Christoph Schmitz: Im ersten Halbjahr 2012 wurden weltweit 678 Autoren politisch verfolgt. Mindestens 25 von ihnen wurden ermordet, die anderen verprügelt, eingesperrt, entführt oder vertrieben. Von neun Autoren verlor sich jede Spur. Das teilt das Writers-in-Prison-Komitee des internationalen Schriftstellerverbandes PEN mit. Der Verband erinnert heute, am Tag des inhaftierten Schriftstellers, an Autoren, Journalisten und Verleger, die in die Unterdrückungsmaschinerie von Regimen geraten sind. Anlässlich des Gedenktages hat das deutsche PEN-Zentrum den Hermann-Kesten-Preis an die weißrussische Reporterin Irina Chalip verliehen. Irina Chalip wurde 2010 verhaftet, misshandelt und zu zwei Jahren Haft verurteilt.
Massiv werden auch Schriftsteller in China verfolgt, wo derzeit die gesamte Führungsschicht der Partei turnusgemäß ausgewechselt wird. Der prominenteste inhaftierte Schriftsteller Chinas ist Liu Xiaobo. Wie geht es dem Friedensnobelpreisträger, habe ich unsere China-Korrespondentin Ruth Kirchner in Peking gefragt?
Ruth Kirchner: Ehrlich gesagt wissen wir ja ganz, ganz wenig über Liu Xiaobo. Wir wissen, dass er im Gefängnis sitzt, dass er dort eine elfjährige Haftstrafe verbüßt und dass er ab und zu Besuch von seiner Familie erhalten darf, von seinen Brüdern und auch von seiner Frau. Aber wir können weder mit seinen Familienangehörigen sprechen, noch mit seiner Frau Liu Xia, weil Liu Xia unter allerstrengstem Hausarrest steht. Insofern ist die Informationslage da sehr, sehr dünn. Wirklich Genaues wissen wir nicht.
Schmitz: Der neue Literaturnobelpreisträger Mo Yan, der Konflikte mit der kommunistischen Führung bislang ja gemieden hat, hat immerhin offiziell die Hoffnung geäußert, dass Liu Xiaobo bald wieder freikommt. Was sagt uns diese Stellungnahme?
Kirchner: Mo Yan hat sich ja bislang immer geweigert, Stellung zu beziehen zu politischen Fragen und insbesondere zu Liu Xiaobo. Als Liu Xiaobo damals den Friedensnobelpreis bekam, hatten chinesische Intellektuelle auch bei Mo Yan angerufen und um eine Stellungnahme gebeten. Das hatte er verweigert, weil er eben weiß, wie politisch heikel das ist. Und nachdem er den Literaturnobelpreis bekam, stand er unter massivem Druck und stand unter massiver Kritik, weil er sich eben immer aus allem raushält. Man hatte sehr stark den Eindruck, dass er unter diesem Druck sich irgendwann bemüßigt sah, sich nun doch zu äußern und zumindest seiner Hoffnung Ausdruck zu verleihen, dass Liu Xiaobo vielleicht irgendwann freikommt. Zumindest hat er diesen Namen einmal öffentlich erwähnt, was ja schon für China eine ganze Menge ist. Die chinesischen Medien konnten diese Bemerkung aber dann natürlich nicht bringen.
Schmitz: Gibt es eigentlich Zahlen darüber, wie viele Schriftsteller und Künstler überhaupt hinter Gittern sitzen, nur weil sie vom Menschenrecht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht haben?
Kirchner: Nicht wirklich. Wir wissen von einer ganzen Reihe von Fällen, wo Leute wegen kritischer Meinungsäußerungen zu sehr langen Haftstrafen verurteilt worden sind. Das sind nicht unbedingt Schriftsteller, das sind häufig Intellektuelle, die einfach mehr Meinungsfreiheit, ein pluralistischeres System gefordert haben, die das Machtmonopol der Partei infrage gestellt haben. Und wir wissen von einer ganzen Reihe von Fällen, wo Schriftsteller es eben ja dann auch irgendwann nicht mehr aushalten in diesem Land und dann doch ins Exil gehen. Das prominenteste Beispiel ist natürlich Liao Yiwu, der nach Deutschland gegangen ist. Das Schreiben ist ihr Lebensinhalt und sie wollen irgendwann unter solchen Bedingungen wie in China nicht mehr leben, wo sie ständig kontrolliert und ständig verfolgt werden, weil sie genau wissen, dass sie ihre Bücher hier nicht veröffentlichen können, weil sie von der Staatssicherheit teilweise bedroht, teilweise auch körperlich misshandelt werden und dann irgendwann vielleicht doch einfach sagen, sie gehen ins Ausland.
Schmitz: Haben die gefangenen Schriftsteller in China eine Lobby, oder sind sie einsam und verlassen auf weiter Flur?
Kirchner: Sie haben eine Lobby eigentlich nur im Ausland, weil sie hier ja gar nicht erwähnt werden dürfen. Es gibt sehr, sehr wenig Leute, die tatsächlich sich öffentlich einsetzen können – öffentlich heißt dann im Internet, in ausländischen Internetforen auf Chinesisch. Es gibt sehr, sehr wenig Leute, die das tatsächlich machen. Es ist eine kleine Gruppe von Intellektuellen, von Bürgerrechtlern und Dissidenten, das sind vielleicht einige Hundert Leute in ganz China, das ist natürlich für so ein Riesenland wahnsinnig wenig. Sie finden auch immer noch ganz viele Leute, die überhaupt nicht wissen, wer das eigentlich ist, weil er eben totgeschwiegen wird. Also da ist es sehr, sehr schwierig, hier innerhalb Chinas sich für solche Leute starkzumachen.
Schmitz: Der neue Parteichef Xi Jinping gilt als Reformer. Ist unter ihm mehr Freiheit für das Wort zu erwarten?
Kirchner: Nein, nicht wirklich. Wenn überhaupt, gilt er vielleicht als vorsichtiger Wirtschaftsreformer. Mehr politische Freiheiten sind wahrscheinlich unter ihm nicht zu erwarten. Man muss sich seine Führungsmannschaft angucken, also die insgesamt sieben Leute, die in den ständigen Ausschuss des Politbüros eingezogen sind, und da sind eine ganze Reihe von Konservativen darunter, darunter eben auch der Mann, der bislang für die Propaganda zuständig war, für die Zensur der Medien und des Internets. Der ist jetzt aus dem Politbüro in den ständigen Ausschuss des Politbüros, also noch weiter aufgestiegen, weiter befördert worden, und das ist, was die Meinungsfreiheit in China angeht, sicherlich kein gutes Zeichen. Ich hatte im Vorfeld des Parteitags mit einer ganzen Reihe von kritischen Intellektuellen und Autoren gesprochen und die hatten immer wieder diesen Propagandachef angesprochen und ihrer Hoffnung Ausdruck gegeben, dass er nun ausgerechnet nicht in den inneren Führungszirkel aufsteigt, und genau das ist aber jetzt geschehen.
Schmitz: Ruth Kirchner über die Situation der Schriftsteller in China.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Massiv werden auch Schriftsteller in China verfolgt, wo derzeit die gesamte Führungsschicht der Partei turnusgemäß ausgewechselt wird. Der prominenteste inhaftierte Schriftsteller Chinas ist Liu Xiaobo. Wie geht es dem Friedensnobelpreisträger, habe ich unsere China-Korrespondentin Ruth Kirchner in Peking gefragt?
Ruth Kirchner: Ehrlich gesagt wissen wir ja ganz, ganz wenig über Liu Xiaobo. Wir wissen, dass er im Gefängnis sitzt, dass er dort eine elfjährige Haftstrafe verbüßt und dass er ab und zu Besuch von seiner Familie erhalten darf, von seinen Brüdern und auch von seiner Frau. Aber wir können weder mit seinen Familienangehörigen sprechen, noch mit seiner Frau Liu Xia, weil Liu Xia unter allerstrengstem Hausarrest steht. Insofern ist die Informationslage da sehr, sehr dünn. Wirklich Genaues wissen wir nicht.
Schmitz: Der neue Literaturnobelpreisträger Mo Yan, der Konflikte mit der kommunistischen Führung bislang ja gemieden hat, hat immerhin offiziell die Hoffnung geäußert, dass Liu Xiaobo bald wieder freikommt. Was sagt uns diese Stellungnahme?
Kirchner: Mo Yan hat sich ja bislang immer geweigert, Stellung zu beziehen zu politischen Fragen und insbesondere zu Liu Xiaobo. Als Liu Xiaobo damals den Friedensnobelpreis bekam, hatten chinesische Intellektuelle auch bei Mo Yan angerufen und um eine Stellungnahme gebeten. Das hatte er verweigert, weil er eben weiß, wie politisch heikel das ist. Und nachdem er den Literaturnobelpreis bekam, stand er unter massivem Druck und stand unter massiver Kritik, weil er sich eben immer aus allem raushält. Man hatte sehr stark den Eindruck, dass er unter diesem Druck sich irgendwann bemüßigt sah, sich nun doch zu äußern und zumindest seiner Hoffnung Ausdruck zu verleihen, dass Liu Xiaobo vielleicht irgendwann freikommt. Zumindest hat er diesen Namen einmal öffentlich erwähnt, was ja schon für China eine ganze Menge ist. Die chinesischen Medien konnten diese Bemerkung aber dann natürlich nicht bringen.
Schmitz: Gibt es eigentlich Zahlen darüber, wie viele Schriftsteller und Künstler überhaupt hinter Gittern sitzen, nur weil sie vom Menschenrecht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht haben?
Kirchner: Nicht wirklich. Wir wissen von einer ganzen Reihe von Fällen, wo Leute wegen kritischer Meinungsäußerungen zu sehr langen Haftstrafen verurteilt worden sind. Das sind nicht unbedingt Schriftsteller, das sind häufig Intellektuelle, die einfach mehr Meinungsfreiheit, ein pluralistischeres System gefordert haben, die das Machtmonopol der Partei infrage gestellt haben. Und wir wissen von einer ganzen Reihe von Fällen, wo Schriftsteller es eben ja dann auch irgendwann nicht mehr aushalten in diesem Land und dann doch ins Exil gehen. Das prominenteste Beispiel ist natürlich Liao Yiwu, der nach Deutschland gegangen ist. Das Schreiben ist ihr Lebensinhalt und sie wollen irgendwann unter solchen Bedingungen wie in China nicht mehr leben, wo sie ständig kontrolliert und ständig verfolgt werden, weil sie genau wissen, dass sie ihre Bücher hier nicht veröffentlichen können, weil sie von der Staatssicherheit teilweise bedroht, teilweise auch körperlich misshandelt werden und dann irgendwann vielleicht doch einfach sagen, sie gehen ins Ausland.
Schmitz: Haben die gefangenen Schriftsteller in China eine Lobby, oder sind sie einsam und verlassen auf weiter Flur?
Kirchner: Sie haben eine Lobby eigentlich nur im Ausland, weil sie hier ja gar nicht erwähnt werden dürfen. Es gibt sehr, sehr wenig Leute, die tatsächlich sich öffentlich einsetzen können – öffentlich heißt dann im Internet, in ausländischen Internetforen auf Chinesisch. Es gibt sehr, sehr wenig Leute, die das tatsächlich machen. Es ist eine kleine Gruppe von Intellektuellen, von Bürgerrechtlern und Dissidenten, das sind vielleicht einige Hundert Leute in ganz China, das ist natürlich für so ein Riesenland wahnsinnig wenig. Sie finden auch immer noch ganz viele Leute, die überhaupt nicht wissen, wer das eigentlich ist, weil er eben totgeschwiegen wird. Also da ist es sehr, sehr schwierig, hier innerhalb Chinas sich für solche Leute starkzumachen.
Schmitz: Der neue Parteichef Xi Jinping gilt als Reformer. Ist unter ihm mehr Freiheit für das Wort zu erwarten?
Kirchner: Nein, nicht wirklich. Wenn überhaupt, gilt er vielleicht als vorsichtiger Wirtschaftsreformer. Mehr politische Freiheiten sind wahrscheinlich unter ihm nicht zu erwarten. Man muss sich seine Führungsmannschaft angucken, also die insgesamt sieben Leute, die in den ständigen Ausschuss des Politbüros eingezogen sind, und da sind eine ganze Reihe von Konservativen darunter, darunter eben auch der Mann, der bislang für die Propaganda zuständig war, für die Zensur der Medien und des Internets. Der ist jetzt aus dem Politbüro in den ständigen Ausschuss des Politbüros, also noch weiter aufgestiegen, weiter befördert worden, und das ist, was die Meinungsfreiheit in China angeht, sicherlich kein gutes Zeichen. Ich hatte im Vorfeld des Parteitags mit einer ganzen Reihe von kritischen Intellektuellen und Autoren gesprochen und die hatten immer wieder diesen Propagandachef angesprochen und ihrer Hoffnung Ausdruck gegeben, dass er nun ausgerechnet nicht in den inneren Führungszirkel aufsteigt, und genau das ist aber jetzt geschehen.
Schmitz: Ruth Kirchner über die Situation der Schriftsteller in China.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.