Wie kaum ein anderer steht der Fernfahrer außerhalb der Gesellschaft, in der er sich bewegt. Es gibt eigene Zeitschriften, Internetportale, Festivals und Musik.
Von der vielbeschworenen und -besungenen Romantik des Berufs ist aber heute kaum noch etwas übrig. Immer schärfere Kontrollmechanismen sowie ständig steigender Termindruck haben die einstigen "Kapitäne der Landstraße" zu "Dieselknechten" degradiert.
"Ich schwöre einen Eid zu Gott, dass ich das Gut, das mir zu fahren aufgeladen wird, für billigmäßige Belohnung dahin fahren, treulich verwahren und redlich überliefern will, kein Stück verfahren oder irgendwie anderswo hinbringen als mir aufgetragen ist, was mir etwas an Geld und Wechseln zurückzubringen gereicht wird, aufrichtig und ohne einzige Hinterhaltung überreichen und mich in allem so betragen will, wie einem redlichen, aufrichtigen und getreuem Fuhrmann gebührt." (Fuhrmannseid aus dem Jahre 1691)
"Es war ja damals für viele ein Traumberuf. Es war eine gewisse Freiheit dabei, man war allein unterwegs, es konnte einen keiner erreichen, man hatte seine Arbeit – und das war es." (Fahrer Wilhelm)
Was sind das für Menschen, die diesen Job machen, und was hält sie hinter dem Steuer ihrer 40-Tonner?
Lesen Sie das komplette Manuskript zur Sendung in seiner ungekürzten Vorsendefassung hier: Manuskript als PDF / Manuskript als TXT. Die Webbegleitung zu dieser Sendung ergänzt und fokussiert das Thema der Sendung, bietet einen eigenen Zugangsweg zu dem Thema.
Fernfahrerin Katja, 28 Jahre alt
"Dieser Drang, woanders hinzugehen und das – das hatte ich schon als kleines Kind, also mit drei, vier Jahren." Katja ist 28 Jahre alt. "Meine Großeltern hatten einen großen Bauernhof, da war sehr viel mit Traktoren und landwirtschaftlichen Geräten. Die habe ich damals auch schon alle bedient mit acht Jahren und habe dann so – ja, mich dann weitgehend dafür interessiert."
Zunächst war Katja Autolackiererin, dann wollte sie Berufskraftfahrerin werden. Nach eigenen Angaben war sie an der Berufsschule eine von vier Frauen – bei 5.000 bis 6.000 Männern.
"Und gleich einen Tag später habe ich bei einem anderen angeheuert und dann bin ich, ja, vielleicht zwei Monate später bin ich in den internationalen Fernverkehr gegangen."
Ihre ersten Fahrten führten sie nach England. In den Jahren nach ihrem 20. Geburtstag ist Katja von Finnland bis Spanien durch ganz Europa gefahren. Oft war sie ein halbes Jahr lang unterwegs, ohne nach Hause zu kommen. Kontakt zum Freundeskreis und zur Familie hielt sie durch das Mobiltelefon. Auch ihren aktuellen Lebenspartner hat sie durch dieses Medium kennengelernt.
"Es ist schwierig gewesen am Anfang, einen Mann zu finden bzw. einen Lebenspartner zu finden, der das Ganze mitmacht. Ich habe sehr, sehr viele Jahre gesucht, habe auch sehr viel Pleiten, Pech und Pannen erlebt in dem Sinn. Eines Tages dann, vor ungefähr anderthalb Jahren, habe ich Glück gehabt und halt über die Truckerzeitung, stand da halt eine Annonce drin, da habe ich mich mal drauf gemeldet. Eigentlich gar nicht mit dem Hintergedanken, dass es da was werden würde. Das hat gepasst wie die Faust aufs Auge. Er ist auch Lkw-Fahrer, hat zwar erst angefangen, aber man ergänzt sich schon. Ich habe dann komplett aufgehört mit dem internationalen Fernverkehr und fahre jetzt nur noch nationalen Fernverkehr. Und man ist am Wochenende zu Hause."
Katja ist nicht gerade zierlich. Sie ist aber auch nicht das, was viele ihrer Kollegen im Gespräch als Mannsweib bezeichnen. Mit den körperlich anstrengenden Aspekten des Berufs wie dem Reifenwechsel oder dem Bewegen eines tonnenschweren Containers mit einem Handhubwagen hat sie kein Problem. Das hat sie eher mit Bevorzugungen aufgrund ihres Geschlechts – zumal diese häufig nicht ohne Hintergedanken scheinen.
"Das allerbeste Beispiel war: Ich komme da in so einer Firma an und stehen sechs Kollegen vor mir in Reihe und Glied. Ich melde mich an mit meinen Papieren und da wurde man dann vom Stapelfahrer angezwinkert und halt diese Aufmerksamkeit gemacht dann: Ja, kannst ja schon mal vorfahren – so in etwa: Also treffen wir uns dann mal hinterher. So, und da war er bei mir an der falschen Adresse."
In den letzten zehn Jahren ist Katja immer wieder in Situationen gekommen, die ihre männlichen Kollegen so sicher nicht erlebt hätten und die zeigen, wie sehr die Fernfahrerei noch immer eine Männerdomäne ist. Aber bislang hat sie es noch immer geschafft, ihre Frau zu stehen.
Fernfahrer Andreas, 40 Jahre alt
"Ich habe Abitur gemacht, dann Geschichte und Politikwissenschaften studiert – nicht jetzt irgendwie darauf ausgelegt, großartig Karriere zu machen, sondern Geschichte studiert. Ich wusste bei der Immatrikulation schon, dass die Aussichten auf dem Berufsmarkt nicht berauschend waren. Das war mir aber egal. Gut, das Studium ist dann zum absoluten Bummelstudium für mich geworden. Ich habe, glaube ich, 27 Semester zusammenbekommen. Habe das Studium dann vollendet im jungen Alter von 38 Jahren. Und dann kommt irgendwann der Augenblick: Was machst du jetzt? Beworben großartig habe ich mich nicht. Ich bin zum Arbeitsamt gegangen, habe gefragt: Haben Sie einen Job als Historiker für mich? Resonanz war ein kräftiges Lachen, die haben noch nicht mal den Computer angemacht. Und es kam gleich die Frage, ob ich mir auch was anderes vorstellen könnte. Dann kam die Idee des Lkw-Führerscheins. Ich habe gefragt, ob der finanziert werde und die Antwort war: ja."
Andreas ist 40; seit einem halben Jahr ist der studierte Geisteswissenschaftler nun berufsmäßig "on the road". Obwohl es für ihn nie ein Traumjob war, ist auch er in gewisser Weise ernüchtert von seiner Arbeit.
"Gut, ich hatte durchaus die Erwartungen in dem Job auch viel Geld zu verdienen, und zwar in dem Sinne, dass ich in der Lage bin, viel Geld zurückzulegen dadurch, dass ich überhaupt nicht in der Lage bin, mein Einkommen großartig auszugeben; man ist ja ständig unterwegs. Da bin ich dann relativ schnell enttäuscht worden, muss man wirklich sagen, weil dann ist es nun mal so, dass man als Lkw-Fahrer in Deutschland nicht sonderlich viel Geld verdient. Es sei denn, man arbeitet im Ausland. Das ist jetzt zum Beispiel so das große Ziel, was ich habe."
Die geringe Wertschätzung des eigenen Jobs kennt Andreas aus der eigenen Familie. Seine Mutter war nicht gerade begeistert, dass ihr Sohn in einem Beruf arbeitet, für den er derart überqualifiziert scheint. Andreas spricht Englisch, Französisch und Spanisch – letzteres zumindest so gut, dass er sich bei seiner ersten Fahrt nach Spanien auch ohne Navigationssystem zurechtgefunden hat. Seine Qualifizierung macht ihm die Jobsuche aber nicht unbedingt leichter.
"Ich habe schon durchaus das Gefühl, dass bei manchen Bewerbungen das nicht gerade von Vorteil ist. Wenn, dann hat man irgendwie ganz klar manchmal so den Verdacht, dass einen viele Speditionen ablehnen nach dem Motto: Wir nehmen keinen Akademiker, der könnte uns gefährlich sein, das könnte ein Querulant sein."
Zum Zeitpunkt unseres Gespräches ist Andreas wieder auf Jobsuche – die letzte Stelle hat er gekündigt, weil er vom Unternehmer zu nicht ganz sauberen Praktiken genötigt wurde, wie er sagt. Und hier ist bei ihm die Grenze erreicht – im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen. Für Andreas ist es leichter, so konsequent zu reagieren, da ihn mit seinem Fahrzeug keinerlei emotionale Beziehung verbindet. Die Angst, keinen neuen Job zu finden, kennt er nicht. Er weiß genau, wie viele offene Stellen es gibt. Andreas mag seinen Job. Ihn romantisch aufzuladen, würde ihm aber nie in den Sinn kommen. Eine wichtige Motivation scheint er trotzdem mit vielen Kollegen zu teilen:
"Ich möchte um Himmelswillen umgehen, dass ich in meinem Job mit irgendwelchen Leuten konfrontiert werde, mit denen ich nicht klarkomme. Unter diesem Aspekt ist der Job genial."
Fernfahrer Markus Studer, 62 Jahre alt
"Wenn ich über die Ardennen fahre – und das ist eine meiner beliebtesten Strecken, die ich fahren darf – dann höre ich gerne mal etwas Klassisches von Verdi oder was auch immer – eine wunderschöne Oper. Da kann ich dann lauthals mitsingen."
Markus Studer ist erst mit 57 Jahren "auf den Bock" – und das auch noch ganz freiwillig:
"Also ursprünglich wollte ich eigentlich Automobil-Ingenieur werden und habe mich dann aber im Alter von 17, 18 Jahren entschieden, Medizin zu studieren, habe dann Medizin studiert, habe die Ausbildung als Facharzt in Chirurgie und später in Herzchirurgie gemacht und habe dann während 25 Jahren, habe ich Herzchirurgie betrieben. Also gesamt gesehen habe ich ungefähr 4.000 Herzen selbst operiert, habe bei 6.000 Herzen assistiert, so dass ich gesamt gesehen ungefähr 10.000 Herzoperationen mitgemacht habe. So im Alter von 40, 45 Jahren habe ich entschieden, dass ich die Herzchirurgie auf dem Höhepunkt der Karriere eigentlich abschließen wollte und dann irgendetwas anderes mir einfallen sollte, was ich machen könnte. Und da ich das Interesse für die Technik und die Interesse für das Reisen hatte, habe ich gedacht, da wäre Lkw-Fahrer eine ideale Kombination."
Studers berufliches Umfeld reagierte sehr unterschiedlich – mal mit enthusiastischer Zustimmung, mal mit betretenem Schweigen. Als die Kollegen im Herzzentrum Hirslanden realisierten, dass es ihm ernst war mit der Umsetzung seines Plans, habe es einige Diskussionen gegeben. Seine Frau allerdings war nicht geschockt, sondern habe ihn in seinem Entschluss noch unterstützt:
"Also ich habe immer wieder mal davon gesprochen und dann sagt sie: Musst nicht immer davon sprechen, sondern mach es endlich jetzt. Also sie hat mich noch animiert, diese Fahrstunde zu nehmen für den Lkw und die Sattelzüge und ich habe ihr auch gesagt ungefähr wie das aussehen wird, unser Sozialleben, nämlich, dass ich im Prinzip unter der Woche weg bin und nur eigentlich übers Wochenende zu Hause bin. Aber sie sagt, das Sozialleben heute ist strukturierter als vorher. Vorher sind immer irgendwelche Notfälle dazwischen gekommen."
Die Trucker-Subkultur in Amerika
Trailer zu "They Drive by night" (1940) bei Youtube:
"Wie ich angefangen bin, da gab’s noch keine Trucker, da gab’s dieses Wort Trucker noch nicht. Das ist später erst entstanden. Da war man Fahrer. Oder da hieß es noch: Na, Du Kutscher?" (Fahrer Otto (60))
Am besten verfolgen lässt sich diese Entwicklung anhand der Filme und der Musik, die das Leben und den Beruf der Fahrer thematisiert und nicht selten verklärt und glorifiziert haben.
- Das Lied "Wreck On The Mountain Road" der Red Fox Chasers aus North Carolina von 1928 dürfte die erste Komposition sein, die von einem Lkw-Fahrer handelt. Der Song ist eine der für ihre Zeit typischen Balladen über Katastrophen und Unglücke.
- Das Lied, das die Berufsgruppe der Fernfahrer in den USA als Sujet in der Popmusik verankert, ist der "Truck Driver’s Blues". Aufgenommen wurde der Song 1939 von dem Geiger Cliff Bruner. Mit seiner Band, den Texas Wanderers, gehört er zu den populärsten Vertretern des Western Swing. Von diesem Lied werden mehr als 100.000 Tonträger verkauft.
- Nur ein Jahr später erschien der Film "Nachts unterwegs" (englischer Originaltitel "They Drive By Night"). Unter der Regie von Raoul Walsh agierten Humphrey Bogart und George Raft als Lkw-Fahrer – zwei Schauspieler, die sich bis dahin vor allem in Gangster- und Detektivrollen als harte Männer profiliert hatten.
- Mit dem Bau des Interstate Highway System Mitte der 50er Jahre in den USA gibt es neue Impulse. 1954 erscheint ein Song, der zur Blaupause wird für das, was da kommen soll – Terry Fell und sein "Truck Drivin’ Man".
Wie kommt es aber nun zu der Affinität von Truckern für Country? Die Lieder, die vorher über Fahrer gemacht wurden, waren eher dem Blues und anderen Genres zuzuordnen. Den Brückenschlag zwischen Country und Fernfahrern in den USA erklärt der deutsche Country-Enthusiast Hauke Strübing folgendermaßen:
"Wenn wir nun versuchen, der Verbindung Trucker – Country Music auf die Spur zu kommen, müssen wir ein halbes Jahrhundert zurückgehen. Bei dem täglichen Kampf der Radiostationen um die Hörerschaft ist damals jemand auf die Idee gekommen, sich auch der Wünsche der Trucker in den USA anzunehmen. Und einer dieser Wünsche war recht zweckdienlich: Die Trucker hatten verständlicherweise größtes Interesse an Wetter- und Straßenzustandberichten - und das möglichst zu allen Tages- und Nachtzeiten. Genau dies griffen die Country-Radiostationen in den USA als erste auf. In der Folge blieben Lieder nicht aus, die sich mit dem Metier und dem Umfeld der Trucker befassten. Das verband die Trucker und die Country Music in den USA noch mehr."
Die Trucker-Subkultur in Deutschland
Im deutschen Fernsehen hält der Lkw-Fahrer 1963 mit der vom Süddeutschen Rundfunk gedrehten Serie "Die Fernfahrer" Einzug. Zwischen 1963 und 1967 werden zwölf Folgen ausgestrahlt. Sowohl Hans Albers in "Nachts auf den Straßen" als auch Rudolf Krieg und Pit Krüger in "Die Fernfahrer" gaben noch die Kapitäne der Landstraße, die mit ihren großen Maschinen abenteuerliche Fahrten wagten.
1973 ist Gunter Gabriel noch ein relativ unbekannter deutscher Sänger und Komponist. Bis dahin hat er unter anderem Lieder für Rex Gildo geschrieben. Sein Lied über den 30-Tonner Diesel und den Mann, der ihn fährt, wird sein erster großer Erfolg – und der erste Trucker Country Song in deutscher Sprache. Wie viele seiner amerikanischen Vorläufer war auch Gabriel bereits mit der Berufsgruppe der Fernfahrer in Berührung gekommen, bevor er das Lied vom 30-Tonner Diesel schrieb:
"Ich komme ja auch aus einer Fernfahrerfamilie. Und irgendwann tauchte das richtige Fernfahrertum bei mir auf, nämlich in Hannover 1958/59. Da war ich Nachtwächter auf einem Speditionshof. Erst mal habe ich sie als Fernfahrer nicht richtig wahrgenommen, sondern als Kerle mit – mit schwieligen Händen; so diese Klischeevorstellung mit Öl. Die rochen nach Diesel und waren patente Jungs, die eine ganz klare Sprache sprachen, so wie ich das heute auch noch kann."
Wenn Gabriel von den Fahrern spricht, bezeichnet er sie meistens als Trucker. Ist der Held des 30-Tonner Diesels vielleicht noch der letzte Kapitän der Landstraße, so werden in den Jahren danach aus den Fernfahrern langsam die Trucker – in ihrer eigenen wie in der öffentlichen Wahrnehmung. Gabriel nennt darüber hinaus grundsätzliche Veränderungen innerhalb des Berufsbildes, die diesen Prozess noch verstärkten. So zum Beispiel die Vereinzelung der Fahrer:
"Früher sind die zu zweit gefahren: einer hat gepennt, einer ist gefahren. Ist ja vorbei. Heute geht’s nur noch um ganz harte Knete. Überall wird eingespart und so weiter und plötzlich ist der Kerl ganz alleine hinterm Lenkrad."
Zeitgleich entsteht in Deutschland eine eigenständige Countrymusik-Szene. Der Durchbruch kommt so für die Countryband Truck Stop, als sie ihre Musik mit deutschen Texten versehen. Truck Stops erster großer Hit beinhaltet viele Referenzen, die in der zweiten Hälfte der 70er Jahre für die Fernfahrer wichtig waren. Zum Beispiel das "Funkgerät", womit der CB-Funk gemeint ist.
Willi Bräutigam aus Schmallenberg im Sauerland nahm später den Künstlernamen Tom Astor an. Country machte ihn erfolgreich:
"Es kam halt diese Trucker-Kultur auf. Da gab es auf einmal diese toll bespritzten Lkws und mit Chrome. Und die haben geputzt, die Jungens. Und die haben richtig Spaß daran gehabt. Ich glaube, im "Spiegel" hat man mal über eine Subkultur geschrieben, die sich da entwickeln würde. Zu diesen Festivals, da kamen ja nicht nur Leute aus dieser Szene, sondern da gingen ja ganze Familien Sonntagsnachmittags hin."
Das Fernsehen und die Trucker
Dass die Trucker-Kultur auch eine gewisse Breitenwirkung erreicht, liegt aber nicht nur an der Musik – auch das Fernsehen springt auf den Zug auf. Ab 1977 strahlt die ARD im Vorabendprogramm unter dem Titel "Abenteuer der Landstraße" eine deutsche Synchronfassung der amerikanischen Trucker-Serie "Movin’ On" aus, die in den USA von 1974 bis 1976 lief.
Und dann kam die Fernsehserie "Auf Achse". Es ist fast paradox, dass sich die meisten Menschen bei Erwähnung der Serie heute zunächst an Manfred Krug erinnern. Denn der war, wie sein Kollege und Co-Hauptdarsteller Rüdiger Kirschstein sich erinnert, anfangs gar nicht für die Rolle des Lkw-Fahrers Franz Meersdonk vorgesehen:
"Damals waren es also der Günther Lamprecht und der Rüdiger Kirschstein, die gedacht waren, diese beiden Helden zu verkörpern. Und dann aber drehte der Fassbinder irgendwas – was war das, ich glaube, "Berlin Alexanderplatz" mit dem Lamprecht und da fiel der aus. Na und da kam gerade der Manfred Krug rüber aus der DDR." (Rüdiger Kirschstein)
Für viele Fahrer ist die Serie bis heute die einzige, der sie eine gewisse Realitätsnähe zu ihrem Beruf zugestehen. Auch der Umstand, dass die Hauptdarsteller ihre Wagen selbst fuhren, mag dazu beigetragen haben. Rüdiger Kirschstein hatte für seine Rolle sogar extra den Lkw-Führerschein gemacht.
Im Windschatten der Fernsehserie erscheinen auch die ersten Magazine nur für Fernfahrer. Johannes Reichel ist heute Chefredakteur beim "Trucker", Deutschlands ältester und auflagenstärkster Fernfahrer-Zeitschrift. Der "Trucker" ist bei seiner Gründung 1979 ein weiteres Indiz für die Veränderung in der Selbstwahrnehmung der Fahrer und der Entstehung ihrer Subkultur.
"Trucker ist halt eine emotionalere Bezeichnung als Fernfahrer. Und das war für uns damals eigentlich eins der Argumente, den Namen Trucker aufzugreifen." (Johannes Reichel)
Die Metamorphose des Fernfahrers zum Trucker wird in den 80ern zementiert – nicht zuletzt, weil nun auch die Industrie den Trend erkannt hat und auf ihn aufsetzt.
Rückgang ab den frühen 90er-Jahren
In den 80er- und den frühen 90er-Jahren erreicht die Trucker-Kultur mit ihren Festivals den vorläufigen Höhepunkt. In den Jahren danach gab es einen starken Rückgang. Die Gründe dafür sind vielfältig.
"Früher haben wir im Jahr 15, 20 Mal auf irgendeinem Trucker-Festival gespielt. Und wie der Osten dann dazu kam, dann kamen die natürlich auch mit einem unglaublichen Nachholbedarf sowohl an neuzubauenden Autohöfen als auch Musik von uns. Da war natürlich richtig Leben drin. Und das ist halt sehr viel weniger geworden mit den Festivals. Die Kontaktmöglichkeiten sind sehr geschrumpft, seit diese Szene nicht mehr wächst oder immer kleiner wird." (Lucius B. Reichling)
Es scheint, als habe die heutige Fahrer-Generation den Bezug zur Subkultur der Trucker verloren. Die Globalisierung, der Termindruck, die große Konkurrenz aus dem europäischen Ausland, das erhöhte Verkehrsaufkommen und die technischen Entwicklungen haben den Beruf derart verändert, dass der romantisierte Blick darauf unangemessen erscheint. Der Zusammenhalt der Fahrer untereinander ist aufgrund von Zeitdruck weitgehend verschwunden, und durch den extremen Termindruck bleibt schlichtweg kaum noch Zeit, sich und seinen Job zu feiern. Und die wenigen jungen Fahrer hören einfach andere Musik.
Die heutigen Arbeitsbedingungen
Früher waren die Fernfahrer ein geachteter Berufsstand – Bezeichnungen wie "Kapitäne der Landstraße" brachten einen gewissen Respekt zum Ausdruck. Wie kam es dazu, dass aus den angesehenen Kapitänen der Landstraße die gestressten Dieselknechte wurden?
Zum Lohnverfall kam der ständig steigende Termindruck. Um Kosten zu sparen, haben die großen Industriebetriebe ihre Lagerräume auf ein Minimum reduziert und ihre Zulieferer in ein Just-in-time-System eingebunden. Durch die rigorose Ausnutzung der Lenkzeiten sind die Fernfahrer heute noch weniger zu Hause, als sie es früher waren. Das Privatleben reduziert sich meistens auf das Wochenende – so sie es von ihren Touren bis zu ihrem festen Wohnsitz schaffen.
Die Überprüfung der Lenk- und Ruhezeiten:
Anfang der 50er-Jahre wurde der mechanische Tachograf zur Pflichtausstattung für Lkw in Deutschland. Ein Stift zeichnete auf eine kreisrunde Scheibe Geschwindigkeiten, gefahrene Wegstrecke sowie die Lenk- und Ruhezeiten mechanisch auf. Die Scheibe musste vom Fahrer vor Fahrtantritt mit seinem Namen versehen und eingelegt werden. Diese mechanische Art der Aufzeichnung konnte relativ simpel manipuliert werden.
Seit dem 1. Mai 2006 gibt es nun einen digitalen Tachografen, der für alle in der EU neu zugelassenen Lkw über 3,5 Tonnen Pflicht ist. Hier werden in einem versiegelten Speicher sämtliche Bewegung des Wagens festgehalten – und zwar wesentlich exakter und differenzierter, als es früher möglich war. Auf einer zusätzlichen Fahrerkarte werden zudem alle Daten des einzelnen Fahrers gespeichert. Manipulationen werden dadurch erheblich erschwert. Bei Kontrollen können nun sämtliche Verstöße gegen Lenk- und Ruhezeiten sowie Geschwindigkeitsbegrenzungen nicht nur der letzten Tage, sondern sogar der letzten Monate im Handumdrehen festgestellt werden.
Anfang der 50er-Jahre wurde der mechanische Tachograf zur Pflichtausstattung für Lkw in Deutschland. Ein Stift zeichnete auf eine kreisrunde Scheibe Geschwindigkeiten, gefahrene Wegstrecke sowie die Lenk- und Ruhezeiten mechanisch auf. Die Scheibe musste vom Fahrer vor Fahrtantritt mit seinem Namen versehen und eingelegt werden. Diese mechanische Art der Aufzeichnung konnte relativ simpel manipuliert werden.
Seit dem 1. Mai 2006 gibt es nun einen digitalen Tachografen, der für alle in der EU neu zugelassenen Lkw über 3,5 Tonnen Pflicht ist. Hier werden in einem versiegelten Speicher sämtliche Bewegung des Wagens festgehalten – und zwar wesentlich exakter und differenzierter, als es früher möglich war. Auf einer zusätzlichen Fahrerkarte werden zudem alle Daten des einzelnen Fahrers gespeichert. Manipulationen werden dadurch erheblich erschwert. Bei Kontrollen können nun sämtliche Verstöße gegen Lenk- und Ruhezeiten sowie Geschwindigkeitsbegrenzungen nicht nur der letzten Tage, sondern sogar der letzten Monate im Handumdrehen festgestellt werden.
Um im hart umkämpften Speditionsmarkt konkurrenzfähig zu bleiben, scheinen viele Firmen bislang Gesetzesübertretungen bewusst mit in ihre Kalkulationen einbezogen zu haben.
Angesichts der teilweise haarsträubenden Arbeitsbedingungen der Fahrer taucht immer wieder die Frage auf, warum sie sich nicht geschlossen zur Wehr setzen. Aber in Deutschland haben die Fahrer bereits seit 25 Jahren nicht mehr für Verbesserungen in ihrem Job gestreikt – was vor allem daran liegt, dass sie so schlecht organisiert sind. Benedikt Frank ist Gewerkschaftssekretär bei der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi:
"Wenn man sich mit Kolleginnen und Kollegen besser absprechen kann im Betrieb, wenn man als Gruppe arbeitet, dann ist der Wille, sich gemeinsam zu organisieren, gemeinsam zu handeln, auch in der Regel schneller da, als wenn man, ja, der einsame Steppenwolf ist. Das hat vielleicht auch ein bisschen was mit der Mentalität der Fahrer zu tun, die eben in der Regel keine Gruppenerfahrungen haben, was arbeiten angeht, sondern immer für sich alleine arbeiten."
Hinzu kommt, dass das Gros der Fernfahrer in Deutschland in mittelständischen Betrieben beschäftigt ist. Laut einer Zahl des Bundesamt für Güterverkehr waren 2003 über 50 Prozent der Fahrer in Speditionen beschäftigt, die einen bis vier Lkw unterhalten. Bei solchen Größen ist der Aufbau eines Betriebsrat schwierig.
Einen möglichen Ausweg aus der Vereinzelung könnte aber vielleicht das Internet bieten. Immer mehr Fahrer haben Laptops in ihren Kabinen, immer mehr Autohöfe stellen auf ihren Lkw-Parkplätzen einen drahtlosen Internetzugang zur Verfügung. Das führt dazu, dass nicht nur auf der Autobahn, sondern auch in den vielen unterschiedlichen Fernfahrerforen im Internet reichlich Verkehr herrscht. Hier diskutieren Fahrer die drängendsten beruflichen Themen.
Gunter Gabriel: "Sie sind einsame Hunde, die mit dieser Einsamkeit klarkommen müssen. Und mit ihrer Verantwortung, die hinter ihnen ist. Diese 40 Tonnen, die sie hinter sich haben. Die haben Verantwortung und müssen wach bleiben. Für mich sind das Helden. Die aber nicht diese Würdigung haben, die sie eigentlich verdient haben. Darum schreibe ich die Lieder über sie."
(Diese Lange Nacht ist eine Wiederholung vom 15./16.11.2008)
Produktion dieser Langen Nacht:
Autor: Ralf Bei der Kellen, Regie: Rita Höhne, Sprecher: Stefan Kaminski, Markus Hoffmann, Redaktion: Dr. Monika Künzel, Webproduktion: Jörg Stroisch
Autor: Ralf Bei der Kellen, Regie: Rita Höhne, Sprecher: Stefan Kaminski, Markus Hoffmann, Redaktion: Dr. Monika Künzel, Webproduktion: Jörg Stroisch
Über den Autor:
Ralf Bei der Kellen ist Journalist, Moderator und Autor. Unter anderem moderiert er im Deutschlandfunk Kultur das Sonntagsrätsel, eine sehr alten Hörfunksendung, die bereits 1965 auf Sendung ging.
Ralf Bei der Kellen ist Journalist, Moderator und Autor. Unter anderem moderiert er im Deutschlandfunk Kultur das Sonntagsrätsel, eine sehr alten Hörfunksendung, die bereits 1965 auf Sendung ging.