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"Eine Lösung ohne die USA halte ich für ausgeschlossen"

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu besucht Deutschland - ein Frieden im Nahen Osten wird, wie gehabt, Hauptthema sein. Ohne ein Einlenken der Hamas und ohne die USA geht es nicht, konstatiert Außenpolitiker Eckart von Klaeden (CDU).

    Jürgen Liminski: Der Nahe Osten kennt derzeit zwei Probleme: ein altes und ein relativ neues. Das alte ist der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern, das neue ist die mögliche Atombombe des Regimes in Teheran. Letzteres ist für Israel existenziell, Ersteres eine Frage des Modus Vivendi. Dazu gehört die gegenseitige Anerkennung, die den Weg zu einer Zwei-Staaten-Lösung bereiten würde, wobei freilich noch etliche Detailfragen zu klären wären. Bei der nuklearen Bedrohung sieht man in Israel vermutlich nur eine Lösung: einen Präventivschlag so wie vor einem Vierteljahrhundert der Schlag gegen die Nuklearanlagen des Saddam Hussein im Irak. Beide Probleme dürften bei den Gesprächen des israelischen Premiers in Berlin mit der Kanzlerin und mit dem Außenminister eine Rolle spielen, über beide Problemkreise wollen wir nun sprechen mit dem Außenpolitiker der Unionsfraktion, Eckart von Klaeden. Guten Morgen, Herr von Klaeden.

    Eckart von Klaeden: Guten Morgen, Herr Liminski.

    Liminski: Herr von Klaeden, es heißt immer, der israelische Siedlungsbau verbaue den Weg zum Frieden zwischen Israelis und Palästinensern. Ist das das einzige Hindernis?

    von Klaeden: Nein, das ist es sicherlich nicht. Aber es ist richtig: Der fortgesetzte Ausbau und der Aufbau neuer Siedlungen verletzt die Verpflichtungen Israels aus der Roadmap, zu denen sich Israel ja auch bekannt hat. Aber die Palästinenser hätten schon längst ihren Staat, wenn sie ein öffentliches Gewaltmonopol in den Autonomiegebieten hergestellt hätten. Es ist ja die erklärte Politik Arafats gewesen, das genau zu verhindern, um die einzelnen auch bewaffneten Gruppen gegeneinander ausspielen zu können. Zum Zweiten dürfen wir nicht vergessen, dass entscheidende Teile der Palästinenser nach wie vor als Ziel die Vernichtung Israels haben. Ich spreche von der Hamas und die Hamas ist ein erklärter Gegner der Zwei-Staaten-Lösung, denn sie ist unmöglich, wenn man einen der beiden Staaten vernichten will.

    Liminski: Was kann denn die Bundesregierung, was kann die EU tun, um zu einer Lösung zu kommen? Nach Ihrer Aussage müsste man ja wohl mit beiden Seiten und auch mit den verschiedenen Seiten bei den Palästinensern sprechen.

    von Klaeden: Wir müssen als Europäer zunächst einmal versuchen, zu einer möglichst geschlossenen Haltung zu kommen. Das ist schon schwierig genug, wenn man an die Alleingänge denkt, die es immer wieder Syrien gegenüber auch gegeben hat. Und dann müssen wir unsere Politik eng mit den Vereinigten Staaten von Amerika abstimmen. Die Amerikaner sind das einzige Land, die in der Lage sind, die Sicherheitsgarantie für Israel auch militärisch zu untermauern. Was Israel angeht, so müssen wir auf die Einhaltung der Verpflichtung aus der Roadmap drängen, und was die Palästinenser angeht, so müssen wir insbesondere als Europäer unsere Hilfe konditionieren, deutlich machen, dass die Fatah sich weiter reformieren muss. Da ist der Parteitag, der stattgefunden hat, der erste seit 20 Jahren, der erste Schritt in die richtige Richtung gewesen, aber eben auch nur der erste Schritt. Korruptionsbekämpfung, Hilfe für die Bevölkerung und schließlich auch die Anerkennung des Existenzrechts Israels und der bestehenden Verträge sind Conditios sine qua non (unerlässliche Bedingungen, Anm. d. Online-Redaktion) für europäische Hilfe an die Palästinenser.

    Liminski: Aber selbst wenn man die Fatah anerkennensbereit oder friedensbereit bekommt oder sie sich dazu zeigt, wie bekommt man die Hamas an den Verhandlungstisch?

    von Klaeden: Da kann es ja verschiedene Modelle geben, zum Beispiel, wie es ja auch schon mehrfach versucht worden ist, eine sogenannte Expertenregierung. Direkte Verhandlungen mit der Hamas lehne ich nach wie vor ab, denn die Hamas ist nicht bereit, essentialia negozi (grundlegende Pflichten/Bestandteile, Anm. d. Online-Redaktion) des Völkerrechts anzuerkennen, und solange die Hamas nicht bereit ist, das Existenzrecht Israels anzuerkennen und bestehende Verträge, solange macht es auch keinen Sinn, mit ihr zu verhandeln. Das ist ja gerade das große Ziel der Hamas, dass sie international anerkannt wird, und diese internationale Anerkennung, die muss den Preis einer konstruktiven Rolle im Friedensprozess haben, sonst macht das Ganze keinen Sinn.

    Liminski: Das amerikanisch-israelische Verhältnis scheint gestört zu sein. In Washington wird ein neuer Plan für die Region vorbereitet. Kann es eine Friedenslösung ohne die USA geben?

    von Klaeden: Das schließe ich eigentlich aus, denn die USA sind, wie ich schon sagte, die einzige Macht, die die Sicherheitsgarantie für Israel militärisch untermauern kann, und auch andere Staaten in der Region, Syrien zum Beispiel – Präsident Assad hat das vor einiger Zeit in einem Interview mit dem "Spiegel" deutlich gemacht -, haben prinzipiell ein Interesse an guten Beziehungen zu den Vereinigten Staaten von Amerika. Die arabischen Staaten sind eng mit den Vereinigten Staaten verbunden. Also eine Lösung ohne die USA halte ich für ausgeschlossen.

    Liminski: Es fällt auf, Herr von Klaeden, dass Israel mit anderen Staaten in der Region beim Problem Iran direkte Gespräche führt. Experten sprechen ja schon von einem de-facto-Bündnis gegen das Regime in Teheran. So kreuzen israelische U-Boote in saudischen Gewässern und soll die israelische Luftwaffe saudische und arabische Flugbasen benutzen dürfen. Sehen Sie hier Vorbereitungen für einen Militärschlag gegen die iranischen Nuklearanlagen?

    von Klaeden: So weit würde ich nicht gehen, aber diese Meldungen zeigen, dass die iranischen Nuklearambitionen von den arabischen Staaten mit ähnlich großer Sorge gesehen werden wie von Israel. Die arabischen Staaten sind zwar nicht Gegenstand dieser aggressiven Rhetorik, die man aus Teheran immer wieder Israel gegenüber hört. Wir alle kennen die entsetzlichen Zitate von Ahmadinedschad, aber auch, dass sein Kandidat für den Vizeministerpräsidenten dieses Amt nicht antreten konnte, weil man von ihm israelfreundliche Zitate gefunden hat. Das muss man sich mal klar machen: Israelfreundliche Zitate verhindern, dass man im Iran stellvertretender Ministerpräsident werden kann. Trotzdem sehen die anderen arabischen Staaten den Expansionsdrang Irans und die Kooperation mit Terrororganisationen wie der Hamas und Hisbollah mit großer Sorge und die arabischen Staaten haben ja auch angekündigt, dass sie sich nuklear bewaffnen würden, sobald Iran Nuklearmacht ist. Es ist die Kombination aus dem expansiven und aggressiven Streben Irans mit der Nuklearwaffe, die große Sorgen auch unter den arabischen Staaten hervorruft, und das sorgt nahezu automatisch dazu, dass Israel und arabische Staaten näher aneinander heranrücken.

    Liminski: In diesen Tagen wird nun ein Bericht des scheidenden Chefs der Wiener Atombehörde erwartet. Er soll das Regime in Teheran von nuklearen Machenschaften freisprechen. Aber es gibt auch schon einen Gegenbericht des Leiters dieser Behörde im Iran, der vor dem forcierten Bau der Atombombe warnt. Was kann, was wird die Sechsergruppe tun? Hier erwartet Israel sicher mehr auch von den Deutschen.

    von Klaeden: Im nächsten Monat läuft ja das Verhandlungsangebot ab, das die neue amerikanische Administration unter Präsident Obama dem Iran gemacht hat, und dann müssen wir uns darauf einstellen, dass es auch wieder zu schärferen Sanktionen kommt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Wiener Atombehörde Teheran von solchen nuklearen Machenschaften freisprechen kann. Dazu liegen uns mittlerweile bedauerlicherweise zu viele Erkenntnisse von verschiedenen Diensten vor, und auch das, was der Iran zugestanden hat, macht insgesamt nur Sinn, wenn eine Nuklearwaffe angestrebt wird, also eine militärische Nutzung des Nuklearprogramms.

    Liminski: Aber kann denn der Westen, also Frankreich, Großbritannien, die USA und Deutschland, auch ohne Russland und China wirksame Sanktionen verhängen?

    von Klaeden: Das können wir, aber am wirksamsten sind sie natürlich, wenn Russland und China mitwirken. Iran ist zum Beispiel auf den Import von Benzin angewiesen, weil das Land nach wie vor über die erforderlichen Raffineriekapazitäten nicht verfügt. Aber je länger gewartet wird, je weiter sie mit ihrem Nuklearprogramm kommen, umso mehr bemühen sie sich natürlich auch, insbesondere mit chinesischer Unterstützung diese Lücke zu schließen. Deswegen arbeitet die Zeit gegen uns.

    Liminski: Wie viel Zeit haben wir denn noch, um Teheran zu seriösen Verhandlungen zu bringen?

    von Klaeden: Dazu müsste man genau wissen, wie weit sie mit ihrem Nuklearprogramm sind. Einige Experten gehen ja davon aus, dass bereits Ende des Jahres genug Plutonium vorhanden ist, um eine Bombe zu bauen. Dann braucht man noch eine gewisse Zeit, bis das tatsächlich umgesetzt sein könnte. Aber klar ist: Die Zeit arbeitet gegen uns und viel Zeit ist nicht mehr. Das ist ja auch der Grund für das Ultimatum, das die amerikanische Administration Teheran gestellt hat, dass man das Spiel Teherans auf Zeit nicht weiter bereit ist mitzumachen.

    Liminski: Die Probleme in Nahost vor dem Treffen des israelischen Premiers mit Bundeskanzlerin Merkel und Außenminister Steinmeier. Das war die Einschätzung des außenpolitischen Sprechers der Unionsfraktion, Eckart von Klaeden. Besten Dank für das Gespräch, Herr von Klaeden.

    von Klaeden: Ich danke auch.