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Eine Missionarin, ein Seeabenteuer und moderne Steinzeitmenschen

Eine Katholikin, die sich geißelt und im Urlaub versucht, die ungläubigen Sünder zu bekehren. Mit dieser skurrilen Protagonistin verlangt der österreichische Regisseur Ulrich Seidl den Kinobesuchern einiges ab - vor allem Geduld. Wer sich lieber amüsieren will, sollte den Zeichentrickfilm "Die Croods" ansehen.

Von Jörg Albrecht | 20.03.2013
    "Paradies: Glaube" von Ulrich Seidl

    "Guten Morgen! Die Muttergottes kommt zu Ihnen auf Besuch. Kennen Sie die Muttergottes?"

    Ein Leben im Auftrag des Herrn. Anna Maria - eine Österreicherin um die 50 - ist streng gläubige Katholikin. Ihre ganze Liebe gehört Christus. Sie betet ihn an und geißelt sich immer wieder selbst vor dem Kruzifix mit einer Peitsche und einem Dornengürtel, um Gottes Gnade zu erlangen. Direkt die ersten Szenen in Ulrich Seidls "Paradies: Glaube" weisen Anna Maria als christliche Fundamentalistin aus. Es sind - wie stets bei Seidl - streng komponierte, oft statische Bilder, bei denen Tragik und Komik eng beieinander liegen.

    "Jesus, es ist so schön, wenn ich dich nur anschauen tue. Du bist so ein schöner Mann. Der Schönste, den es gibt."

    Während ihre Schwester Teresa - die Protagonistin aus Ulrich Seidls erstem Teil seiner "Paradies"-Trilogie - zur Sextouristin in Kenia wird, nutzt Anna Maria ihren Urlaub dazu, das Wort Gottes zu den Sündern zu tragen. Sie klingelt an Türen von Einwandererfamilien, von Paaren, die ohne Trauschein zusammenleben, und von Menschen, die den Halt verloren haben.

    "Ich bin nicht von der Polizei. Ich bin von der Kirche. Ich schenke dir was. Ich schenke dir jetzt einen Rosenkranz."

    Unbarmherzig und teilnahmslos ist Seidls Blick auf Anna Maria und ihren missionarischen Eifer. Der beobachtende, dokumentarische Stil ist das Markenzeichen des Österreichers. Wie gewohnt, verlangt Seidl dem Zuschauer einiges ab. Vor allem Geduld. Auch in "Paradies: Glaube" gibt es Szenen, die verstören und offensichtlich bewusst plakativ sind. Allerdings überspannt Seidl den Bogen dann doch etwas, wenn z.B. Anna Marias Ehemann nach längerer Abwesenheit plötzlich auftaucht. Der sitzt nicht nur im Rollstuhl. Er ist auch gläubiger Moslem. Für Ulrich Seidl der perfekte Anlass, einen fast surreal anmutenden Glaubenskrieg im Eigenheim vom Zaum zu brechen.

    "Paradies: Glaube": Zwiespältig!


    "Kon-Tiki" von Joachim Rønning

    "Kon-Tiki ... Der Sonnengott ... brachte uns hierher zu diesen Inseln. Aus einem Land, das jenseits des Ozeans liegt."

    Dieses Land, aus dem die ersten Bewohner Polynesiens stammen, ist zwar nach Ansicht der meisten Wissenschaftler immer noch im asiatischen Raum zu suchen. Doch ein Mann hat 1947 eine weitere Theorie zur Besiedlung der pazifischen Inselregion beigesteuert. Mit seinem Floß Kon-Tiki ist dem norwegischen Forscher und Nicht-Schwimmer Thor Heyerdahl zusammen mit seiner fünfköpfigen Crew die Überfahrt von Südamerika nach Polynesien gelungen.

    "5000 Meilen","

    die Thor Heyerdahl selbst in seiner 1951 mit dem Oscar prämierten Dokumentation "Kon-Tiki" geschildert hat. Die Regisseure Joachim Rønning und Espen Sandberg liefern jetzt in der teuersten norwegischen Filmproduktion aller Zeiten eine fiktive Rekonstruktion der Geschichte.

    ""Ich werde beweisen, dass südamerikanische Völker vor 1500 Jahren auf einem Floß nach Polynesien gesegelt sind."

    Ein Satz wie dieser lässt erahnen, dass die Spielfilmversion von "Kon-Tiki" über ein konventionelles Heldenstück nicht hinauskommt.

    "Alle Mann an Deck! ... Kommt schon!"

    Es gibt die üblichen Szenen von Sturm und schwerer See, von Flaute und Haiattacken - vordergründige Spannungselemente eben. Aber nur wenig ist von der gruppendynamischen Situation an Bord des Floßes zu sehen auf dieser Expedition mit unsicherem Ausgang. Was bleibt, ist ein schön gefilmtes Abenteuer, das seine Möglichkeiten nicht ausschöpft.

    "Kon-Tiki": akzeptabel!


    "Die Croods" - von Kirk De Micco und Chris Sanders

    "Was seid ihr für ein Haufen? ... Wir sind die Croods"

    Familie Feuerstein war gestern. Die neuen Steinzeitmenschen gehören zur Familie Croods. Moderne digitale Bilder haben längst prähistorische Zeichnungen abgelöst. Wie weit die Entwicklung des Computer-Trickfilms vorangeschritten ist - dafür liefert "Die Croods" von Kirk De Micco und Chris Sanders einen eindrucksvollen Beweis. Die Abenteuer einer Familie, die vor vielen hunderttausend Jahren gelebt hat, sind tricktechnisch das Beste, das der digitale Animationsfilm bis jetzt hervorgebracht hat. Grandiose Landschaften, die an "Avatar" erinnern, sowie rasante Kamerafahrten werden nicht nur die eigentliche Zielgruppe der Kinder in Staunen versetzen.
    Die Geschichte der genauso liebenswerten wie durchgeknallten Familie Croods, die ihre Höhle verlassen muss, wenn sie überleben will, ist ein Füllhorn von visuellen Einfällen, Slapstick und Wortwitz. Da sieht man dem frenetischen Film-Spaß gern nach, dass das führende Animationsstudio "Pixar" in der Regel mit feineren, raffinierteren Charakteren und Geschichten aufwartet.

    "Die Croods": Empfehlenswert!
    Jakob Oftebro (Torstein) und Tobias Santelman (Knut) in einer Szene von "Kon-Tiki"
    Jakob Oftebro (Torstein) und Tobias Santelman (Knut) in einer Szene von "Kon-Tiki" (picture alliance / dpa / SCANPIX NORWAY)