Bis heute bezeichnen die Franzosen die Epoche zwischen Rokoko und Revolution als das Zeitalter Voltaires.
Die außergewöhnliche literarische Begabung Voltaires, 1694 als jüngster Sohn eines königlichen Hofrats im Herzen von Paris geboren, macht sich früh bemerkbar. Doch erst als er 1726 nach einem Konflikt mit einem Mitglied des Hochadels ins Londoner Exil gehen musste und mit dem naturwissenschaftlich-kritischen Denken des englischen Empirismus in Berührung kam, entwickelte sich das "enfant terrible" des literarischen Rokoko zum begeisterten Vertreter der Aufklärung. Seine "Philosophischen Briefe" von 1734 waren eine schonungslose Abrechnung mit den französischen Verhältnissen.
Sein Streben nach Anerkennung trieb ihn an den Hof von Versailles, an dem er mittels hemmungsloser Selbstverleugnung eine glänzende Stellung gewann – bis er schließlich in Ungnade fiel. Als die Marquise du Châtelet, die große Liebe seines Lebens, 1749 im Kindbett starb, folgte er einem Ruf Friedrich des Großen an den Potsdamer Hof, doch das preußische Intermezzo endete nach nur drei Jahren ähnlich unrühmlich wie sein Abschied von Versailles.
Seine historische Bedeutung beruht jedoch vor allem auf dem Schaffen in den folgenden Jahren, fern des höfischen Lebens. Er vollendete sein philosophisches Hauptwerk und eine Universalgeschichte, die in der Geschichtswissenschaft neue Maßstäbe setzte.
Nebenbei engagierte er sich als Anwalt der Entrechteten, was ihm im französischen Volk den Beinamen "Freund der Unglücklichen" eintrug und dazu führte, dass sich seine späte Rückkehr in seine Heimatstadt Paris zu einem wahren Triumphzug gestaltete.
Die Lange Nacht über den Höfling und Revolutionär versucht eine Annäherung an das wechselvolle Leben des Francois Marie Arouet, genannt Voltaire.
Die außergewöhnliche literarische Begabung Voltaires, 1694 als jüngster Sohn eines königlichen Hofrats im Herzen von Paris geboren, macht sich früh bemerkbar. Doch erst als er 1726 nach einem Konflikt mit einem Mitglied des Hochadels ins Londoner Exil gehen musste und mit dem naturwissenschaftlich-kritischen Denken des englischen Empirismus in Berührung kam, entwickelte sich das "enfant terrible" des literarischen Rokoko zum begeisterten Vertreter der Aufklärung. Seine "Philosophischen Briefe" von 1734 waren eine schonungslose Abrechnung mit den französischen Verhältnissen.
Sein Streben nach Anerkennung trieb ihn an den Hof von Versailles, an dem er mittels hemmungsloser Selbstverleugnung eine glänzende Stellung gewann – bis er schließlich in Ungnade fiel. Als die Marquise du Châtelet, die große Liebe seines Lebens, 1749 im Kindbett starb, folgte er einem Ruf Friedrich des Großen an den Potsdamer Hof, doch das preußische Intermezzo endete nach nur drei Jahren ähnlich unrühmlich wie sein Abschied von Versailles.
Seine historische Bedeutung beruht jedoch vor allem auf dem Schaffen in den folgenden Jahren, fern des höfischen Lebens. Er vollendete sein philosophisches Hauptwerk und eine Universalgeschichte, die in der Geschichtswissenschaft neue Maßstäbe setzte.
Nebenbei engagierte er sich als Anwalt der Entrechteten, was ihm im französischen Volk den Beinamen "Freund der Unglücklichen" eintrug und dazu führte, dass sich seine späte Rückkehr in seine Heimatstadt Paris zu einem wahren Triumphzug gestaltete.
Die Lange Nacht über den Höfling und Revolutionär versucht eine Annäherung an das wechselvolle Leben des Francois Marie Arouet, genannt Voltaire.
"Wenn die Welt heute nur noch zu zwei Fünfteln aus Schurken und zu drei Achteln aus Idioten besteht, so ist das zu einem guten Teil Voltaire zu verdanken", notierte Egon Friedell in seiner "Kulturgeschichte der Neuzeit". Wie kein zweiter verkörpert Voltaire die Epoche der Aufklärung: ihre Eleganz, ihren Erkenntnishunger, ihren republikanischen Mut – nicht zuletzt die enge Verbindung von naturwissenschaftlich-philosophischer Erkenntnis und dem praktischen Interesse an einer Förderung der menschlichen Wohlfahrt. Bis heute bezeichnen die Franzosen das 18. Jahrhundert voller Respekt als das "Zeitalter Voltaires", ganz so wie sie die Epoche zuvor als das "Zeitalter Ludwig XIV." charakterisieren.
Wenn Voltaire, wie Goethe in einem schönen Gleichnis bemerkte, tatsächlich alle Merkmale seiner Zeit in seiner Person vereinte, kann man ihm keinen Vorwurf daraus machen, dass sich in seiner Physiognomie auch Schönheitsfehler finden. Der bürgerliche Schriftsteller, der mit gekrönten Häuptern korrespondierte, verkörperte nicht nur die Vernunftidee einer neuen und freieren Welt, sondern auch die Mängel und Irrtümer, Untugenden und Widersprüche der alten: Jener Welt des Rokoko, der er entstammte, in der er lebte und als Höfling Karriere machte. Und die er schließlich zu stürzen half, indem er die Figur des Intellektuellen entwarf, der sich im Namen universeller Werte mit den Mächtigen anlegt.
Voltaire über die Kirche und religiösen Fanatismus
"Wenn es feststeht, dass die Geschichte der Kirche eine ununterbrochene Folge von Konflikten, Verleumdungen, Torturen, Betrügereien, Rauben und Morden ist, dann ist damit erwiesen, dass jene Ausschreitungen in der Sache selbst begründet sind, ebenso wie erwiesen ist, dass der Wolf immer ein Raubtier war und dass es sich keineswegs um vorübergehende Ausschreitungen handelt, wenn er unsere Schafe reißt." (Das Diner beim Grafen Boulainvilliers)
"Was für ein Netz von Betrügereien, Verleumdungen, Schurkereien haben die Fanatiker der römischen Kurie gegen die Fanatiker Calvins, die Jesuiten gegen die Jansenisten gesponnen, et vicissim! Gehen wir weiter zurück, so erweist sich die Kirchengeschichte nicht nur als eine Schule der Tugend, sondern auch als eine Schule der Ruchlosigkeit in den Beziehungen der Sekten untereinander. Sie tragen alle die gleiche Binde vor den Augen, ob es nun darum geht, die Städte und Dörfer ihrer Gegner in Brand zu stecken und die Einwohner zu erwürgen oder zu foltern, oder ganz einfach darum, zu betrügen, sich zu bereichern und zum Herrn aufzuwerfen. Der Fanatismus macht sie blind, sie glauben, recht zu tun. Alle Fanatiker sind Schurken mit gutem Gewissen und morden in gutem Glauben an eine gute Sache." (Über die Toleranz)
"Die Religion ist keine bekömmliche Nahrung für solche verseuchten Seelen; in den infizierten Gehirnen wird sie zum Gift. Solche Leute sind überzeugt, dass der Geist, von dem sie besessen sind, über den Gesetzen steht (…). Was soll man einem Menschen entgegenhalten, der sagt, er wolle lieber Gott als den Menschen gehorchen, und daher überzeugt ist, in den Himmel zu kommen, wenn er einem den Hals abschneidet?" (Über die Toleranz)
"Der Rat Dubourg, der Domherr Chauvin, genannt Calvin, der spanische Arzt Servet, der Calabrese Gentilis dienten demselben Gott. Dennoch ließ der Präsident Minard den Rat Dubourg hängen; und die Freunde Dubourgs ließen Minard ermorden; und Jean Calvin ließ den Arzt Servet auf dem Scheiterhaufen verbrennen und hatte den Trost, viel dazu beigetragen zu haben, dass dem Calabresen Gentilis der Kopf abgeschlagen wurde; und die Nachfolger Calvins ließen Antonius verbrennen. Sind Vernunft, Gottesfurcht und Gerechtigkeit schuld an diesen Morden?" (Republikanische Ideen)
"Heute versteht man unter Fanatismus einen finsteren und grausamen religiösen Wahn, eine Geisteskrankheit, die man sich zuzieht wie die Blattern. Sie wird weniger durch Bücher als durch Versammlungen und Reden verbreitet. Beim Lesen ereifert man sich selten und kann einen kühlen Kopf bewahren. Aber wenn ein fantasiebegabter Hitzkopf auf einen weniger fantasievollen Menschen einredet, glühen seine Augen und die Glut steckt an; sein Tonfall, seine Gesten überwältigen die Zuhörer. Gott blickt auf euch, ruft er aus, gebt alles hin, was irdisch ist, führe des Herrn Kriege! Und das geschieht denn auch." (Philosophisches Wörterbuch)
"Der Aberglaube scheint eine Epidemie zu sein, gegen die auch die stärksten Geister nicht immer gefeit sind. Irgendjemand verbreitet in der Welt, es gäbe einen siebzig Fuß großen Riesen, und bald darauf stellen alle Gelehrten Betrachtungen darüber an, welche Farbe sein Haar haben muss, wie lang sein Daumen ist, wie groß seine Nägel sind. Man schreit sich an, intrigiert, prügelt sich. Diejenigen, welche behaupten, der kleine Finger des Riesen messe nur knapp 4 Zentimeter im Durchmesser, lassen diejenigen verbrennen, welche erklären, der kleine Finger sei einen Fuß dick. »Aber, meine Herren, existiert denn ihr Riese überhaupt?«, fragt ein Vorübergehender bescheiden. »Welch schauderhafter Zweifel!«, schreien alle die gelehrten Streiter. »Welche Lästerung! Was für ein Unsinn!« Dann schließen sie kurz Waffenstillstand, um den Frager zu steinigen, und nachdem sie ihn auf die erbaulichste Weise in aller Form umgebracht haben, prügeln sie sich weiter um den kleinen Finger und um die Nägel." (Philosophisches Wörterbuch)
"Überall, Sire, gibt es diese gleichermaßen absurden wie bösartigen Geister, die glauben, dass man keine Religion habe, wenn man nicht zur ihrer Sekte gehört. (…) Sie wissen nicht, diese armen Tröpfe, dass der wahre Gottesdienst, die wahre Frömmigkeit, die wahre Weisheit darin bestehen, Gott als den einen Vater aller Menschen anzubeten, ohne jeden Unterschied, und gute Werke zu tun. Sie wissen nicht, dass die Religion nicht aus den Träumereien braver Quäker besteht, noch aus denen guter Wiedertäufer oder Pietisten, noch aus der Leibwerdung von Brot und der Blutwerdung von Wein, noch aus einer Pilgerfahrt gen Notre-Dame de Lorette, gen Notre-Dame des Neiges oder gen Notre-Dame der Sieben Schmerzen; sondern vielmehr aus dem Wissen um das Höchste Wesen, das die ganze Natur erfüllt, und aus Tugend." (Brief an Friedrich den Großen)
… über die Inquisition:
"Die Inquisition ist bekanntlich eine bewunderungswürdige und wahrhaft christliche Erfindung, um den Papst und die Mönche mächtiger zu machen und ein ganzes Reich zur Heuchelei zu zwingen. Man wird auf die bloße Denunziation der niederträchtigsten Subjekte hin ins Gefängnis geworfen; ein Sohn kann seinen Vater, eine Frau ihren Mann anzeigen; niemals wird man seinen Anklägern gegenübergestellt; das Vermögen wird zugunsten der Richter beschlagnahmt. Darin liegt etwas Göttliches, Unbegreifliches, denn es ist wirklich unbegreiflich, dass die Menschen dieses Joch geduldig getragen haben." (Philosophisches Wörterbuch)
"Da ist ein Priester im Chorhemd; da ist ein Mönch, der Demut und Sanftmut gelobt hat und in unterirdischen, weitverzweigten Gefängnissen Menschen den grausamsten Martern unterwirft. Sodann ist da eine mitten auf einem öffentlichen Platz errichtete Bühne, auf der man im Gefolge einer Prozession von Mönchen und Bruderschaften alle Verurteilten zum Scheiterhaufen führt. Man singt, man zelebriert die Messe, und man tötet Menschen. Ein Asiate, der am Tage einer solchen Exekution nach Madrid käme, wüsste nicht, ob dies eine Volksbelustigung, ein religiöses Fest, eine Opferung oder ein Gemetzel darstellt, und es ist dies alles zusammen. Die Könige, deren alleinige Anwesenheit genügt, um einen Verbrecher zu begnadigen, wohnen diesem Schauspiel barhäuptig bei und schauen zu, wie ihre Untertanen in den Flammen ihr Leben aushauchen. Man warf Montezuma vor, dass er Gefangene seinen Göttern opferte. Was würde er wohl gesagt haben, wenn er ein Autodafé gesehen hätte?" (Essay über den Geist und die Sitten der Nationen)
"Theologisch gesprochen, wissen wir wohl, dass die Römische Kirche, die allein recht haben konnte, im Recht war, wenn sie all diejenigen, die eine von der ihrigen abweichende Meinung vertraten, verdammte. Aber mit welcher Begründung verbrannte man, wenn man der Stärkere war, diejenigen, die andere Ansichten vertraten? Vor Gott hatten sie sich zweifellos strafbar gemacht, denn sie waren verstockt. Sie mussten also, daran besteht kein Zweifel, die ganze Ewigkeit hindurch im Jenseits braten. Aber warum ließ man sie schön langsam bereits im Diesseits schmoren? Die frommen Seelen erwiderten, nichts sei gerechter, als jeden, der eine eigene Meinung zu vertreten wage, auf glühende Kohlen zu legen; man entspreche dem Willen Gottes, wenn man alle, die er selbst verbrennen müsse, seinerseits verbrennen lasse, und schließlich habe es, da eine oder zwei Stunden Qualen auf dem Scheiterhaufen im Vergleich zur Ewigkeit gleich Null seien, sehr wenig zu sagen, wenn man fünf oder sechs Provinzen ihrer abweichenden Meinungen oder irgendwelcher Ketzereien wegen ausrotte. Man fragt sich heute, bei welchen Menschenfressern diese Probleme aufgeworfen und praktisch gelöst worden sind. Wir müssen gestehen, dass dies bei uns geschah, in den gleichen Städten, in denen man sich nur für Opern, Komödien und Bälle, für die Mode und die Liebe interessiert." (Philosophisches Wörterbuch)
… über Gott:
"Zuverlässig besteht die Religion in Tugend und nicht in den Worten der Theologen. Die Moral kommt von Gott und ist überall gleich. Die Theologie stammt von den Menschen und ist überall verschieden. Wenn Jesus Christus heute wieder auf die Erde käme, würde er sich in einem einzigen von denen wiedererkennen, die sich den Namen Christen geben?"
"Mit Cicero müssen wir bekennen, dass wir vom Wesen der Gottheit nichts wissen, und wir werden niemals mehr darüber wissen als er. Die Philosophenschulen reden nutzloses Zeug, wenn sie sagen, dass Gott sich im Unendlichen ausschließt, ohne sich uns zu entziehen, dass er das Erste, das Mittlere und das Letzte und dass er überall ist, ohne an irgendeinem Ort zu sein. Hundert Seiten Kommentare über solche Definitionen können uns nicht die geringste Erleuchtung geben. Wir fühlen, dass wir unter der Hand eines unsichtbaren Wesens leben: Das ist alles, und darüber hinaus können wir nicht weiter vordringen. Sinnlose Vermessenheit ist es, herausbekommen zu wollen, was dieses Wesen ist, ob ausgedehnt oder nicht, ob an einem Ort existierend oder nicht, wie es existiert und wie es wirkt." (Philosophisches Wörterbuch)
"Ich glaube, dass es ein intelligentes Wesen, eine bildende Kraft, einen Gott gibt. Über alles weitere tappe ich im Finstern. Heute behaupte ich eine Idee, morgen zweifle ich daran, übermorgen leugne ich sie, und jeden Tag kann ich mich irren. Alle ehrlichen Philosophen, wenn sie einmal von der Leber weg sprechen, haben mir gestanden, dass es ihnen nicht anders gehe.""
"Atheismus ist vielleicht nicht so verderblich wie Fanatismus, aber der Tugend ist es fast immer abträglich." (Philosophisches Wörterbuch)
"Noch einmal, lasst uns Gott verehren, ohne in seine Geheimnisse eindringen zu wollen." (Philosophische Briefe)
… und die Welt:
"Lügen ist nur ein Laster, wenn es Böses stiftet, dagegen eine sehr große Tugend, wenn dadurch Gutes bewirkt wird."(Brief an den Freund Thieriot)
"Unser Dasein ist ein Punkt, unser Leben ein Augenblick, unser Planet ein Atom. Kaum hat man begonnen, sich ein wenig auszukennen, kommt der Tod, ehe man erfahren ist. Ich für meinen Teil wage keine Pläne zu machen; ich empfinde mich wie ein Wassertropfen im unermesslichen Ozean." (Mikromegas)
"Ich habe einen Mann gekannt, der fest überzeugt war, dass das Summen einer Biene nach ihrem Tode nicht fortdaure. Er meinte mit Epikur und Lukrez, dass es lächerlich sei, ein unausgedehntes Wesen vorauszusetzen, das ein ausgedehntes Wesen regiere, und noch dazu so schlecht ... Er sagte, die Natur habe es so eingerichtet, dass wir mit dem Kopfe denken, wie wir mit den Füßen gehen. Er verglich uns mit einem musikalischen Instrument, das keinen Ton mehr gibt, wenn es zerbrochen ist. Er behauptete, es sei augenscheinlich, dass der Mensch, wie alle anderen Tiere, alle Pflanzen und vielleicht alle Wesen der Welt überhaupt, gemacht sei, um zu sein und nicht mehr zu sein. . . . Auch pflegte dieser Mann, nachdem er so alt geworden war wie Demokrit, es ebenso zu machen wie Demokrit und über alles zu lachen." (Brief an die Marquise du Deffand)
"Kein Zweifel, alle Konzilien sind unfehlbar; denn sie setzen sich aus Männern zusammen. Es ist also unmöglich, dass in diesen Versammlungen jemals Leidenschaften, Intrigen, Streitsucht, Hass, Eifersucht, Vorteil, Ignoranz herrschen." (Philosophisches Wörterbuch)
"Wenn ich bedenke, dass ein Verrückter und Taugenichts wie Ignatius ein Dutzend Proselyten fand, die ihm nachfolgten, und dass ich keine drei Philosophen aufzutreiben vermochte, dann war ich oft versucht zu glauben, dass Vernunft zu rein gar nichts nutze ist." (Brief an Friedrich den Großen)
"Die Schleuse eines Kanals, die zwei Meere verbindet, ein Bild von Poussin, eine schöne Tragödie, eine an den Tag gebrachte Wahrheit sind tausendmal wertvoller als alle Annalen des Hofes, als alle Berichte über Feldzüge. Sie wissen, dass mir die großen Männer als die ersten erscheinen, die Helden aber als die letzten. Groß nenne ich die Männer, die sich im Nützlichen und Angenehmen hervorgetan haben. Die Verwüster von Provinzen sind nur Helden." (Brief an den Freund Thieriot)
… über Philosophie und Aufklärung:
"Ich bleibe dabei, dass hunderttausend Leute, die einen Toten haben auferstehen sehen, sehr wohl hunderttausend Leute sein können, die Gespenster sehen." (Brief an d‘Alembert)
"Nachdem so viele Verstandesmenschen den Roman der Seele verfasst hatten, ist ein Weiser gekommen, der bescheiden ihre Geschichte darstellte. Locke hat den Mensch und die menschliche Vernunft auseinandergesetzt, wie ein hervorragender Anatom den menschlichen Körper erklärt." (Philosophische Briefe)
"Leute, die nicht denken können, fragen oft denkende Menschen, wozu die Philosophie gut gewesen sei. Die denkenden Menschen werden ihnen erwidern: Dazu, in England dem religiösen Wahnsinn ein Ende zu machen; dazu, es in Schweden einem Erzbischof unmöglich zu machen, mit einer Bulle des Papstes in der Hand das Blut des Adels zu vergießen; dazu, in Deutschland alle theologischen Streitigkeiten lächerlich zu machen und so den Religionsfrieden aufrechtzuerhalten; schließlich dazu, in Spanien die abscheulichen Scheiterhaufen der Inquisition zum Erlöschen zu bringen. Ihr unseligen Barbaren, die Philosophie verhindert es, dass stürmische Zeiten uns eine zweite Fronde bringen." (Philosophisches Wörterbuch)
"Solange ich noch einen Lebensfunken habe, stehe ich den hochachtbaren Autoren der Enzyklopädie zu Diensten: Ich werde mich sehr geehrt fühlen, wenn ich, sei es auch nur geringfügig, zu dem größten und schönsten Denkmal der Nation und der Literatur. Ich entbiete meine herzlichsten Grüße allen, die daran arbeiten." (Brief an d‘Alembert)
"In der Philosophie muss man allem misstrauen, was man leicht zu verstehen meint, genauso wie dem, was man nicht versteht." (Philosophische Briefe)
… über Toleranz:
"Von allen Religionen ist es wohl die christliche, welche am meisten für die Toleranz begeistern muss, obwohl bis heute die Christen am intolerantesten von allen Menschen sind." (Über die Toleranz)
"Es hat nie eine Zeit gegeben, wo die christliche Kirche eins gewesen wäre. Sie ist geboren mitten aus den Zwistigkeiten der Juden: jener Samariter, Pharisäer, Sadduzäer, Essener, Judaiten. Zerteilt war sie schon in ihrer Wiege, zerteilt ist sie sogar in den Verfolgungen gewesen, die sie unter den ersten Kaisern manchmal ausstand. Häufig galt der Märtyrer seinen Brüdern für abtrünnig; unter dem Schwert römischer Henker starb der karpokratianische Christ, verstoßen vom ebionitischen Christen, welchen der sabellianische Christ verfluchte. Diese grässliche Zwietracht, die schon so viele Jahrhunderte dauert, ist eine aufrüttelnde Lehre, uns wechselseitig unsere Irrtümer zu verzeihen. Der menschlichen Gattung schlimmstes Übel ist die Zwietracht, und deren alleiniges Heilmittel ist die Toleranz." (Über die Toleranz)
"Wehe dem, der jetzt noch Calvinist oder Papist ist! Wird man sich denn niemals damit begnügen, Christ zu sein? Ach, Jesus Christus hat niemanden verbrennen lassen. Er hätte Jan Hus und Servet zum Essen eingeladen."
"Es bedarf keiner großen Kunst, keiner gesuchten Beredsamkeit, um zu beweisen, dass die Christen einander zu dulden schuldig sind. Ich gehe weiter; ich sage, man muss alle Menschen wie seine Brüder ansehen. – Wie, der Türke mein Bruder? Der Chinese, der Jude, der Siameser mein Bruder? – Ja, zuverlässig. Denn sind wir nicht alle Kinder eines Vaters? Hat uns nicht ein Gott erschaffen?" (Über die Toleranz)
"Eine neue Generation, die den Fanatismus verabscheut, ist im Werden. Einst werden Philosophen die ersten Stellen einnehmen. Das Reich der Vernunft wird schon vorbereitet." (Philosophisches Wörterbuch)
Stimmen zu Voltaire:
Johann Wolfgang von Goethe: "Wenn Familien sich lange erhalten, so kann man bemerken, dass die Natur endlich ein Individuum hervorbringt, das die Eigenschaften seiner sämtlichen Ahnherren in sich begreift und alle bisher vereinzelten und angedeuteten Anlagen vereinigt und vollkommen ausspricht. Ebenso geht es mit Nationen, deren sämtliche Verdienste sich wohl einmal, wenn es glückt, in einem Individuum aussprechen. So entstand in Ludwig dem XIV. ein französischer König im höchsten Sinne, und ebenso in Voltaire der höchste unter den Franzosen denkbare, der Nation gemäßeste Schriftsteller. Tiefe, Genie, Anschauung, Erhabenheit, Naturell, Talent, Verdienst, Adel, Geist, schöner Geist, guter Geist, Gefühl, Sensibilität, Geschmack, guter Geschmack, Verstand, Richtigkeit, Schickliches, Ton, guter Ton, Hofton, Mannigfaltigkeit, Fülle, Reichtum, Fruchtbarkeit, Wärme, Magie, Anmut, Grazie, Gefälligkeit, Leichtigkeit, Lebhaftigkeit, Feinheit, Brillantes, Saillantes, Petillantes, Pikantes, Delikates, Ingeniöses, Stil, Versifikation, Harmonie, Reinheit, Korrektion, Eleganz, Vollendung. Von allen diesen Eigenschaften und Geistesäußerungen kann man vielleicht Voltairen nur die erste und die letzte, die Tiefe in der Anlage und die Vollendung in der Ausführung, streitig machen." (Anmerkungen zu Rameaus Neffe)
Friedrich Nietzsche: "Voltaire war der letzte der großen Dramatiker, welcher seine vielgestaltige, auch den größten tragischen Gewitterstürmen gewachsene Seele durch griechisches Maß bändigte (…); wie er auch der letzte große Schriftsteller war, der in der Behandlung der Prosa-Rede griechisches Ohr, griechische Künstler-Gewissenhaftigkeit, griechische Schlichtheit und Anmut hatte; ja wie er einer der letzten Menschen gewesen ist, welche die höchste Freiheit des Geistes und eine schlechterdings unrevolutionäre Gesinnung in sich vereinigen können, ohne inkonsequent und feige zu sein. Seitdem ist der moderne Geist mit seiner Unruhe, seinem Hass gegen Maß und Schranke, auf allen Gebieten zur Herrschaft gekommen.""(Menschliches, Allzumenschliches)
Heinrich Mann: "Voltaire ist der Bürger, dessen Wehrbarkeit der Geist ist (…).Goethe hat zur Menschheit die hohe, ferne Liebe eines Gottes zu seiner Schöpfung; Voltaire kämpft für sie im Staub. Er ist einseitig und will nicht anders sein. Er ist die Revolte des Menschen gegen die Natur, gegen ihre Stumpfheit und Langsamkeit, Ungerechtigkeit und Härte. Ihrem dummen Ernst sticht er Wunden mit seinem Witz, der menschlichsten Erfindung. Er hasst alles Herkömmliche, unbewusst Gewordene, das sich dem Gedanken, der Kritik entziehen möchte." (Voltaire – Goethe)
Hugo Friedrich: "Nicht alle, aber die meisten Züge der französischen Aufklärung sind in ihm aufs Reinste verkörpert. Analytisches Denken in scharfer begrifflicher Fassung. Mut zur Einfachheit, Misstrauen gegen ungeprüfte Herkömmlichkeiten, ein aus der Selbstsicherheit der Vernunft geborener Witz, Abneigung gegen Metaphysik und Systemstrenge, Heiterkeit als Ausweis der Wahrheit und Freiheit, kühle Grazie, Höflichkeit, Behendigkeit, Unlust zu erdhaften oder dichterischen Urgewalten: Diese Züge des Zeitalters sind auch die seinen." (Nachwort zum Candide)
Egon Friedell: "Für junge Schriftsteller hatte er immer Rat und Geld übrig (…) Er ließ die Nichte Corneilles auf seine Kosten erziehen, verschaffte ihr durch die von ihm besorgte und kommentierte Neuausgabe Corneilles eine reiche Mitgift und schenkte ihr bei der Geburt ihres ersten Kindes zwölftausend Livres. Er kommentierte das mit den Worten: ‚Es gehört sich für einen alten Soldaten, der Tochter seines Generals nützlich zu sein.‘" (Kulturgeschichte der Neuzeit)
Voltaire, kurz vor seinem 80. Geburtstag, über sich: "J'en reviens toujours à Candide: il faut finir par cultiver son jardin; tout le reste, exepté l'amitié, est bien peu de chose; et encore cultiver son jardin n‘est pas grande chose." (Brief an den Freund d'Argenson)
Quellen:
Voltaire "Philosophisches Wörterbuch", Reclam-Verlag, 1984
Voltaire "Philosophische Briefe", Ullstein Verlag, 1985
Voltaire "Republikanische Ideen", hrsg. v. Günther Mensching, Syndikat/EVA, 1986
Voltaire "Über die Toleranz", Suhrkamp Verlag Berlin, 2015
Voltaire "Der unwissende Philosoph und kleinere Schriften", matrixverlag, 2015
"Voltaire – Friedrich der Große. Briefwechsel", Haffmanns Verlag Zürich, 1992
Voltaire "Sämtliche Romane und Erzählungen" (2 Bd.), Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung Leipzig
Georg Holmsten "Voltaire", Rowohlt, 2002 (Reihe rororo)
Matthias Jung "Voltaire – Die Waffe des Geistes"; emu-verlag, 2007
Ernst Hinrichs (u.a.) "Voltaire in Deutschland", hrsg. v. d. Lessing-Akademie, Wallstein-Verlag, 1996
Voltaire "Korrespondenz aus den Jahren 1749–1760", Röderberg-Verlag, 1978
James Boswell "Besuch bei Rousseau und Voltaire", Athenäum Taschenbuch, 1990
Voltaire "Philosophisches Wörterbuch", Reclam-Verlag, 1984
Voltaire "Philosophische Briefe", Ullstein Verlag, 1985
Voltaire "Republikanische Ideen", hrsg. v. Günther Mensching, Syndikat/EVA, 1986
Voltaire "Über die Toleranz", Suhrkamp Verlag Berlin, 2015
Voltaire "Der unwissende Philosoph und kleinere Schriften", matrixverlag, 2015
"Voltaire – Friedrich der Große. Briefwechsel", Haffmanns Verlag Zürich, 1992
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Georg Holmsten "Voltaire", Rowohlt, 2002 (Reihe rororo)
Matthias Jung "Voltaire – Die Waffe des Geistes"; emu-verlag, 2007
Ernst Hinrichs (u.a.) "Voltaire in Deutschland", hrsg. v. d. Lessing-Akademie, Wallstein-Verlag, 1996
Voltaire "Korrespondenz aus den Jahren 1749–1760", Röderberg-Verlag, 1978
James Boswell "Besuch bei Rousseau und Voltaire", Athenäum Taschenbuch, 1990