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Eine Mahnung vor der Apokalypse des Wachstums

Öl sei der Kern menschlicher Expansion seit dem 20. Jahrhundert, sagt der Fotograf Edward Burtynsky. Der Kanadier mit ukrainischen Wurzeln hat der Produktion und Nutzung des Kraftstoffs eine Serie gewidmet, von der nun ein kleiner Teil in der C/O Berlin ausgestellt ist.

Von Carsten Probst | 28.07.2012
    Oft wählt Edward Burtynsky die Faszination durch schiere Masse, durch die Ordnung riesiger Mengen von Konsumgütern oder durch ein lichttechnisch verschönertes Chaos von Abraumhalden oder Müllbergen. Draufsichten aus Helikoptern oder von Höhenzügen über gewaltige Landschaftsformationen, die der Ausbeutung durch Industrie anheimgefallen sind, fotografiert der Kanadier mit ukrainischen Wurzeln mit einem ausgeprägten Sinn für die Schönheit des Schrecklichen, die Faszination des Monumentalen in der Natur. In dieser Hinsicht ist er vielleicht ein später Erbe der großen Naturbewunderung der Romantik, aber zugleich fasziniert ihn daran der Gedanke, dass die Landschaften, zerstört und brachial, wie sie sind, allesamt durch Menschenhand gemacht worden sind.

    "Es begann damit, dass ich bei meinen Landschaftsaufnahmen darüber nachzudenken begann, woher aus der Natur eigentlich all die Dinge stammen, aus denen unsere Städte gemacht sind. Woher kommt das Einsen, der Stahl? Woher kommen Nickel, Gold? So begann ich, Mienen zu fotografieren, oder Steinbrüche, aus denen die Steine für die Häuser kommen, um zu erkunden, wie unsere Städte entstanden sind und dass es Orte in der Natur gibt, die die selben Größe haben wie unsere Städte, als ihr Äquivalent in der Natur."

    Seine Neugier in Bezug auf die Ressourcen, aus denen Städte heute entstehen, trieb ihn seit den neunziger Jahren immer wieder in jenes Land, das noch immer wie kein zweites für rasendes Wirtschaftswachstum und die damit einhergehende rasante Zerstörung und den Neuaufbau gewaltiger Stadtzentren steht: China.

    "An einem bestimmen Punkt stellte ich fest, dass zwar alle Lebewesen die Natur nutzen, um ihr Überleben zu sichern. Aber der mechanische Vorteil des Menschen beim Abbau der Ressourcen basiert auf dem Öl, auf Kraftstoffen. Sie bewirken erst die Geschwindigkeit und die Größe der Ausbeutung der Natur, zu der der Mensch fähig ist. Mitte der neunziger Jahre wurde mir klar, dass Öl der Kern menschlicher Expansion seit dem 20. Jahrhundert ist."
    Im Fall seiner noch nicht abgeschlossenen Serie über Produktion und Nutzung des Öls finden sich durchaus buchstäblich spektakulär zu nennende Aufnahmen von Ölraffinerien, Ölabbaufeldern in Kalifornien oder im Kaspischen Meer vor der Aserbaidschanischen Küste.

    Riesige Autofabriken entfalten sich ebenso horizontweit wie die einstöckigen Vorstadtlandschaften von Los Angeles, die nur mit dem Auto erreichbar sind. Endlose Müllhalden für die Entsorgung von Ölprodukten oder von Maschinen, die diese Ölprodukte benötigen, erzeugen ganz eigene Landschaften: Flugzeugfriedhöfe, Gebirge alter Autoreifen, Tankschifffriedhöfe wie in Chittagong in Bangladesh. Burtynsky arbeitete bis vor kurzem mit analogen Großbildkameras, um die einheitlichen Großformate zu erzeugen, die fast etwas gemäldehaftes haben.

    Aus Platzgründen zeigt C/O Berlin leider nur eine stark begrenzte Auswahl von ungefähr 30 Arbeiten. Wirklich überwältigend in ihrer gewaltsamen und verstörenden Schönheit werden Burtynskys Bilder freilich erst in der Häufung und Wiederholung der Motive. Das ist aber auch das Einzige, was man dieser eindrucksvollen Ausstellung vorwerfen kann: Dass in ihr der Aspekt der ästhetischen Schönheit ein wenig überbetont wird und Burtynskys Werk als Mahnung vor der Apokalypse des Wachstums hinter der Faszination des Schrecklichen ein wenig verschwindet.