"England wieder dran …Jetzt wackeln sie kurz …Ball nicht im Tor! Nicht im Tor, keine Wiederholung von Wembley! ..."
Juni 2010, Fußball-WM in Südafrika. Später Nachmittag. Der englische Nationalspieler Frank Lampard nimmt den Ball an, 20 Meter zum Tor, trockener Schuss, der Ball knallt unter die Latte und prallt deutlich hinter der Linie auf, doch der Treffer gilt trotzdem nicht. Deutschland kann aufatmen, der Linienrichter darf sich in englischen Pubs fortan nicht mehr blicken lassen und fast jeder spricht in den nächsten Tagen von diesem zweiten "Wembley Tor".
Es ist ein echter Live-Moment, von dem man vielleicht seinen Kindern noch erzählen wird. Mit diesem Beispiel beginnt das Buch "Eine neue Version ist verfügbar". Denn der Schuss von Lampard ist ein einzigartiges Erlebnis. Und genau solche einzigartigen, unkopierbaren Momente muss auch die Kulturproduktion erschaffen, damit Künstler und Kreative auch Geld verdienen können. Das ist die These, die Dirk von Gehlen in seinem Buchprojekt ausbreitet:
"Bei dem neuen Tocotronic-Album habe ich gehört, wie sie erzählt haben, wo sie das Album aufgenommen haben und wie schön es im Studio war. Aber ich durfte nicht dabei sein! Sie haben es mir im Nachhinein erzählt. Wie gerne wäre ich dabei gewesen, wenn das so ein tolles Studio ist. Ich hätte mir einen Stream-Zugang gekauft und am Ende hätte ich die Platte bekommen. Und ich hätte etwas erlebt, das niemand anders erleben kann. Dieses Tocotronic-Album, das ich in zwanzig Jahren meinen Kindern vererben werde, da kann ich sagen: Schaut her, ich war bei der Aufnahme dabei! Und das ist es, was ich meine: Da kann ein Wert entstehen, den man nicht digital Raubkopieren kann."
Die Digitalisierung der Kultur und die Folgen, das ist das Thema von Dirk von Gehlen. Vor zwei Jahren ist von ihm bei Suhrkamp das Buch "Mashup: Lob der Kopie" erschienen, das unter anderen auch ein Plädoyer war für einen neuen Begriff des Originals, das in Zeiten der Digitalisierung von jedem verändert und erweitert werden kann. Diesen Gedanken setzt er nun fort. Kultur im Cloudzeitalter, das könnte etwas sein, dass permanent aktualisiert wird, findet der SZ-Mann. So wie Software, der Firefox-Browser wird ja schließlich auch permanent weiterentwickelt. Kulturprodukte als etwas betrachten, das dauernd im Fluss ist, als Prozess, nicht als Produkt, das ist der Kern seines Kulturbegriffs. Und so wie Dirk von Gehlen es sich bei einem Musikalbum wünschen würde, so ist er auch bei "Eine neue Version ist verfügbar" an die Arbeit gegangen. Wer ihn bei seinem Startnext-Projekt unterstützte, konnte ihm beim Schreiben über die Schulter schauen und ihm sogar kleinere Ratschläge geben:
"Bücher erscheinen in Auflagen, Songs werden geremixt und erscheinen als Coverversionen. Das ist nichts Neues. Es ist nur in einem technisch anderen Bereich möglich durch die Digitalisierung. Und – und das ist das neue – wir können vor dem Zeitpunkt der Veröffentlichung, bevor wir denken: "Das ist jetzt fertig!" können wir die Zuseher und Zuhörer daran teilhaben lassen. Also bei mir war es wirklich so, dass ich angefangen habe mit einem leeren weißen Blatt Papier und Leute konnten zugucken wie darauf entstanden ist, wie sich das Buch entwickelt hat. Bei einer Band wäre das quasi, dass ich zuhören kann, wie die ihr Album aufnehmen."
Das Experiment "Ein neue Version ist verfügbar" ist also auch ein Making-of, nur eben dass man schon bei den Schreibarbeiten in die Dichterstube schauen konnte. Das Ergebnis ist ein Bündel aus lesenswerten Texten und interessanten Interviews geworden, die davon handeln, wie eine Kultur funktionieren könnte, die auf Versionen basiert, nicht auf fertigen Produkten. Das Buch bereichert damit eine Debatte, die seit Jahren geführt wird. Denn anstatt die Digitalisierung zu beklagen, sollte man lieber Experimente wagen. Dirk von Gehlen:
"Ich bin weit davon entfernt Menschen zu sagen was sie tun müssen. Ich finde, dass man ausprobieren sollte, was man kann. Ich habe ein Buch geschrieben über das digitale Kopieren. Und dann haben alle gesagt: Ja, aber dann geht ja die Kultur kaputt! Und ich sage: Ja, aber nur dann, wenn die Kultur so bleibt wie in den Siebzigern. Aber die Kultur verändert sich, durch die Art und Weise wie wir damit umgehen. Und eine Möglichkeit damit umzugehen ist die Art wie ich es mit diesem Buchexperiment gemach habe. Aber ich würde niemandem sagen, dass er es so tun muss. Es ist nur eine Chance."
Juni 2010, Fußball-WM in Südafrika. Später Nachmittag. Der englische Nationalspieler Frank Lampard nimmt den Ball an, 20 Meter zum Tor, trockener Schuss, der Ball knallt unter die Latte und prallt deutlich hinter der Linie auf, doch der Treffer gilt trotzdem nicht. Deutschland kann aufatmen, der Linienrichter darf sich in englischen Pubs fortan nicht mehr blicken lassen und fast jeder spricht in den nächsten Tagen von diesem zweiten "Wembley Tor".
Es ist ein echter Live-Moment, von dem man vielleicht seinen Kindern noch erzählen wird. Mit diesem Beispiel beginnt das Buch "Eine neue Version ist verfügbar". Denn der Schuss von Lampard ist ein einzigartiges Erlebnis. Und genau solche einzigartigen, unkopierbaren Momente muss auch die Kulturproduktion erschaffen, damit Künstler und Kreative auch Geld verdienen können. Das ist die These, die Dirk von Gehlen in seinem Buchprojekt ausbreitet:
"Bei dem neuen Tocotronic-Album habe ich gehört, wie sie erzählt haben, wo sie das Album aufgenommen haben und wie schön es im Studio war. Aber ich durfte nicht dabei sein! Sie haben es mir im Nachhinein erzählt. Wie gerne wäre ich dabei gewesen, wenn das so ein tolles Studio ist. Ich hätte mir einen Stream-Zugang gekauft und am Ende hätte ich die Platte bekommen. Und ich hätte etwas erlebt, das niemand anders erleben kann. Dieses Tocotronic-Album, das ich in zwanzig Jahren meinen Kindern vererben werde, da kann ich sagen: Schaut her, ich war bei der Aufnahme dabei! Und das ist es, was ich meine: Da kann ein Wert entstehen, den man nicht digital Raubkopieren kann."
Die Digitalisierung der Kultur und die Folgen, das ist das Thema von Dirk von Gehlen. Vor zwei Jahren ist von ihm bei Suhrkamp das Buch "Mashup: Lob der Kopie" erschienen, das unter anderen auch ein Plädoyer war für einen neuen Begriff des Originals, das in Zeiten der Digitalisierung von jedem verändert und erweitert werden kann. Diesen Gedanken setzt er nun fort. Kultur im Cloudzeitalter, das könnte etwas sein, dass permanent aktualisiert wird, findet der SZ-Mann. So wie Software, der Firefox-Browser wird ja schließlich auch permanent weiterentwickelt. Kulturprodukte als etwas betrachten, das dauernd im Fluss ist, als Prozess, nicht als Produkt, das ist der Kern seines Kulturbegriffs. Und so wie Dirk von Gehlen es sich bei einem Musikalbum wünschen würde, so ist er auch bei "Eine neue Version ist verfügbar" an die Arbeit gegangen. Wer ihn bei seinem Startnext-Projekt unterstützte, konnte ihm beim Schreiben über die Schulter schauen und ihm sogar kleinere Ratschläge geben:
"Bücher erscheinen in Auflagen, Songs werden geremixt und erscheinen als Coverversionen. Das ist nichts Neues. Es ist nur in einem technisch anderen Bereich möglich durch die Digitalisierung. Und – und das ist das neue – wir können vor dem Zeitpunkt der Veröffentlichung, bevor wir denken: "Das ist jetzt fertig!" können wir die Zuseher und Zuhörer daran teilhaben lassen. Also bei mir war es wirklich so, dass ich angefangen habe mit einem leeren weißen Blatt Papier und Leute konnten zugucken wie darauf entstanden ist, wie sich das Buch entwickelt hat. Bei einer Band wäre das quasi, dass ich zuhören kann, wie die ihr Album aufnehmen."
Das Experiment "Ein neue Version ist verfügbar" ist also auch ein Making-of, nur eben dass man schon bei den Schreibarbeiten in die Dichterstube schauen konnte. Das Ergebnis ist ein Bündel aus lesenswerten Texten und interessanten Interviews geworden, die davon handeln, wie eine Kultur funktionieren könnte, die auf Versionen basiert, nicht auf fertigen Produkten. Das Buch bereichert damit eine Debatte, die seit Jahren geführt wird. Denn anstatt die Digitalisierung zu beklagen, sollte man lieber Experimente wagen. Dirk von Gehlen:
"Ich bin weit davon entfernt Menschen zu sagen was sie tun müssen. Ich finde, dass man ausprobieren sollte, was man kann. Ich habe ein Buch geschrieben über das digitale Kopieren. Und dann haben alle gesagt: Ja, aber dann geht ja die Kultur kaputt! Und ich sage: Ja, aber nur dann, wenn die Kultur so bleibt wie in den Siebzigern. Aber die Kultur verändert sich, durch die Art und Weise wie wir damit umgehen. Und eine Möglichkeit damit umzugehen ist die Art wie ich es mit diesem Buchexperiment gemach habe. Aber ich würde niemandem sagen, dass er es so tun muss. Es ist nur eine Chance."