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"Eine Hommage an die Revolutionäre"

Unter denen, die im Januar 2011 den tunesischen Aufstand anführten, waren viele Musiker. Einige von ihnen haben die Chance ergriffen, nun in Freiheit Karriere zu machen, darunter auch die junge Protestsängerin Emel Mathlouthi. "Kelmti Hourra", "Mein Wort ist frei", heißt ihre erste CD. "Eine Hommage an die Revolutionäre", sagt sie.

Von Martina Sabra |
    Dass das alles schon wieder ein Jahr her sein soll – Emel Mathlouthi kann es kaum fassen. Die schwarz gelockte, zierliche Sängerin mit den karamelfarbenen Augen hatte mehrere Jahrei in Frankreich gelebt, ehe sie Anfang 2011 nach Hause zurückkehrte. In Tunesien hatte sie wegen der Zensur nur heimlich auftreten können.

    "Im eigenen Land nicht bekannt zu sein, das ist wirklich schlimm, vor allem für jemand wie mich. Ich singe in tunesischem Dialekt. Meine Musik ist tunesisch, alle meine Lieder haben mit Tunesien zu tun. Es ist nicht selbstverständlich, im Ausland mit Songs in tunesischem Arabisch aufzutreten."

    Nach dem Sturz des Diktators Ben Ali konnte Emel Mathlouthi endlich auch in ihrer Heimatstadt Tunis öffentlich ihre Gitarre auspacken und auftreten. Sie tat es bei Demonstrationen. Ihre Landsleute reagierten begeistert:

    "Direkt nach der Revolution habe ich auf der Straße gesungen. Jemand nahm meinen Auftritt zufällig mit dem Handy auf und stellte ihn auf youtube ein. Mit einem Mal sprangen alle Medien an! Ich war wirklich perplex, denn ich hatte vorher eine Demo-CD mit Musik von mir an verschiedene Radiostationen geschickt, aber nie etwas gehört. Und nun wurde das Lied überall gespielt. Wenn Autos mit heruntergelassenem Fenster vorbeifuhren, hörte ich meine eigene Stimme aus dem Autoradio!"

    "Ich bin die Stimme der Unterdrückten, die nicht aufgeben
    Ich bin der Sinn im Chaos
    Ich bin frei und mein Wort ist frei"


    Das Lied "Kelmti Hurra" – "Mein Wort ist frei" wurde im Frühjahr 2011 zu einer Hymne der tunesischen Revolution. Tausende hatten den Song auf ihren Handies, sangen den Refrain bei Demonstrationen. "Kelmti Hourra", so hat Emel Mathlouthi auch ihre erste CD genannt, die jetzt in Europa auf den Markt kommt.

    "Es ist eine Hommage an die Revolutionäre; an diejenigen, die ihr Leben gelassen haben, damit wir in Tunesien frei leben können."

    Tunesien war Anfang 2011 das erste arabische Land, das seinen Diktator stürzte. Die Euphorie war riesig. Doch in den vergangenen Monaten gab es manche Dämpfer: Bei der ersten freien Parlamentswahl im Oktober gewannen die konservativen Islamisten der Nahda-Bewegung insgesamt vierzig Prozent der Stimmen. Zwar können die Islamisten nicht allein regieren, sondern sind auf eine Koalition mit säkularen Parteien angewiesen. Doch dass der neue islamistische Ministerpräsident Jebaili ein Kabinett mit über fünfzig Ministern präsentierte, sorgte für massive Kritik. Emel Mathlouthi:

    "So viele Ministerien, das geht gar nicht, da wird er reduzieren müssen. Die Leute sind ziemlich unzufrieden mit der neuen Regierung, denn man hat den Eindruck, dass sie schon wieder dabei sind, das Rad zurückzudrehen."

    Dass die Entwicklung rückwärts gehen könnte – das fürchten viele junge Tunesier, die Anfang 2011 bei den Demonstrationen ganz vorn marschierten. Tausende Verletzte und Traumatisierte warten bislang vergeblich auf Hilfe. Hunderttausende Jugendliche sind nach wie vor ohne Jobs und ohne Perspektiven. Emel Mathlouthi:

    "Das Allerwichtigste ist jetzt, den Hunger und die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Klar, die Situation ist alles andere als ideal. Aber es gibt in der Regierung durchaus qualifizierte Leute. Und die Politiker stehen unter Druck. Sie müssen Ergebnisse vorweisen, denn sie wissen, dass wir jederzeit bereit sind, wieder auf die Straße zu gehen. "

    Sechs Monate Schonfrist solle man der neuen Regierung geben, meint Emel Mathlouthi. Doch ob ihre Landsleute so geduldig sein werden? Man kann Tunesien nur wünschen, dass sie den weiteren Übergang zur Demokratie friedlich bewältigen; und dass die Tunesierinnen und Tunesier tatsächlich die Freiheit genießen werden, die Emel Mathlouthi so eindrucksvoll besingt.