die Ausstellung "The Queen: Art and Image" ist noch bis zum 21. Oktober in London zu sehen. Mehr INfos unter
    National Portrait Gallery in London