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Eine Lange Nacht über die Zukunft der Volksparteien
Seht, was aus uns geworden ist!

Die Volksparteien CDU/CSU und SPD konnten bei den Landtagswahlen im Herbst letzten Jahres gemeinsam nicht einmal mehr als die Hälfte aller Wählerinnen und Wähler für sich gewinnen. Doch was bedeutet diese Fragmentierung für die Republik im 70. Jahr des Grundgesetzes?

Moderation: Birgit Wentzien |
Logos der Die Logos der Parteien CDU, CSU, SPD, die Grünen, FDP, Die Linke und AfD in einer Collage angeordnet. Im Bild ein weißer Stempel mit Schrift "Denkfabrik" des Deutschalndfunk
Welche Volksparteien wird es in Zukunft noch geben? (Deutschlandfunk - Die Nachrichten)
Oskar Lafontaine schmeißt im März 1999 als Bundesfinanzminister und als Parteichef der SPD hin. Lafontaine hatte seine Partei begeistert wie kaum ein anderer und dann verletzt wie kein Zweiter. Seine Geschichte ist das extreme Beispiel für Aufstieg und Fall eines SPD-Vorsitzenden. Neun Vorsitzende hat die SPD in knapp drei Jahrzehnten verschlissen, mehr als jede andere Partei. Fast alle erlebten eine politische Achterbahnfahrt mit Jubel zu Beginn, keimenden Zweifeln und tiefen Abstürzen danach. Mancher startete als Messias, wie zuletzt Martin Schulz. Viele scheiterten auch aufgrund vollkommen überzogener Erwartungen.
Die Koordinaten des deutschen Parteiensystems insgesamt verschieben sich. Seit Jahren schmelzen in fast allen Ländern Europas die traditionellen Lager zugunsten rechter Randparteien und neuer Gruppierungen zusammen. Die bundesrepublikanische Parteienlandschaft - so betrachtet - wird europäisch.
Was bedeutet diese Fragmentierung für die Republik im 70. Jahr des Grundgesetzes? In welcher Verfassung sind die Parteien und was heißt das für das Land? Wohin geht die Reise zwei Jahrzehnte nach der Flucht Oskar Lafontaines?
Darüber diskutieren in dieser Langen Nacht: Marieluise Beck, Günter Bannas, Günther Beckstein, Rudolf Dressler, Albrecht von Lucke, Sergej Lochthofen.

Die Gäste der Langen Nacht:
Marieluise Beck
Marieluise Beck, sitzend am Mikrofon im Aufnahmestudio
Marieluise Beck, Bündnis 90/Die Grünen während der Aufnahme zur Langen Nacht über die Zukunft der Volksparteien (Deutschalndradio / Guido Schiefer)
geboren am 25. Juni 1952 in Bramsche, ist eine deutsche Politikerin von Bündnis 90/Die Grünen. Sie war bis 2017 Mitglied des Bundestags und Sprecherin ihrer Partei für Osteuropapolitik. Sie war von 2002 bis 2005 parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Renate Schmidt) und von 1998 bis 2005 Ausländerbeauftragte der Bundesregierung.
Seit dem 17. Februar 2006 ist sie mit ihrem langjährigen Lebensgefährten, dem Grünen-Politiker und von 2001 bis 2017 Leiter der Heinrich-Böll-Stiftung, Ralf Fücks, verheiratet, mit dem sie zwei Töchter hat. Mit ihm gründete sie nach ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag und seiner Beendigung der Leitung der Stiftung am 15. November 2017 das Zentrum Liberale Moderne.
Parallel zu ihrer politischen Tätigkeit hat sie sich immer wieder für humanitäre Belange eingesetzt. Sie ist Trägerin des Verdienstkreuzes am Bande der Bundesrepublik Deutschland. Im Jahr 2016 wurde sie mit dem Ramer Award for Courage in the Defense of Democracy des American Jewish Committee (AJC) ausgezeichnet.
Sie war Sprecherin der ersten grünen Bundestagsfraktion im Jahr 1983, Mitglied des Bundestages von 1983 bis 2017 und seit 2005 Mitglied des Auswärtigen Ausschusses. In der rot-grünen Bundesregierung hatte sie das Amt der Migrationsbeauftragten inne und war parlamentarische Staatssekretärin im Arbeitsministerium. Außerdem war sie Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates. Dort schloss sie sich der Fraktion "Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa" (ALDE) an. Sie ist Mitglied im Vorstand des Petersburger Dialogs.
Günter Bannas
Günter Bannas, sitzend am Mikrofon im Tonstudio
Günter Bannas während der Aufnahme zur Langen Nacht über die Zukunft der Volksparteien (Deutschlandradio / Guido Schiefer)
wurde am 8. Mai 1952 in Kassel geboren. Ab 1977 war er freier Mitarbeiter des Deutschlandfunks, 1979 wurde er Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ). Ab 1981 berichtete er für die Zeitung als politischer Korrespondent aus Bonn. Er begleitete die Entwicklung der Grünen detailliert. Seine Aufzeichnungen liegen heute im Archiv der Heinrich-Böll-Stiftung.
Seit 1998 leitete Bannas das politische Ressort der FAZ in Bonn, seit dem Umzug des Parlaments die politische Redaktion in Berlin. Im März dieses Jahres ging er in den Ruhestand. Am 20. Juni 2018 erhielt Bannas den renommierten Theodor-Wolff-Preis für sein journalistisches Lebenswerk.
Günter Bannas: "Machtverschiebung. Wie die Berliner Republik unsere Politik verändert hat", erscheint am 02.05.2019

Im Sommer 1999 zog die Regierung von Bonn nach Berlin. Vieles hat sich seitdem verändert – und der F.A.Z.-Hauptstadtbüro-Leiter Günter Bannas war nah dran wie kaum ein anderer. In seiner Rückschau blickt er hinter die Kulissen und zeigt den Wandel der Politik. Schwarz-Gelb wurde zum Auslaufmodell, die Achse der Macht verschob sich nach Nordosten und wurde weiblicher, protestantischer, konsensualer. Die Volksparteien erodierten, Lobbyisten und Berater wurden stark, die Unionsparteien rückten weiter auseinander. Bannas analysiert die politische Kultur sowie Machtkämpfe und beschreibt Zäsuren wie die aktuelle GroKo und die Rolle des Bundespräsidenten bei deren Zustandekommen. Auf Basis hunderter Hintergrundgespräche und exklusiver Informationen entsteht so ein spannendes Kaleidoskop des Berliner Politikbetriebs – mit seinen Akteuren sowie den großen Entscheidungen und Dramen.
Günter Beckstein
Dr. Günther Beckstein, sitzend am Mikrofon
Dr. Günther Beckstein, CSU, während der Aufnahme der Langen Nacht zur Zukunft der Volksparteien (Deutschlandradio / Guido Schiefer)
Rudolf Dressler
Rudolf Dressler sitzt an einem Mikrofon
Rudolf Dressler im Aufnahmestudio des Deutschlandfunks (Detuschlandradio / Guido Schiefer)
Albrecht von Lucke
Albrecht von Lucke, sitzend am Mikrofon im Tonstudio, im Hintergrund ist Rudolf Dressler zu erkennen.
Albrecht von Lucke während der Aufnahme zur Langen Nacht über die Zukunft der Volksparteien (Deutschlandradio / Guido Schiefer)
Albrecht von Lucke, 1967 geboren, lebt seit 1989 in Berlin. Er ist Jurist und Politikwissenschaftler sowie politischer Publizist. Seit 2003 ist er Redakteur der renommierten politischen Monatszeitschrift "Blätter für deutsche und internationale Politik" (www.blaetter.de). Regelmäßig schreibt von Lucke u.a. für die tageszeitung und den Freitag und arbeitet für Fernsehen und Hörfunk (politische Kommentare, Teilnahme an Diskussionen u.a. ARD-Presseclub, Phönix-Runde, Bayern 2, WDR 5 Politikum, MDR Figaro, NDR Kultur und SWR2 Forum).
2014 wurde er mit dem Lessing-Förderpreis für Kritik ausgezeichnet (auf Vorschlag von Hans-Ulrich Wehler).
Buchtipps:
+ Albrecht von Lucke: "68 oder neues Biedermeier: Der Kampf um die Deutungsmacht", 2008
+ Albrecht von Lucke: "Die schwarze Republik und das Versagen der deutschen Linken", 2015
+ Albrecht von Lucke: "Die gefährdete Republik. Von Bonn nach Berlin: 1949 – 1989 – 2009", 2009
Sergej Lochthofen
Sergej Lochthofen, sitzend am Mikrofon im Tonstudio
Sergej Lochthofen während der Aufnahme zur Langen Nacht über die Zukunft der Volksparteien (Deutschlandradio / Guido Schiefer)
Sergej Lochthofen ist Journalist. Geboren 1953 in Workuta (Russland), kam er als Fünfjähriger mit den Eltern in die DDR, wo er eine russische Schule besuchte; er studierte Kunst auf der Krim und Journalistik in Leipzig. Von 1990 bis Ende 2009 verantwortete er die Zeitung Thüringer Allgemeine. das Medium-Magazin wählte ihn zum regionalen "Chefredakteur des Jahres"; Fernsehzuschauer kennen ihn als Stimme des Ostens im ARD-Presseclub oder in der Phoenix-Runde.
Sergej Lochthofen: "Grau - Eine Lebensgeschichte aus einem untergegangenen Land", 2014
Sergej Lochthofen gehört zur dritten Generation einer deutsch-russischen Familie, die den Stalinismus erlebt und erlitten hat – von der Oktoberrevolution über den Gulag bis zum Mauerfall. In diesem Buch erzählt er, wie er aus Workuta nach Thüringen kam, auf der Straße die Sprache lernte, als einziges Kind eines Zivilisten in eine sowjetische Garnisonsschule ging, von zu Hause ausbrach, um auf der Krim Kunst zu studieren, vor der Einberufung in die Sowjetarmee zurück in die DDR floh und während der bleiernen Honecker-Zeit den stupiden Alltag in einer SED-Zeitung als Journalist erlebte – bis schließlich die aufregende Wendezeit anbrach. Dabei wird deutlich: Die Verschränkung von Deutschland und Russland ist mehr als ein biographischer Zufall. Wer die DDR verstehen will, muss die Sowjetunion mitdenken.

Sergej Lochthofen: "Schwarzes Eis. Der Lebensroman meines Vaters", 2014
Es ist 1937, das Jahr des Großen Terrors. In den Morgenstunden des 22. Oktober schlägt es an die Tür einer Wohnung in Engels, einer Stadt an der Wolga. Sie sind gekommen, ihn zu holen. Ihn, Lorenz Lochthofen, den Emigranten aus Dortmund. Anfang der dreißiger Jahre ist er in die Sowjetunion gegangen; er träumt von einer besseren Welt. Jetzt wird er unschuldig verurteilt und nach Workuta geschickt, jener Insel des Archipels Gulag hinter dem Polarkreis, die zum Grab für 250 000 Häftlinge wird. Nach 20 Jahren Lager und Verbannung kehrt er nach Deutschland zurück und ist überzeugt, dass er in der DDR gebraucht wird. Gibt es für ihn eine zweite Chance? Der Sohn erzählt die Geschichte des Vaters: ein außergewöhnliches Buch über das 20. Jahrhundert, über Deutschland und Russland und über die ebenso stimulierende wie zerstörerische Kraft einer Utopie, die weltweit Millionen in ihren Bann schlug.
Die Gesprächsrunde der Langen Nacht über die Zukunft der Volksparteien mit der Moderatorin Birgit Wentzien und der Redakteurin Monika Künzel:
Aufnahme der Langen Nacht, mit dem Thema „Die Zukunft der Volksparteien“. Teilnehmer sind Günther Beckstein, Marieluise Beck, Rudolf Dressler, Albrecht von Lucke und Sergej Lochthofen
Die Gesprächsrunde zur Langen Nacht über die Zukunft der Volksparteien im Studio des Detuschlandfunks (Deutschlandradio / Guido Schiefer)