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Eine halbe Billion Euro

500 Milliarden umfasst das Rettungspaket, das das Bundeskabinett geschnürt hat und das bis zum Ende der Woche in einem Eilverfahren durch den Bundestag und den Bundesrat gebracht werden soll. Auch wenn immer wieder darauf hingewiesen wird, dass die genannten Rettungssummen nicht unbedingt von den Regierungen in harter Münze gezahlt werden müssen, ist den Politikern doch klar, dass diese Zahlen bei Otto Normalverbraucher Fragen aufwerfen.

Von Michael Braun, Volker Finthammer, Felix Lincke. Moderation: Peter Kapern |
    360 Milliarden Euro in Frankreich, hundert Milliarden in Spanien, 100 Milliarden in Österreich, 400 Milliarden waren es in Irland, knapp 40 Milliarden in den Niederlanden, und Großbritannien bringt es auf 500 Milliarden Pfund. Keine Frage: Europa greift zur die Rettung der Finanzwirtschaft tief in die Tasche. Auch Deutschland. Punkt drei Uhr am Nachmittag trat Bundeskanzlerin Angela Merkel vor die Presse und nannte Zahlen, die sich zu phantastischen 500 Milliarden summierten. Diesen Umfang hat das Rettungspaket, das das Bundeskabinett heute geschnürt hat und das bis zum Ende der Woche in einem Eilverfahren durch den Bundestag und den Bundesrat gebracht werden soll. Und mit dem am Ende etwas gekauft werden soll, was üblicherweise als nicht käuflich gilt:

    "Ich weiß, dass wir am heutigen Tag umfassende, weitreichende und auch einschneidende Maßnahmen beschlossen haben. Wir haben ein Ziel, sie sollen helfen, dass neues Vertrauen entsteht. Vertrauen zwischen den Banken, Vertrauen in der Wirtschaft, Vertrauen der Bürger. Denn Vertrauen, das ist genau die Währung, in der bezahlt wird."

    Auch wenn immer wieder darauf hingewiesen wird, dass die genannten Rettungssummen nicht unbedingt von den Regierungen in harter Münze gezahlt werden müssen - schließlich handelt es sich zum ganz überwiegenden Teil um Bürgschaften, ist den Politikern wohl doch klar, dass diese Zahlen bei Otto Normalverbraucher Fragen aufwerfen. Etwa diese: Wie sind diese Summen unter einen Hut zu bekommen mit der Alltagserfahrung geschlossener Schwimmbäder, maroder Schulen und ständig steigender Abgaben. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück:

    "Ich weiß, dass man der Bevölkerung mit einem so komplexen Thema sehr viel schuldet an Erklärung und an Vermittlung. Weil viele Menschen den Eindruck haben, dass bei den ungeheueren Summen und in einer kaum noch nachvollziehbaren Komplexität etwas passiert, was sich einer Bewertung entzieht, man aber gleichzeitig den Eindruck hat, dass an anderen Stellen Geld fehlt oder man selber in einer individuellen Lebenslage ist, wo man sich die Frage stellt, was machen die eigentlich für diesen Finanzsektor, während ich ziemlich zu leiden habe. Ich wiederhole deshalb noch einmal, es geht hier um eine Gefahrenabwehr, es geht darum, Schaden von der Bundesrepublik Deutschland abzuwehren."

    Der größte Teil der Gefahrenabwehr bezieht sich auf das Misstrauen, mit dem sich die Banker derzeit gegenseitig begegnen. Wer gedacht hat, Banken müssten nur in ihre Tresore greifen, um ihre Geschäfte abzuwickeln, hat damit falsch gelegen. Vielmehr gewähren sie sich ständig gegenseitig Kredite. Bis vor kurzem jedenfalls. Dass sie dies derzeit nicht mehr tun, macht den größten Teil der derzeitigen Finanzmarktkrise aus. Deshalb will die Bundesregierung mit 400 Milliarden Euro für diese Bank-zu-Bank-Geschäfte bürgen. Michael Braun erklärt, worum es dabei geht:

    Die Bundesregierung gründet einen Fonds, stattet ihn mit 400 Milliarden Euro aus. Er hat zwei Aufgaben: Die kleinere Aufgabe ist es, den Banken unverkäufliche Wertpapiere abzunehmen. Der Fonds wird damit eine Art "bad bank", eine Einrichtung also, die - grob formuliert - den Schrott kauft, den andere Investoren nicht haben wollen. Die Eigentümer der unverkäuflichen Wertpapiere werden so von Risiken befreit, werden wieder liquide, werden wieder akzeptierter Geschäftspartner im Bankensystem. Die zweite Aufgabe des Fonds ist es, Bürgschaften zu übernehmen für Kredite, die sich Banken untereinander einräumen. An diesen Krediten hat es seit langem gemangelt, in den letzten Tagen ist der Markt nahezu zum Stillstand gekommen. Das soll sich ändern. Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte diese Aufgabe des Fonds heute so:

    "Die Garantie des Bundes ist deshalb eine vertrauensbildende Maßnahme, die die Finanzierungskreisläufe und damit auch die Kreditvergabe an Unternehmen stabilisiert und wieder sicher stellen soll. Letztlich heißt es nichts anderes, als das der Bund wie eine Versicherung gegen eine Gebühr für bestimmte Zahlungsverpflichtungen der Finanzinstitute eintritt, damit diese wieder gehandelt werden und sich die Banken wieder refinanzieren können. "

    Das gesamte Konzept war vorbesprochen, auch innerhalb der deutschen Delegation während der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds am vergangenen Wochenende. Bundesbankpräsident Axel Weber hatte dem Rettungsplan einige Vorschusslorbeeren mitgegeben:

    "Ich glaube, dass wir zum Handeln mittlerweile an einem Punkt sind, wo es für mich keine Alternative mehr gibt, nicht handeln kann nicht die Alternative sein, ich habe aber auch den Eindruck, dass wir nach wie vor eine sehr gute Chance haben, die Vertrauenskrise einzudämmen."

    Vertrauen gehört zum Bankgeschäft. Denn der Kern dieses Geschäfts ist es, Spargelder der Kunden einzunehmen und als Kredit an andere Kunden wieder auszugeben. Hat ein Sparkunde kein Vertrauen mehr in seine Bank, fordert er sein Geld zurück. Die kann es ihm aber nicht geben, weil sie es ja als Kredit weitergegeben hat. Die Bank muss also so solide sein, dass man ihr das Geld lässt, dafür Zinsen kassiert und das Geld nur zum verabredeten Zeitpunkt abholt. Vertrauen ist um so wichtiger, als das Bankgeschäft natürlich in Wahrheit sehr viel komplizierter ist. Oft unterlegen die Banken Kredite nur mit fünf bis zehn Prozent eigenem Geld. Sie nehmen eigene Kredite auf, um sie als Kredite weiterzureichen, sie leihen sich in der Regel billiges kurzfristiges Geld, um es teurer langfristig weiterzugeben. Das alles erhöht die Risiken. Man versucht, sie mit Termingeschäften abzusichern, mit sogenannten Derivaten, aber auch die bringen eine Eigendynamik ins Geschäft - und eine tendenziell tödliche Unübersichtlichkeit. Dieter Hein, Analyst bei der bankunabhängigen Analysefirma fairresearch:

    "Durch die Zulassung in den letzten 15 Jahren von Derivaten, die über 60 Jahren weltweit geächtet waren, hat man hier das Tor geöffnet, dass eben Finanzunternehmen auch Produkte erhalten und ihren Kunden verkauft haben, deren Risiken versteckt sind und die auch den Banken nicht bewusst waren und teilweise nicht sind. Es wird häufig unterstellt, dass man die Wahrheit kennt aber sie nicht sagen will von Seiten der Unternehmen. Ich befürchte, dass es schlimmer ist, dass die meisten Unternehmen gar nicht wissen, welche Risiken sie haben und selber überrascht werden."

    Die Banken haben also versagt, nicht alle, nicht alle in gleichem Umfang. Die Sparkassen haben sich in der Krise gut geschlagen. Mehrere Landesbanken aber dürften die ersten sein, die die heute in Aussicht gestellte Staatshilfe in Anspruch nehmen. Die größte deutsch Privatbank, die Deutsche Bank, gilt als ausreichend kapitalisiert, die Commerzbank im Grunde auch. Aber sie will ja die Dresdner Bank übernehmen, ihr gehört zudem die Eurohypo, ein Immobilienfinanzierer wie die beinahe gefallene Hypo Real Estate. Die Bundesbank hat heute das simple Ziel des großen Paketes so formuliert: Es sei eine befristete Hilfe zur Selbsthilfe für die Banken, damit sie wieder zu ihrer normalen Geschäftstätigkeit zurückkehren können, nämlich zu der Kreditvergabe an Bürger und Unternehmen.

    Ein Beitrag von Michael Braun. Was aber, wenn die Staatsgarantien nicht ausreichen, um zu verhindern, dass Banken oder Versicherungen bankrott gehen? Auch für diesen Fall will die Bundesregierung nun massiv Sorge tragen. Knapp 100 Milliarden stehen bereit, um auf die eine oder andere art dafür zu sorgen, dass die bedrohten Unternehmen neue Liquidität gewinnen. Damit könnte in letzter Konsequenz der Staat zum Miteigentümer bislang privater Banken werden. Erläuterungen von Felix Linke:

    Wenn die geplanten Bürgschaften des Bundes für die kurzfristigen Kredite nicht ausreichen und einzelne Banken in eine Schieflage geraten, hat der Staat mehrere Möglichkeiten, einzugreifen. Der Extremfall wäre eine Universalgarantie, mit der der Staat - und damit der Steuerzahler, für alles geradestehen müsste. Das wäre keine gute Lösung, meint Reinhard Schmidt, Professor für internationales Bank- und Finanzwesen an der Frankfurter Universität:

    "Wir könnten uns vorstellen, dass es so etwas wie eine Staatsgarantie für alle Banken gibt. Das wäre nett, das beruhigt. Und es ist die perfekte Einladung für jeden Banker, die kühnsten und blödsinnigsten Sachen zu machen. Das wäre eine ziemlich gefährliche Angelegenheit."

    Einen Blankoscheck für Banker darf es also nicht geben: das wäre verantwortungslos. Aber wie will man das Problem eingrenzen und gute von schlechten Maßnahmen unterscheiden? Kritisch wird es, wenn eine allgemeine Bürgschaft des Staates für den Bankensektor nicht mehr ausreicht und eine Bank trotz aller Maßnahmen in Schieflage gerät. Dann würde nur noch eine direkte Beteiligung helfen. Deshalb hat die Regierung in ihrem Rettungsplan eine Summe von bis zu 80 Milliarden Euro vorgesehen, mit der sich der Staat an Kreditinstituten beteiligen kann - über stimmrechtslose Vorzugsaktion, Aktien oder Genusscheine. Eine solche Beteiligung, also der direkte Einstieg des Staates in eine Bank, würde direkt Geld kosten und anders als eine Bürgschaft den Haushalt auf jeden Fall belasten. Dennoch ein sinnvoller Schritt. Zum einen handelt es sich wahrscheinlich nur um eine vorübergehende Belastung - bis die Bank saniert ist, und von anderen Investoren übernommen wird. Hinzu kommt, dass der Kauf von Aktien einer Bank viel wirksamer ist, als ihr einfach Geld zu geben, etwa zur Ablösung von Krediten, sagt Reinhard Schmidt:

    "Wenn man allein unter dem fiskalischen Gesichtspunkt, also so zu sagen der Staat als Investor und Geldgeber, denken würde, dann würde ich mir vorstellen, dass die Verstaatlichung, wenn es denn dazu kommen sollte, die finanziell attraktivere Option ist, einfach weil man dann das upward potential mitkauft."

    Das upward potential, also die Möglichkeit, von einem steigenden Aktienkurs zu profitieren, hat der Staat genauso wie jeder andere Aktionär. Voraussetzung dafür ist, dass die Bank am Ende erfolgreich ist und nicht scheitert. Um das zu verhindern, könnte der Staat als beteiligter Großaktionär seinen Einfluss geltend machen, indem er, auch das ist im Rettungspaket vorgesehen - das Management kontrolliert, etwa bei den umstrittenen Millionen-Gehältern.

    Der größte Vorteil ist die Stärkung des Eigenkapitals. Bei Banken ist das besonders wichtig, weil sie ihr Kreditgeschäft immer nur mit einem Bruchteil an eigenem Kapital unterlegen. Die Summe aller Verbindlichkeiten und Forderungen an die Bank beträgt ein Vielfaches ihrer eigenen Substanz. Wenn zum Beispiel die Kernkapitalquote zehn Prozent beträgt, kann der Staat mit einer Verdoppelung dieser zehn Prozent bei gleichem Risiko eine Verdoppelung des gesamten Kreditvolumens ermöglichen. Das ist eine enorme Hebelwirkung und macht es möglich, mit verhältnismäßig wenig Geld, viel zu erreichen. Der Bank fällt es dann wesentlich leichter, Unternehmen und Verbrauchern neue Kredite zu gewähren und damit Investitionen und Konsum anzukurbeln. Wenn der Staat dagegen von der Bank einfach einen faulen Kredit übernimmt, bekommt er damit keinen Einfluss auf die Geschäftsführung, aber er trägt in vollem Umfang das ganze Risiko, falls dieser Kredit platzt. Eine so genannte Bad Bank, bei der die anderen Banken ihre faulen Kredite einfach abladen können, ist deshalb für Professor Reinhard Schmidt keine Lösung:

    "Genau genommen ist das überhaupt nicht schön, weil es zur Folge hat, dass die Banker dieser Institution die schlechten Kredite, und die schlechten Wertpapiere geben und die guten für sich behalten. Also die Guten ins Kröpfchen und die schlechten ins Töpfchen. Dann kommt natürlich nur schlechtes ins Töpchen und das ist mutmaßlich ein ziemlich schlechtes Geschäft für den Staat."

    Dennoch gibt es in der Wirtschaft viele, die eine solche Bad Bank fordern. Der Hintergedanke ist der, dass der Staat als hoch angesehner Schuldner, die Problemkredite, die derzeit noch in den Banken stecken, langfristig abarbeiten soll, um die Not leidenden Geldhäuser kurzfristig zu entlasten. Aber was würde die Banken im Fall einer einfachen Schuldenübernahme davon abhalten, so weiter zu machen wie bisher? Am Ende hätten die Banker den größten Erfolg, die in guten Zeiten mit riskanten Geschäften die höchsten Gewinne machen, und in Krisenzeiten ihre Risiken einfach an den Staat abgeben. Der direkte Einstieg des Staates bei den Banken könnte dagegen im Krisenfall den notwendigen Einfluss sichern, um solche Fehlentwicklungen künftig zu verhindern.

    Felix Linke. Es wird wohl einige Jahre dauern, bis feststeht, ob und wie viel Deutschland draufgezahlt hat für die Rettung der Banken. Immerhin hat die schwedische Regierung mit den Hilfen, die sie vor einigen Jahren zur Rettung der dortigen Banken gezahlt hat, unter dem Strich sogar einen kleinen Gewinn gemacht. Dass dies auch der Bundesregierung gelingen könnte, scheint mehr als fraglich. Schließlich verabschiedeten sich schon heute sowohl die Kanzlerin als auch der Finanzminister vom Ziel des ausgeglichenen Bundeshaushalts im Jahr 2011. Haushaltssanierung ade, Währungsstabilität auch? Volker Finthammer über die Bankenkrise und den EU-Stabilitätspakt:

    Ein kurzer Blick auf die Relationen genügt um zu sehen, welch enorme Rettungspakete überall in Europa geschnürt werden, um der Krise an den Finanzmärkten wieder Herr zu werden. Für rund 500 Mrd. Euro möchte die deutsche Bundesregierung gerade stehen, um die Kreditmärkte wieder anzukurbeln. Bei einem Haushaltsvolumen von geplanten 289 Mrd. Euro für das Jahr 2009 sieht das gewaltig aus. Nicht viel anders lauten die Zahlen in Frankreich. Einem Staatsetat von 278 Mrd. stehen nunmehr Zusagen von 360 Mrd. für die Bankenwelt gegenüber. Und die 500 Mio. Pfund, die die britische Regierung bereitstellt, entsprechen mehr als 80 Prozent des jährlichen Haushalts des Vereinigten Königreichs. Unweigerlich hat diese gestern in Paris beschlossene gemeinsame Strategie Auswirkungen auf die Haushaltspolitik und die Frage, ob die Mitgliedsländer die selbstgesteckten Ziele des Stabilitäts- und Wachstumspaktes einhalten können, der nach wie vor als ein zentraler Anker für die europäische Finanzstabilität der öffentlichen Haushalte und damit auch für die gemeinsamen Währung gilt.

    "In unsren Augen ist klar, dass der Stabilitätspakt voll und ganz respektiert werden muss."

    Sagte der Vorsitzende der Eurogruppe, Luxemburgs Ministerpräsident Jean Claude Juncker, nach dem letzten regulären Treffen in der vergangenen Woche. Auf Druck Frankreichs hatten die Staats- und Regierungschefs der europäischen G7 Länder bei ihrem ersten Treffen in Paris eine Erklärung verabschiedet, wonach die Anwendung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes den gegenwärtigen, außerordentlichen Umständen Rechnung tragen sollte. Eine wirkliche Lockerung des Paktes findet jedoch zum gegenwärtigen Zeitpunkt außerhalb Frankreichs kaum Zustimmung.

    "Der Stabilitäts- und Wachstumspakt ist seit seiner Reform im Jahr 2005 offen und flexibel genug um auf solche Schwierigkeiten, wie wir sie derzeit haben zu reagieren, ohne dass wir die Regeln ändern müssen."

    Sagt Währungskommissar Joaquin Almunia. Vor allem Frankreich dürfte in absehbarer Zeit Schwierigkeiten bekommen. Vorübergehend sollten die Maastricht Kriterien deshalb nicht die Hauptpriorität haben, erklärte bereits Henri Guaino, der Sonderberater des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy. Es seien Regeln für normale Zeiten und nicht Regeln für die Krise. Der Haushaltsentwurf der französischen Regierung für das kommende Jahr sieht eine Neuverschuldung von 2,7 Prozent und damit knapp unter der 3-Prozent-Marke vor. Faktisch ist der Spielraum für neue Ausgaben begrenzt und bislang argumentierte die EU Kommission dass nur Staaten, die bereits erfolgreich gegen eine steigende Neuverschuldung angekämpft hätten, den finanzpolitischen Spielraum erneut ausschöpfen könnten, um den Krisentendenzen zu begegnen. Deutschland etwa mit einer aktuellen Neuverschuldungsquote von 0,9 Prozent hätte demnach noch einigen Spielraum im Rahmen der Stabilitätskriterien. Doch die ausgeglichenen Haushalte im Jahr 2011, die sich die Euroländer im Frühjahr 2007 in Berlin auf die Fahnen geschrieben hatten rücken unweigerlich in weite Ferne. Die EU Kommission aber scheint beim Thema Neuverschuldung und Stabilitätspakt zu einer großzügigen Interpretation bereit zu sein:

    "Unser Verständnis vor dem Hintergrund der europäischen Bilanzregeln ist es, das etwa Beteiligungen der Staaten an den Banken zwar Auswirkungen auf deren Schuldenstand haben, aber nicht auf das Defizit."

    Erklärt Amelia Torres, die Sprecherin von Währungskommissar Almunia. Solche Beteiligungen müsse man als Aktiva sehen, die zu einem späteren Zeitpunkt wieder Geld und dies möglicherweise auch mit Gewinn in die Staatskassen zurückspülen könnten. Außerdem sollen all diese Maßnahmen ein zeitlich begrenzten Charakter haben.

    "Wir wissen das klingt gegenwärtig alles etwas theoretisch. Aber das ist für uns auch ein Grund, sich das in Ruhe anzuschauen und abzuwarten, welche Zahlen die Staaten vor dem Hintergrund der jüngsten Entwicklungen vorlegen werden und erst dann werden wir überlegen müssen, ob wir Konsequenzen ziehen sollten."

    Bei der Vorlage der nächsten Konjunkturprognose, Anfang November, werde Währungskommissar Almunia genaueres dazu sagen. Finanzminister Peer Steinbrück spricht derweil schon von der neuen Flexibilität, mit der man in Brüssel auf die Krise reagieren werde.

    "Der Mastrichter Stabilitäts- und Wachstumspakt wird nicht ausgesetzt. Aber in seinem reformierten Teil flexibler angewendet, zumal alle Länder vor gleichen Problemen stehen."

    Was dazu führen dürfte, dass die Gesundung der Staatsfinanzen in den nächsten Jahren in der Prioritätenliste deutlich weiter unten angesiedelt ist als bislang. Am Mikrophon bis hierher war Peter Kapern, ich wünsche einen schönen Abend.