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Eine große Lücke

Der verstorbene Filmemacher Bernd Eichinger hat nach Ansicht der Filmproduzentin Regina Ziegler das Kino auf eine Weise ernst genommen wie sonst kein anderer Produzent in Deutschland. Eichinger habe "nie klein gedacht, er hat immer groß gedacht".

Regina Ziegler im Gespräch mit Mascha Drost | 27.01.2011
    Mascha Drost: "Dies ist eine Zeitenwende", das war die Schlagzeile im heutigen Feuilleton der "Welt". Zeitenwende, das bezieht sich auf den Tod von Bernd Eichinger, der wie kein anderer deutscher Filmproduzent die ganze Vielfalt des Kinos verkörpert hat. Deutschen Film und Hollywood, Arthouse und Massenpublikum, er wurde von der Kritik gleichermaßen anerkannt wie verachtet. - Regina Ziegler ist eine der bekanntesten deutschen Produzentinnen. Vor der Sendung hatte ich Gelegenheit, mit ihr zu sprechen, und ich habe sie zuerst gefragt, was ist das für Sie für eine Lücke, die durch den Tod von Bernd Eichinger entstanden ist?

    Regina Ziegler: Bernd Eichinger hat das Kino auf eine Weise ernst genommen, die ich sonst jedenfalls in Deutschland bei keinem anderen Produzenten feststellen kann. Er hat das Kino als Ort für Kultur und Unterhaltung etabliert. Er hatte einen natürlichen Instinkt für Stoffe, eine Haltung zu Qualität, er hat auch Geduld gehabt, was ja bei Produzenten eigentlich völlig ungewöhnlich ist. Das heißt, er hat, zum Beispiel wenn Sie einen Film nehmen wie "Das Parfum", das hat dann acht bis neun Jahre gedauert, alle haben diesen Stoff für unverfilmbar gehalten, er hat aber an den Stoff geglaubt. Er hat den Stoff umgesetzt und das war für ihn das mehr als 100-prozentige Engagement, und ich glaube, das ist das, was uns sehr in Deutschland auch überhaupt fehlen wird, ein Produzent, der mit mehr als 100 Prozent für seinen Beruf und für sein Leben im Film stand.

    Drost: Sie haben es gerade schon erwähnt: Es ist eine Besonderheit, dass sich Eichinger nicht auf ein bestimmtes Genre festgelegt hat. Er hat eben Hollywood-Produktionen genauso gemacht wie Arthouse. Warum gibt es das so selten?

    Ziegler: Ja. In Deutschland ist es üblich, dass man sehr gerne Menschen in eine bestimmte Richtung einordnet und dann auch als Kassette in die Schublade steckt und dann je nach Bedarf wieder herausholt, und ich glaube, dass Bernd einfach diese Faszination der Vielseitigkeit auch für sich so gelebt hat und dass es ihm ganz wichtig war, eben nicht in eine Schublade gesteckt zu werden.

    Drost: Er ist ja auch immer große Risiken eingegangen. Nicht jeder seiner Filme wurde so erfolgreich, wie er es sich gewünscht hätte. Aber er hat immer weitergemacht. Die heutigen Produzenten, sind die weniger risikobereit, müssen sie es vielleicht sogar sein aus beispielsweise finanziellen Erwägungen?

    Ziegler: Das kann sicher so sein, aber ein Produzent, der kein Risiko eingeht, hat à la longue gesehen auch keine Chance. Sie können nur mit dem Risiko - und Film ist immer ein Risiko, der Kinofilm, weil der Erfolg ist nicht garantiert; wenn das so wäre, wenn das einer wüsste, der würde in Hollywood schon in Gold gegossen aufgewogen sein. Film ist immer dieses Risiko, kommen wir zur richtigen Zeit mit dem richtigen Inhalt, mit den richtigen Schauspielern, mit der richtigen Promotion, kommen wir zu dieser Zeit in das Kino, in die Kinos, und werden wir vom Zuschauer so angenommen. Und Bernd hat die Filme gemacht, die ihm wichtig waren, die in den Inhalten später viel größer waren. Natürlich hat er auch seine Misserfolge gehabt, aber er hat sie weggesteckt. Er hat weiter in dem Glauben gearbeitet, dass das Kino sein Leben ist.

    Drost: Gibt es für Sie vielleicht einen jungen Produzenten, in dem Sie den kommenden Eichinger sehen?

    Ziegler: Das kann ich Ihnen nicht sagen, da habe ich auch noch nicht drüber nachgedacht. Ich denke, das Wichtigste ist, dass wir erst mal jetzt alle, die Bernd auch so gemocht haben und ihn geschätzt haben, dass die Trauerarbeit, die muss jetzt erst mal stattfinden, und dann muss man mal sehen, was so geht. Es gibt sicherlich einige, die, weil Bernd ja am Ende auch eine bestimmte Übermächtigkeit hatte - er hat ja auch Schatten geworfen -, es gibt sicher einige, die jetzt denken, dass sie diesen Weg auch gehen können, und wenn es jemand tut, kann man ihm nur wünschen, dass es auch klappt.

    Drost: Aber einen Eichinger kann man wahrscheinlich trotzdem nicht ersetzen?

    Ziegler: Das kann man jetzt noch nicht sagen. Wissen Sie, die Chance, dass jemand eine solche Karriere, eine solche Entwicklung macht, die muss man jedem einräumen, die muss man auch geben. Im Augenblick ist es so, dass ich keinen kenne, der diesen Platz einnehmen könnte, weil Bernd hat nie klein gedacht, er hat immer groß gedacht, und so einen haben wir nicht in Deutschland zurzeit.

    Drost: Was bedeutet sein Tod denn für die Produktionsfirma, die Constantin, die wohl kaum so weitermachen kann wie bisher, sozusagen ohne ihren Steuermann und Kapitän?

    Ziegler: Da ich diese Firma natürlich nur in der Außenwirkung kenne und nicht weiß, wie sie letztlich etabliert ist, weil Bernd sich ja in den letzten Jahren auch schon zurückgezogen hatte, wie man hörte: Ich kann Ihnen das nicht sagen. Die werden ganz sicher sich Gedanken machen, wie sie weiter in Zukunft arbeiten. Das kann Ihnen letztlich Herr Kogel nur beantworten.