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"Eine große politische Niederlage für Assad"

Die geplante Übergabe der chemischen Waffenarsenale in Syrien sei ein großer Schritt, um das Assad-Regime zu entmachten, sagt Bassam Abdullah, Exil-Kurde und Mitglied des Syrischen Nationalrats. Der Entwurf der UN-Resolution sei zwar nicht ausreichend, würde Assad aber politisch schwächen.

Bassam Abdullah im Gespräch mit Thielko Grieß |
    Thielko Grieß: Es ist nur ein kleiner Schritt bislang, aber gemessen am Stillstand der vergangenen Jahre ist es deutlich mehr als in der Vergangenheit. Die Staaten mit Vetorecht im UNO-Sicherheitsrat haben sich auf einen Kompromiss zu Syrien verständigt – ein Entwurf eines Kompromisses. Das Chemiewaffenarsenal soll demnach zerstört werden in Syrien, und sollte das Land auf der Strecke die Kooperation einstellen, wird man sich dann aber wieder an einen Tisch setzen müssen. Das klingt alles recht vorläufig, und das ist es auch. Eine Abstimmung über diesen Entwurf steht voraussichtlich in der nächsten Nacht an.

    Am Telefon haben wir kurz vor dieser Sendung Bassam Abdullah erreicht, der in Deutschland lebt und hier im Exil Mitglied des Syrischen Nationalrats und der Kurdischen Zukunftsbewegung ist. Meine erste Frage an ihn: Steckt in diesem Entwurf ein Stück Hoffnung?

    Bassam Abdullah: Die Hoffnung haben wir schon von Anfang an gehabt, dass es irgendwann zu einer Lösung kommt, wo Syrien ohne Assad wird, ohne dieses diktatorische Regime wird, und wie man jetzt sieht: Irgendwie ein kleiner Abriss dieser diplomatischen Mauer, was Russland bis jetzt gebaut hat, ist da. Aber natürlich, was danach kommt, ob wirklich die Mitglieder mit der Resolution und mit der Entscheidung richtig und praktisch umgehen, das ist dann die nächste Frage.

    Grieß: Eigentlich ist es Ihnen doch noch deutlich zu wenig?

    Abdullah: Wenig ist es auf jeden Fall. Aber wir nehmen natürlich immer in Betracht, wie kompliziert diese Lage ist und wie vorsichtig die internationale Gemeinschaft mit der Lage in Syrien dann auch umgeht.

    Grieß: Meinen Sie denn, dass diese Resolution helfen kann, die Gewalt in Syrien, na ja, zu beenden, wäre vielleicht zu optimistisch gefragt, aber vielleicht zu verringern?

    Abdullah: Wie wir auch jetzt vom Entwurf der Resolution es verstanden haben, geht es hauptsächlich um die Übergabe der chemischen Waffenarsenale in Syrien, und das wäre natürlich schon mal ein großer Schritt, um das Regime Assads zu entmachten. Inwieweit es dann zur Ruhe in Syrien kommen wird, das wissen wir noch nicht. Allerdings wir werden dann auch in Kürze erfahren, was genau diese Resolution benennt. Ob das eine Aufforderung zum Waffenstillstand wird, das wissen wir auch noch nicht.

    Grieß: Es wird ja gemutmaßt, dass inmitten der Kämpfe, die im Augenblick ja noch toben, jeden Tag die Zerstörung der Chemiewaffen so gar nicht funktionieren kann. Sie glauben, dass das so auch nicht funktionieren kann, dass man da zunächst einmal einige Waffen erst mal zur Seite legen muss, damit man an die Chemiewaffen herankommt?

    Abdullah: Zumindest rein theoretisch, dass Assad nicht mehr auf die Idee kommt, dass er noch mal die chemischen Waffen einsetzt. Und wir wissen ganz genau, er hat das aus einem militärischen Engpass benutzt, dass er richtig in einer Blockade war, und deswegen hat er das gerade eingesetzt. Dass diese Idee bei Assad beseitigt wird, ist natürlich ein großer Sieg für die Revolutionäre in Syrien. Als Syrer und Revolutionär und natürlich im Namen des syrischen Volkes sage ich, natürlich ist das nicht ausreichend. Ausreichend wäre nur dann, wenn Assad von Syrien weggeht.

    Grieß: Glauben Sie, dass der Verlust von Chemiewaffen die Regierung Assad, das Regime tatsächlich entscheidend schwächt?

    Abdullah: Auf jeden Fall wird er ihn politisch schwächen. Militärisch wird er wie gesagt natürlich viel, viel mehr als vorher rechnen, bevor er diese chemischen Waffen einsetzt. Allerdings ist er jetzt unter so einen massiven Druck geraten, dass er so eine strategische Waffe übergeben wird, oder mindestens sich dafür bereit erklärt.

    Ich finde, das ist mindestens eine große politische Niederlage für das Regime, insbesondere in der Region selbst, weil wir wissen, dass er immer gesagt hat, dass diese chemischen Waffen für seine strategische Verteidigung in der Region sind, und jetzt übergibt er diese Waffen, obwohl er immer verneint hat, dass er überhaupt das eingesetzt hat. Das ist für das syrische Volk und für die Region eine große politische Niederlage für Assad und aus unserer Sicht, wie die Lage auch in Syrien ist, ist es auf jeden Fall auch eine militärische Niederlage für ihn.

    Grieß: In dem Entwurf für die Resolution ist auch die Rede von einer Übergangsregierung, dass die auch als Ziel formuliert wird. Wie soll so eine Übergangsregierung aussehen, mit Assad oder ohne Assad?

    Abdullah: Auf keinen Fall mit Assad und nicht nur nicht mit Assad, sondern Assads Verbündete und Assads enge Kreise dürfen überhaupt in der Zukunft von Syrien keine Rolle spielen.

    Grieß: Aber glauben Sie, dass sich Assad oder auch die Familie, die erweiterte Machtbasis auf so etwas einlassen würde?

    Abdullah: Wenn der Druck so massiv wird und ernsthaft wird, wie er vorher gewesen war, bis er dann auf seine höchst wichtige Waffe verzichtet hat, dann wird er natürlich auch auf viele andere Sachen verzichten, indem er seine nahe Zukunft sieht, dass es viel schlimmer wird, als wenn er auf die Macht verzichtet, mit natürlich verschiedenen Bedingungen.

    Grieß: Das kann ein sehr langer Weg werden?

    Abdullah: Das kann auf jeden Fall ein langer Weg werden, oder sogar ein sehr kurzer Weg werden, wenn Russland insbesondere diesen Druck richtig auf das Assad-Regime ausübt. Wir wissen jetzt ganz genau, dass der politische Krieg quasi jetzt nicht mit dem Assad-Regime ist, sondern mit Russland, die bisher so eine große diplomatische Mauer gegen Assad oder an der Seite von Assad gebaut haben, dass der internationalen Gemeinschaft richtig die Hände gebunden waren, irgendetwas gegen Assad zu machen.

    Grieß: Erschwerend kommt natürlich hinzu, Herr Abdullah, dass die Opposition, so wie wir sie von hieraus wahrnehmen, in Syrien sich doch zunehmend zersplittert, insbesondere diejenigen Gruppen der Opposition, die bewaffnet sind und in Syrien kämpfen. Wie lange kann das noch gut gehen?

    Abdullah: Zersplittert würde ich sagen, das ist ein bisschen übertrieben, die Lage so zu bezeichnen. Allerdings die Verbindung mit den syrischen Revolutionären und auch natürlich mit den bewaffneten Gruppen in Syrien, die gegen Assad ganz klar kämpfen, das war schon immer schwach gewesen. Allerdings das Ziel war immer das gleiche. Jetzt wird sich natürlich bemüht, wieder die Verbindung herzustellen, und sogar stärker als vorher, und ich glaube, zumindest in den Medien und auch auf dem Boden wird sich wieder geeinigt, weil wir alle dasselbe Ziel haben.

    Grieß: Das erstaunt mich. Aber halten Sie das nicht vielleicht doch für eine Illusion, dass die Opposition in Syrien sich einigt? Das ist ja in den letzten zwei Jahren auch nicht passiert.

    Abdullah: Na gut, wir wissen ja, der große Teil der Opposition ist jetzt einig in Syrien, besonders in der letzten Erweiterung der syrischen Koalition. Wir wissen, auch in der syrischen Koalition werden viele Gruppen, die gerade in Syrien kämpfen, repräsentiert, und daher muss man das nicht vergessen. Allerdings was ist in letzter Zeit passiert? Nach meiner Meinung ist das eher ein Ergebnis durch den schwachen Kontakt und der letztlichen dramatischen Änderung in der politischen Lage in Syrien passiert.

    Grieß: Herr Abdullah, Sie arbeiten als Mitglied der syrischen Exilopposition in Berlin. Sagen Sie uns noch ein Wort dazu, was Sie in diesen Tagen konkret tun, um Ihre Freunde in Syrien zu unterstützen?

    Abdullah: Keine Frage! Unsere Rolle in der Revolution wird immer, immer geringer, leider, würde ich sagen. Aber auf der anderen Seite wird die Rolle der internationalen Gemeinschaft immer größer. Was wir momentan tun: Wir versuchen, immer die Wahrheit in Syrien zu erklären, besonders draußen in Europa. Wir wollen immer erklären, dass es in Syrien sich nicht um einen Bürgerkrieg handelt, sondern um eine Revolution, um einen Aufstand gegen ein diktatorisches Regime, und dafür waren die Syrer schon von Anfang an bereit, alles zu opfern. Da ist es natürlich die größte Hilfe, dass wir dieser Revolution ein gutes Gesicht auch draußen repräsentieren.

    Grieß: Bassam Abdullah, Mitglied des Syrischen Nationalrats und auch Mitglied der Kurdischen Zukunftsbewegung, hier im Deutschlandfunk. Herr Abdullah, ich bedanke mich für das Gespräch.

    Abdullah: Ich danke auch.


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