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Eine Lange Nacht über die total vernetzte Welt
Das Flüstern der Dinge

Das Internet hat die Welt vernetzt. Email, das World Wide Web oder soziale Netzwerke werden von Milliarden Menschen überall auf dem Globus genutzt. Die Folgen dieser Vernetzung sind allgegenwärtig: Arbeitsbedingungen werden globalisiert, soziale Strukturen verändern sich dramatisch.

Eine Sendung von Manfred Kloiber und Jan Rähm |
    Ein Mann sitzt auf einem Stuhl, auf dessen Rückenlehne "Internet here!" steht, neben ihm ein identischer Stuhl und ein Computerbildschirm
    Internet und Digitalisierung - eine Zeitenwende für die gesamte Menschheit (dpa/picture alliance/Maximilian Schönherr)
    Aus dem Internet als einem Entwurf der Freiheit wurde inzwischen ein Instrument extremer staatlicher Überwachung. Mit Menschen allein gibt sich das Internet nicht zufrieden: Die IT-Industrie ist dabei, auch alle Dinge um uns herum zu vernetzen.
    Die Zukunft hat bereits begonnen
    Im "Internet der Dinge" soll allem, was bisher auf menschliche Steuerung angewiesen war, ein Eigenleben eingehaucht werden. So entstehen einerseits neue hybride Produkte wie intelligente Zahnbürsten, die beim Putzen auf die Zeit und die Intensität der Pflege achten oder clevere Mülltonnen, die die Müllabfuhr rechtzeitig bestellen. Fitnessarmbänder, die unsere Gesundheitsdaten an eine App auf dem Handy senden, werden immer beliebter. In der Logistikbranche, wo Millionen von Gegenständen möglichst minutengenau bereitstehen müssen, sind solche Systeme gang und gäbe.
    Das Potenzial der intelligenten Dinge ist groß
    Schätzungen belaufen sich im zweistelligen Billionenbereich. Durch die totale Kommunikation vernetzter Dinge werden die Menschen in ihrem Verhalten und ihren Sehnsüchten komplett durchleuchtet und kalkulierbar. Die Systeme wissen mehr, als die Menschen, die sie berechnen. Doch anders als bei Goethes Zauberlehrling gibt es hier den alten Meister als regulierende Instanz nicht mehr. Online und Offline vermischen sich. Eine Lange Nacht über Chancen und Risiken in einer veränderten Lebenswelt.
    Dr. Constanze Kurz, Sprecherin des CCC
    Prof. Dr. Elgar Fleisch, ETH Zürich
    Robin Tech, Humboldt Institut
    Dr. Ulf Buermeyer, Landgericht Berlin

    Auszug aus dem Manuskript: Was ist eigentlich das Internet der Dinge?
    Gerald Santucci: "Ist heute die Rede von vernetzten Objekten, denken die meisten an zwei, drei Dinge wie iPad, Smartphone oder Laptop. Aber wenn wir vom Internet der Dinge sprechen, denken wir an eine Ära, in der nahezu alle technischen Geräte um uns herum intelligent und vernetzt sind."
    Gerald Santucci ist seit Jahren schon bei der Europäischen Kommission für die Forschung rund um das Internet der Dinge zuständig. Das "Internet der Dinge", das sind also viele Geräte und Gegenstände, die miteinander verbunden sind und interagieren. Das kann die Waschmaschine sein, die dank des vernetzten Stromzählers weiß, wann sie die Wäsche besonders günstig waschen kann. Es können aber auch einfach nur Sensoren sein, die messen, Daten sammeln und miteinander kommunizieren. Dinge zum Vernetzen gibt es viele: Ampeln, Verkehrsschilder, Autos, Heizanlagen und noch viel mehr. Welchen Sinn diese Vernetzung hat, erklärt Ovidiu Vermesan. Er leitet die Forschungs-Abteilung für Kommunikationssysteme bei der norwegischen "Stiftung für industrielle und technische Forschung" SINTEF.
    Ovidiu Vermesan: "Das Internet der Dinge bringt Informationen aus allen möglichen Quellen zusammen und verknüpft diese Daten auf unterschiedlichste Art und Weise. So wird dann neues Wissen geschaffen. Das ist ein bisschen wie unser Gehirn, oder besser, unser Hirn in virtueller Form. Denn genau so wie sich die zahllosen Neuronen immer neu verbinden, verbinden wir die Sensoren und Netzknoten und die drahtlosen Netze auf ganz neue Art. So schaffen wir neue Ideen, neue Dienstleistungen und neue Produkte."
    Auszug aus dem Manuskript: Smart Home - Das vernetzte Zuhause
    Mit der passenden App kann…
    Roland Stehle: "… man also über Smartphones und Tablet-PCs Informationen zu dem Zustand der Geräte bekommt, dass auf der anderen Seite auch die Geräte über das Internet zum Service beispielsweise Informationen übermitteln können bei Störungen und dass man beispielsweise auch für Herde entsprechend zusätzliche Rezepte abrufen kann. Das sind alles so diese Dinge, die mittlerweile Einzug halten."
    Roland Stehle, Pressesprecher bei der Gesellschaft für Unterhaltungs- und Kommunikationselektronik gfu, erklärt am Beispiel eines modernen Herdes die Vorzüge der neuen vernetzten Hausgeräte. Doch noch fehlen wirklich sinnvolle Funktionen. Klar, es macht Eindruck, wenn die Multifunktionsküchenmaschine ein Rezept aus dem Internet lädt und man als Besitzer nur noch den Anweisungen auf dem Display folgen muss. Aber warum die Waschmaschine mit dem Internet verbunden sein soll, das fragt man sich schon. So auch der Hacker Sascha Ludwig vom Chaos Computer Club.
    Sascha Ludwig: "Also im Falle von der Waschmaschine wüsste ich jetzt keinen wirklich sinnvollen Grund, wenn man unterwegs ist, dass man zum Beispiel dann weiß, dass die Waschmaschine jetzt ausgeräumt werden könnte. Wenn ich nicht vor Ort bin, dann nützt mir diese Information überhaupt nichts." So sind die Zugänge zum Netz oft gar nicht sinnvoll. Schlimmer noch, sie bringen auch handfeste Risiken mit sich. Wenn Hersteller beispielsweise die Gewohnheiten ihrer Kunden auswerten, ist das noch ein vergleichsweise kleines Übel. Wirklich unangenehm wird es, wenn Angreifer die Steuerung der Energiezufuhr via Smartmeter manipulieren oder einfach nur den Herd auf höchste Stufe schalten und dem Besitzer schaden, in dem sie im wahrsten Sinne des Wortes Energie und damit bares Geld verbraten.
    Auszug aus dem Manuskript: Das Konzept hinter Industrie 4.0
    Die Vernetzung ist in der Industrie ist nicht ganz neu. Seit Jahren schon stehen Roboter in den Fertigungsstraßen. Dort wird computergestützt produziert und Lieferketten on Demand geplant. Doch diese Entwicklung hat sich seit einigen Jahren massiv beschleunigt. Kleinste Rechner und Sensoren sowie ausgeklügelte Programme und Algorithmen machen‘s möglich. Dabei geht es nicht um die Massenproduktion von Massenware. Sondern um die Massenproduktion von hochindividualisierten Einzelstücken. Die werden nun bezahlbar, beschreibt August Wilhelm Scheer einen der Vorzüge. Der Professor leitete viele Jahre als Direktor das Institut für Wirtschaftsinformatik an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken.
    August Wilhelm Scheer: "Ein ganz wichtiger Treiber von Industrie 4.0 ist die stärkere Personalisierung von Produkten. Wenn wir beispielsweise, um ein einfaches Beispiel zu nehmen, an Laufschuhe denken, so können wir heute in ein Geschäft gehen und sagen, wir haben eine Schuhgröße 41 und bekommen dann entsprechende Laufschuhe angeboten. Aber jeder Fuß ist unterschiedlich und in der Zukunft kann eben durch das Scannen des Fußes genau festgelegt werden, wie eben die Passform sein muss. Der Kunde kann gleichzeitig verschiedene Farben wählen. Er kann zwischen unterschiedlichen Materialien wählen und dann wird für diesen Kundenwunsch auch genau das entsprechende Produkt produziert."
    Das Schlagwort lautet: Industrie 4.0. Ein Begriff, der international Karriere machte. Henning Banthien, Generalsekretär der Plattform Industrie 4.0.
    Henning Banthien: "Industrie 4.0 ist ja so als Begriff in Deutschland vor rund fünf Jahren entstanden. Der Begriff als deutscher Begriff vielleicht in "Industry 4.0" übersetzt, wird international gebraucht. Die Chinesen sprechen eins zu eins von Industry 4.0, genauso die Japaner. Auch in Frankreich. Die haben "l'industrie 4.0", reden aber auch über die Industrie 4.0. Es ist ganz interessant zu sehen, dass dieses Thema, was ein sehr vielschichtiges komplexes ist, auch unter diesen Begriff zu packen und auch zu transportieren."
    Auszug aus dem Manuskript: Voll im Trend – Digitale Selbstvermessung
    Marie: "Ich gucke ab und zu am Tag mal drauf, damit ich halt sehe, wie viele Schritte ich gelaufen bin und mir dann halt auch mal so denke: Heute bist du aber wenig gelaufen, da kannst du dich aber mal mehr bewegen oder so." Mit ihrem neuen Smartphone kam quasi automatisch auch die Tracking-App zur digitalen Selbstvermessung in das Leben der 15-jährigen Marie. Das Programm protokolliert minutiös die individuellen Bewegungsmuster und soll so Bewegungs-Muffel auf Trapp bringen. Jörn Watzke, Produktmanager bei einem Hersteller für Fitnes-Armbänder:
    Jörn Watzke: "Wir wollen die Leute motivieren, im Prinzip sich mehr zu Bewegen und bei ihrem Sport, den sie haben, im Prinzip auch wirklich mehr Information zu kriegen und mehr Spaß davon zu haben. Wenn die Leute diese Uhr tragen, dann bewegen sie sich dreißig Prozent mehr am Tag als ohne. Und das senkt das Krebs- und auch das Herzinfarktrisiko dramatisch." Die intelligenten vernetzten Vermessungs-Apps nehmen inzwischen den ganzen Körper unter strenge Kontrolle. Prof. Ingo Froböse ist Leiter des Zentrums für Gesundheit durch Sport und Bewegung an der Deutschen Sporthochschule in Köln:
    Ingo Froböse: "Es gibt Messgeräte, die messen nur die Beschleunigung am Körper. (Das bedeutet also, dass sie Körperveränderungen insbesondere bezogen auf die Gelenke ermitteln.) Dann gibt es die ganzen Messgeräte, die den Blutdruck, die Herzfrequenz, die Atemfrequenz letztendlich auch die Körpertemperatur bestimmen. Es gibt mittlerweile Körpertemperaturmessgeräte für´s Ohr usw. Das bedeutet wir erfassen all jene Messwerte, die wir äußerlich registrieren können."
    Auszug aus dem Manuskript: Das vernetzte Auto
    Klaus Kompass:"Das Auto hat im Prinzip zwei direkte Verbindungen zum Internet der Dinge. Das eine ist, dass das Auto ein Sensor ist. Das heißt, das Auto stellt Daten zur Verfügung, die dann auch für verschiedenste Applikationen genutzt werden können, im einfachsten Fall für eine bessere, für eine zuverlässigere Verkehrsprognose und auf der anderen Seite, auch das Auto wird ganz intensiv die Daten aus der Cloud, aus dem Internet der Dinge nutzen können, um seine eigene Performance entsprechend zu verbessern."
    Klaus Kompass leitet die Hauptabteilung Fahrzeugsicherheit bei BMW. Für ihn ist klar: Ohne Internetanschluss wird bald kein Auto mehr unterwegs sein. Dafür aber ohne Fahrer. Noch ist es nicht ganz so weit, aber an die digitale Unterstützung im Auto haben sich die Fahrer von heute ja schon halbwegs gewöhnt. Zum Beispiel an den Abstandshalteassistent. Einparkassistent, Spurhalteassistent, Bremsassistent, Abstandshaltesystem und Anti-Blockier-System – das sind nur einige der Assistenzsysteme, die es heute gibt. Sie sollen den Menschen entlasten und das Fahren sicherer und komfortabler machen. Mark Vollrath, Professor für Ingenieur- und Verkehrspsychologie an der Technischen Universität Braunschweig.
    Mark Vollrath: " Man versucht die Arbeit zwischen Mensch und Fahrzeug so zu teilen, dass das Fahrzeug halt Dinge tut, die der Mensch nicht so gut kann. Zum Beispiel sehr, sehr lange Strecken aufmerksam bleiben. Das können Menschen ganz schlecht. Das können Maschinen sehr gut."
    Auszug aus dem Manuskript: Was ist BigData und was hat das mit dem IoT zu tun?
    Gerhard Lesch: "Wir haben mit einem Klimaanlagenhersteller, einem führenden, gearbeitet, der quasi bis heute Klimaanlagen auf Dächern installiert hat in großen Gebäuden, die er aber nach einem manuellen Prozess gewartet hat beziehungsweise, die auch sehr umautomatisiert quasi klimatisiert haben."
    Gerhard Lesch betreut beim Chip-Hersteller Intel den Bereich IoT, das Internet der Dinge. Ein Netzwerk aus Dingen und Datenverarbeitung, das wie keines zuvor auf Daten in ungeheurer Masse angewiesen ist. Diese Datenmengen nennt die Fachwelt: Big Data. Und auf Big Data setzt jetzt auch der Klimaanlagenhersteller.
    Gerhard Lesch: "Es ist eine Konstellation verschiedenster Datenquellen, die die dieser Hersteller sich dann zu Nutzen macht. Einmal die Daten von seinen eigenen Geräten, die er vertreibt. Das sind diese Klimaanlagen. Was er dazu macht, ist, er nimmt intelligente Gateways, um Daten von Sensoren auszulesen und die dann in ein Datencenter oder einen Kontrollraum übermittelt. Des Weiteren nimmt er dann Daten, die entweder von anderen Quellen, wie zum Beispiel vom Gebäudebetreiber oder von Wetterdiensten zur Verfügung gestellt werden."
    Alle Daten fließen in eine große Datenbank. Der Hersteller greift darauf zu und wertet die riesige Menge mit Hilfe ausgeklügelter Algorithmen aus. Mit den so gewonnenen Informationen kann der Hersteller seine Anlagen dann abhängig von den Umgebungsbedingungen steuern.
    Auszug aus dem Manuskript: Maschinelles Lernen und autonome Maschinen
    Wo Datenberge und starke Vernetzung zusammentreffen, da schafft es kein Mensch mehr, den Überblick zu behalten. Geschweige denn, daraus sinnvolle Schlüsse zu ziehen. Computer und Algorithmen müssen helfen. Je höher die entwickelt sind, umso eher gelten sie als intelligent. Denn sie entdecken dort Zusammenhänge und Lösungswege, wo der Mensch ob der schieren Daten-Flut den Überblick verliert. Dabei ist selbst die Programmierung dieser Algorithmen schon so komplex, dass Entwickler und Forscher dazu übergegangen sind, Maschinen selbst lernen zu lassen. Wie das funktioniert, erklärt der Saarbrücker Forscher Hans Uszkoreit vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz am Beispiel von Spracherkennungssoftware.
    Hans Uszkoreit: "Da sind vorher Lernprozesse im Gange gewesen, die entweder bei gesprochener Sprache die Muster lernen, beim Text vielleicht die Zeichen und Wortfolgen, dann aber auch syntaktische Regeln lernen aus Texten oder aus syntaktisch annotierten Texten, also bei Texten, denen man schon die Informationen zugeführt hat, was ist das Subjekt, was ist das Objekt, was ist das Verb. So daraus lernen die Systeme und diese Sachen gibt es auf allen Gebieten. Auch die Objekterkennung im Maschinensehen, also im automatischen Sehen, im Nachbilden des Auges für Prozesse, Kamera, Gesichter erkennen, Gegenstände erkennen, die funktionieren meist oder sehr sehr häufig mit maschinellem Lernen."
    Die Grenzen des Maschinenlernens und der KI, der künstlichen Intelligenz liegen dort, wo kreativ Gesetzmäßigkeiten und Zusammenhänge erkannt werden sollen, die nicht in das Muster von bereits erkannter Gesetzmäßigkeiten fallen. Kreativität, Intuition, Intention, tiefes Verstehen und Emotionen – für Maschinen sind das eigentlich Fremdworte.