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"Eine kleine Niere auf dem Markt"

Times, 28.Mai 2000: Interpol jagt Königin des Nierenhandels! Interpol koordiniert eine weltweite Suche nach einer moldawischen Frau, die verdächtigt wird, mehrere zehntausend Pfund verdient zu haben, indem sie etwa 100 Menschen dazu brachte, ihre Nieren in der Türkei transplantieren zu lassen.

Erika Feyerabend und Ludger Fittkau |
    Deutsche Presse Agentur, 2. Mai 2001: Rom. Die Mafia ist nach Erkenntnissen italienischer Fahnder in den internationalen Organhandel eingestiegen. Der Umschlagplatz im Organhandel liege häufig in Osteuropa. Dies habe auch ein Minister aus Moldawien unlängst bei seinem Besuch in Italien erklärt.

    Bayrischer Rundfunk, 7.2.2002: Moldawien hat sich inzwischen zum ärmsten Land Europas entwickelt: Das Durchschnittseinkommen in Moldawien liegt bei 50 Mark im Monat. Bettelarme Tagelöhner schuften auf dem Land für Hungerlöhne, verzweifelte Bauern verkaufen für 5000 Dollar ihre Nieren an Organhändler.

    Essen im November 2001. Ein Nierenkranker reist aus Israel in die Ruhrstadt, um sich am dortigen Universitätsklinikum eine neue Niere implantieren zu lassen. Der Israeli kommt zusammen mit einem 30 Jahre jüngeren Mann aus Moldawien - angeblich ein Vetter. Dieser will dem Kranken eine seiner Nieren abgeben, weil er sich - wie es das deutsche Transplantationsgesetz verlangt - eng mit ihm verbunden fühle. Doch schon bald verstricken sich die Männer in Widersprüche. Die Operation kommt nicht zustande.

    Es ist eine journalistische Verleumdung gewesen, dieses in einen Kontext mit Organhandel von israelischen Patienten in Osteuropa zu rücken.

    Der Transplantationschirurg Professor Christoph Broelsch fühlt sich von der Presse verleumdet. Nachdem man ihm in Essen abgeraten hatte, die beiden angeblichen Vetter aus Israel und Moldawien zu operieren, ging er nach Jena und führte dort die Transplantation durch. Die Süddeutsche Zeitung griff unter der Überschrift "der nette Vetter" den Fall auf und schrieb:

    In der Branche ist weithin bekannt, dass gerade Israel zu den aktiven Nationen im internationalen Organgeschäft gehört. Für eine Niere zu zahlen, ist in Israel inzwischen so selbstverständlich geworden, dass manche Patienten gar das Organ eines Verwandten ablehnen. :

    Deutsches Transplantationsgesetz, § 18 Organhandel. Wer entgegen § 17 Abs. 1 Satz 1 mit einem Organ Handel treibt oder entgegen § 17 Abs. 2 ein Organ entnimmt, überträgt oder sich übertragen lässt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. :

    Seitdem der Fall bekannt wurde, ermittelt auch die Staatsanwaltschaft Essen gegen Christoph Broelsch. Doch immer noch hält der international renommierte Chirurg die Sache nicht für eine öffentliche Angelegenheit:

    Und noch lange überhaupt noch kein Problem, was letztlich irgendwo auch die Presse angeht und vor allem nicht die Staatsanwaltschaft. Wenn die Staatsanwaltschaft inquirieren will, soll sie das in Jena tun, hier ist ja gar nichts passiert, sondern die Operation ist in Jena passiert und ich habe mich seit dem Tag der Veröffentlichung in der Süddeutschen Zeitung gewundert, warum ich hier die Zielscheibe werde.

    Was der Chirurg verschweigt: Geschickt hatte er die Tatsache ausgenutzt, dass in Thüringen bis Ende Februar 2002 die Vorschriften des fast fünf Jahre alten Transplantationsgesetzes noch nicht umgesetzt waren.

    Die gesetzlich vorgeschriebene Lebendspende-Kommission in Thüringen wurde erst Ende Februar eingesetzt - nachdem der Fall des Moldawiers und des Israelis öffentlich geworden war. Dass dieses Kontroll-Gremium noch bis zum Jahresbeginn fehlte, darauf hatte ebenfalls die Süddeutsche Zeitung hingewiesen:

    Es gibt dort nur selbst ernannte Ethikkommissionen an den einzelnen Kliniken. Diese lokalen Kommissionen sind aber häufig eng mit den medizinischen Abteilungen verknüpft. Nein zu sagen, können sie sich oft nicht leisten. Das wissen die Chirurgen im übrigen Deutschland und schicken ihre zu Hause abgelehnten Patienten gern dorthin, wo weniger Widerstand zu erwarten ist. Doch dass sie wie Christoph Broelsch auch noch selbst zur Operation einfliegen, ist bisher wohl einzigartig.

    Der Fall wirft ein Schlaglicht auf das Problem der sogenannten "Lebendorganspende". Die Lebendspende macht heute einen Gutteil der Steigerungsraten im Transplantationswesen aus. Allein in Nordrhein-Westfalen wurde im Jahr 2000 ein Anstieg der Nieren- und Leberspenden von Lebenden um ein Drittel verzeichnet. Damit ist binnen kürzester Zeit diese, noch vor Jahren als hoch problematisch angesehene Form der Organbeschaffung enorm ausgeweitet worden.

    Dabei hatte der Gesetzgeber 1997 noch versucht, der Lebendorganspende enge Grenzen zu setzen. So wurde insbesondere die Entnahme von Organen, die sich nicht wieder bilden können, nur für einen beschränkten Personenkreis zugelassen. Vorrangig muss dabei abgeklärt werden, ob ein geeignetes Spenderorgan eines "Hirntoten" zu beschaffen ist.

    Nur wenn dies nicht gelingt, kommen enge Verwandte oder sonst nahestehende Personen als Spender in Betracht. Zuvor muss der Spender durch einen Arzt aufgeklärt werden - auch über mögliche Spätfolgen der Operation.

    Außerdem soll die Freiwilligkeit der Lebendspende von einem unabhängigem Gremium überprüft werden - von der sogenannten "Lebendspendekommission" der jeweiligen Landesärztekammer. Wie das in der Praxis aussieht, schildert der geschäftsführende Arzt der Ärztekammer Nordrhein, Robert Schäfer:

    Die Transplantationszentren melden der Kommission entsprechenden Beratungsbedarf. Dann melden sie die Spender, die Spender werden dann zu einem Gespräch geladen, an dem ein Richter, ein Arzt und eine in psychologischen Fragen erfahrene Person teilnimmt. Eine der drei Personen muss mindestens eine Frau sein. Und diese Kommission entscheidet darüber, ob die vorgelegten Unterlagen und nach Durchführung des Gesprächs die Tatbestände rechtfertigt, die das Gesetz fordert, um eine solche Lebendspende durchführen zu können.

    Bevor das deutsche Transplantationsgesetz 1997 im Bundestag verabschiedet wurde, gab es große Zweifel, ob man diese Form der Organübertragung überhaupt erlauben sollte. Der Grund: Durch die Lebendspende werden gesunde Menschen beeinträchtigt. Gleichzeitig wächst die Gefahr der Kommerzialisierung der Organtransplantation. Organhandel wird damit immer wahrscheinlicher.

    So musste sich in diesem Frühjahr die Staatsanwaltschaft Freiburg mit einem Fall auseinandersetzen, der Schule machen könnte: Ermittelt wegen "Verstoß gegen das Transplantationsgesetz" wurde gegen den Freiburger Mediziner Professor Günter Kirste.

    Der deutsche Chirurg hatte in einem Schweizer Krankenhaus eine so genannte "Überkreuz- Transplantation" zwischen einem deutschen und einem Schweizer Ehepaar vorgenommen. Dahinter verbirgt sich ein "Organtausch" zwischen den Paaren, weil die unterschiedlichen Blutgruppen der jeweiligen Ehepartner eine Nierenspende in der Familie nicht möglich machten. Die Paare kannten sich vor dem Organtausch nicht, sondern lernten sich erst durch die Vermittlung von Freiburger und Baseler Ärzten kennen. Die Freiburger Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren ein, weil es aus ihrer Sicht bei diesem Tausch nicht um kommerziellen Organhandel ging. In der Begründung wird aber auch auf eine andere Rechtsauffassung verwiesen - nämlich ein Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom Oktober vergangenen Jahres. Darin heißt es:

    Im Verhältnis der Ehepaare wird eine Niere jeweils nur gespendet, weil als Gegenleistung eine andere Niere gegeben wird. Demgemäss liegt ein "Handeltreiben" im Sinne von Tauschhandel vor.(...) Ein eigennütziges Handeln in diesem Sinne liegt nicht nur vor, wenn ein Gewinn erzielt werden soll, sondern auch wenn sonstige Vorteile (z.B. auch sexuelle Leistungen) erstrebt werden. Das Begriffsmerkmal "Umsatz" ist zu bejahen, wenn einvernehmlich "Dinge" übertragen werden sollen. Danach ist weder erforderlich, dass Leistung und Gegenleistung dem Handeltreibenden zufließen, noch dass ein Geldbetrag fließt.

    Demnach wäre nach Auffassung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen der Tatbestand des Organhandels erfüllt. Auch in der Ärzteschaft gibt es große Vorbehalte gegen die "Überkreuz"-Spende - so bei der Ärztekammer Niedersachsen. Sie empfiehlt ihrer Lebendspende-Kommission, bei einem Organtausch zwischen Paaren besonders genau hinzusehen.

    Während es sich hierzulande noch um Einzelfälle handelt, mehren sich die Hinweise auf organisierten Organhandel - vor allem in Osteuropa. So hat die moldawische Regierung schon ausländische Familien in Verdacht gehabt, in mehr als 600 Fällen Kinder als lebende Organspender adoptiert zu haben. Zwar hat sich dieser Verdacht Anfang des Jahres nicht bestätigt - aber müssten solche Hinweise nicht dazu führen, das man moldawische Organspender in Deutschland grundsätzlich nicht explantiert? Eine Frage, die Robert Schäfer, von der Ärztekammer Nordrhein mit "Nein" beantwortet:

    In der Gesamtheit aller entschiedenen Fälle ist es bisher erst zweimal dazu gekommen, das die Kommission Erwägungen anstellen musste, die nicht zu einem positiven Beschluss geführt haben. Und das ist bei der Gesamtheit von 150 Beratungsgesprächen vergleichsweise wenig, also etwa 1,5 Prozent.

    Doch welche Lebendspende-Kommission kann schon genau überprüfen, ob Geld wirklich keine Rolle spielt, fragt Roberto Rotondo. Der Hamburger Psychologe hat sich mehrfach bei Parlamentsanhörungen kritisch zur Lebendorganspende geäußert:

    Ich glaube nicht, dass es möglich ist, zu ermitteln, ob finanzielle Ausgleichszahlungen stattfinden, weil man keinen Zugriff auf die Konten hat. Auch über Jahre müsste man ja kontrollieren, ob Erbschaften abgemacht worden sind, Testamentsumschreibungen. Das ist meiner Ansicht nach überhaupt nicht überprüfbar.

    Erst recht nicht, wenn Spender und Empfänger aus anderen Ländern stammen. Ein Mitglied einer Lebendspendekommission, das ungenannt bleiben will, nennt die Grenzen der Kommission:

    Sie hat weder die Möglichkeit die finanziellen Geschichten sowohl des Empfängers als auch des Spenders zu prüfen als auch zu prüfen ob irgendwelche Druckmaßnahmen ausgeübt wurden.

    Auch der Vorsitzende der Ständigen Kommission Organtransplantation der Bundesärztekammer, Hans-Ludwig Schreiber, hält den Fall des Israelis und seines angeblichen Vetters aus Moldawien für "sehr problematisch". Schreiber wörtlich:

    "Die Lebendspende ist teilweise ein dunkles Kapitel. Gerade bei Ausländern raten wir zu äußerster Vorsicht. Die Psychosomatik in Essen ist da gut, die passen auf." :

    Gemeint ist damit vor allem Professor Wolfgang Senf, Direktor der Klinik für Psychosomatik am Essener Universitätsklinikum. Er hatte seinem Kollegen Broelsch abgeraten, die Operation an dem Israeli und dem Moladavier durchzuführen.

    Doch anders als die Bundesärztekammer hat auch Wolfgang Senf grundsätzlich keine Bedenken bei Ausländern, die nach Deutschland kommen, um sich operieren zu lassen. Woanders gäbe es mehr Großfamilien als hierzulande, in denen sich ein Organspender fände, argumentiert der Psychosomatiker:

    Es gibt völlig unterschiedliche kulturelle Kontexte. Wir haben ja Erfahrungen auch mit ausländischen Patienten mit Familiengebundenheit. Eingebundenheit oder Verpflichtungen stellen sich zum Beispiel in Süditalien anders dar als in Norddeutschland. Und in sofern müssen sie natürlich die kulturellen Gegebenheiten, die die Leute mitbringen, mit berücksichtigen.

    Doch zu den kulturellen Gegebenheiten Moldawiens gehört eben auch, dass es sich um eines der ärmsten Länder Osteuropas handelt. Seit Jahren gibt es immer wieder Meldungen, die auf organisierten Organhandel gerade in Osteuropa verweisen.

    So ermittelte die tschechische Polizei bereits Anfang September 2000 gegen eine Firma namens "Transpla-Cent", die auch in Deutschland für Organe aus Osteuropa geworben hatte. Das Unternehmen, an dem Deutsche beteiligt waren, wollte Spender und Empfänger für eine Vermittlungsgebühr von 1 000 Mark zusammenbringen. Die Operationen aber würden "von Spezialisten in Lateinamerika oder Russland durchgeführt", hieß es in der Internet-Werbung. Wie man den internationalen Organhandel bekämpfen kann, ohne gleichzeitig die Internationalisierung der Transplantationsmedizin in Frage zu stellen - das ist für Robert Schäfer von der Ärztekammer Nordrhein die entscheidende Frage:

    New York Times, 27.Mai 2001: Die kleine Niere auf dem Markt. Ein Mann namens Jim Cohen aus Los Angeles, organisiert so genannte "Organ - Reisen" . "Ich nenne mich selbst `internationaler Transplantations-Koordinator´, erklärt er. Er sei zwölf Jahre im Geschäft, sagt er, und hätte etwa 300 Amerikanern geholfen. :

    Zweifelsfrei muss man, ich sag´ es jetzt mal in Anführungsstrichen, auch hier eine gewisse Globalisierung feststellen. Ich denke, dass es prinzipiell zulässig ist, dass aus dem Ausland kommende Spender, in diesem Fall aus Moldawien, oder auch aus Israel oder wo auch immer her, sich hierher begeben, und wenn sie das Vertrauen in die behandelnden Ärzte haben, sich hier beraten lassen. Und wenn die Kommission zu dem Ergebnis kommt, dass eine solche Voraussetzung vorliegt, wie es das Gesetz in Deutschland fordert, dann kann natürlich hier auch eine Transplantation durchgeführt werden.

    Neben Osteuropa sind vor allem China und Indien die Märkte, auf denen Organhändler potentielle Spender suchen - nicht zuletzt für israelische Kunden aufgrund der jüdischen Kultur, meint der Essener Psychosomatiker Wolfgang Senf:

    Wenn sie jetzt mal in die Gruppe der israelischen Patienten gehen, müssen sie sich auch mit der jüdischen Kultur auseinandersetzen und was es bedeutet, auch im historischen Rückblick der jüdischen Gesellschaft, was Familienstrukturen betreffen.

    Weil vor allem orthodoxe Juden aus Glaubensgründen unversehrt beerdigt werden wollen, blüht in Israel die Vermittlung sogenannter Organreisen - zum Beispiel in die Türkei, wo die Empfänger dann die Spender aus Moldawien treffen. Die New York Times zitiert Michael Friedländer, Nierenspezialist am Hadassah Univeritäts-Hospital in Jerusalem:

    Was zur Zeit geschieht, ist absurd. Die Flugzeuge gehen wöchentlich. In den letzen Jahren habe ich 300 Patienten gehabt, die wegfuhren und mit neuen Nieren zurückkamen. Manche waren gut, manche nicht. Statt dies dem freien Markt zu überlassen, müssen wir Ärzte uns dafür einsetzen, dass diese Reisen legalisiert und kontrolliert werden.

    Der Essener Transplanteur Christoph Broelsch kennt zumindest den Alltag in Israel sehr gut. Schließlich ist ihm gerade die Hadassah-Universität in Jerusalem seit langem vertraut:

    Ich habe sehr gute Kontakte, ich bin ja schließlich auch an der Fakultät der Hadassah-University, habe die ersten Lebertransplantationen in Israel durchgeführt, auch Eltern auf Kinder und habe dort Chirurgen ausgebildet, in Tel Aviv in Haifa. Also ich möchte sagen: ich habe sehr gute, auch freundschaftliche Beziehungen dort.

    Dass Patienten aus dem Ausland zunehmend die Dienstleistungen der deutschen Medizin in Anspruch nehmen, wird von den meisten Akteuren des hiesigen Gesundheitssystems ausdrücklich unterstützt.

    Ganz grundsätzlich muss man sagen, das wir ein Land sind, das sich auch dafür eignet, das internationale Aktivitäten in Deutschland durchgeführt werden. Wir haben z.B. derzeit innerhalb der EU Wanderungsbewegungen die dazu führen, dass Patienten aus England, aus Skandinavien nach Deutschland kommen, und ich sehe überhaupt keine Problematik darin, dass solche Behandlungen in Deutschland stattfinden, ich finde sogar, dass es gut ist, dass der Standort Deutschland seine Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt und dies auch ins Ausland getragen wird.

    Nicht zuletzt die Lebend-Organspende verschafft den Ärzten und Krankenhäusern zusätzliche Einnahmequellen. Im beschriebenen Fall des Israelis und seines moldawischen Spenders zum Beispiel floss reichlich Geld. Professor Broelsch macht kein Geheimnis daraus, wer für die Operation in Jena gezahlt hat:

    Alle Patienten sind über eine der drei großen Staatsversicherungen versichert, es gibt dort keine Privatversicherung sondern es gibt die Staatsversicherung, die für alle Transplantationen, Leber, Niere, Herz oder sonst etwas aufkommt.

    Die Versicherungen übernehmen oft die bis zu 150000 Euro hohen Kosten für Operationen im Ausland. Das ist im Zweifel billiger als die jahrelange Dialyse. Außerdem können die israelischen Ärzte ihren Patienten Wege aufzeigen, die eigenen Gesetze zu umgehen - mit Hilfe der Kollegen im Ausland:

    In Israel gibt es ein Gesetz - noch -, das nur eine Transplantation unter Verwandten ersten Grades, also Eltern auf Kinder oder Kinder auf Eltern zulässt, also keine weiteren Verwandtschaften und auch nicht Personen, die sich in besonderer Weise nahestehen, also Freunde oder besorgte Mitbürger, die ausschließlich aus freiwilligen Gründen sich für eine solche Operation entscheiden würden.

    Professor Broelsch will den Israelis helfen und gleichzeitig die deutsche High-Tech-Medizin auf dem internatonalen Markt etablieren. Die grundsätzlichen ethischen Bedenken, die etwa sein Vorgänge am Essener Universitätsklinikum, Prof. Eigler, gegen die Lebendspende hatte, lässt er nicht gelten:

    Mit meinem geschätzten Vorgänger habe ich mich seit 1974, also zwanzig Jahre lang gestritten zu diesem Thema, er hat eine andere Auffassung, die ich nicht teile, aber ich respektiere sie. Er hat danach gehandelt, er ist ein sehr gradliniger Mensch, und ich teile sie aber überhaupt nicht, weder ethisch noch moralisch.

    Broelsch ist häufig an die Grenzen des Machbaren gegangen, um medizinisches Neuland zu betreten. So setzte er beispielsweise im Juli 1998 zum ersten Mal bei einem Patienten mit akutem Leberversagen Leberzellen vom Schwein ein.

    Dabei wurde das Blut des Patienten durch eine Maschine gepumpt, in der sich in einer Spindel die Leberzellen eines Schweins befanden. Das Blut wurde über die Zellen gefiltert und von Giftstoffen gereinigt. Das ganze war ein hochexperimentelles Verfahren.

    Im Interesse seiner Patienten, sagt Professor Broelsch, schaue er manchmal lieber nicht so genau hin, welche Gründe ein Spender hat, ein Organ abzugeben. So habe er das auch im Fall des "Vetters" aus Moldawien gehandhabt:

    Ich weiß nicht, wieso das unser Problem ist. Wir handeln hier nach den Grundsätzen des deutschen Transplantationsgesetzes und darauf kann sich hier jeder verlassen, was in anderen Ländern passiert, sogar kriminellen Dingen oder nicht viel schlimmeren Dingen, das kann uns - jedenfalls in unserem Tagesgeschäft - überhaupt nicht berühren.

    Das sieht die Essener Staatsanwaltschaft zumindest in diesem Punkt ähnlich: In Moldawien könne man in dieser Sache nicht ermitteln, heißt es dort. Ob dann die Dimensionen der bundesdeutschen Verstrickung in den internationalen Organmarkt wirklich offengelegt werden können, darf bezweifelt werden.