Als den "Homer der Insekten" hat man ihn bezeichnet, ihn mit Balzac verglichen, dessen "Comédie humaine" seine "Comédie entomologique" zur Seite zu stellen wäre. Das Sittengemälde der emsigen Völkerschar geflügelter Kleinstlebewesen, deren Instinkte und Gewohnheiten er 30 Jahre lang – zwischen 1879 bis 1907 – mit Akribie und Leidenschaft erforscht hat. Warum nicht auch als Außenstehender einmal einen Blick in die so staunens- wie bewundernswerte Welt dieser Lebewesen werfen?
Die "Lange Nacht" möchte zusammen mit Fabre und anderen Insektenliebhabern einen Eindruck davon vermitteln und neben der Leidenschaft Fabres für seine Sache auch etwas von jenem Forscherethos spürbar machen, das der Wegbereiter der modernen Verhaltensforschung seinen damaligen Forscherkollegen ins Stammbuch geschrieben hat: »Ihr schlitzt das Tier auf, ich studiere es lebend; ihr macht aus ihm ein Objekt des Abscheus und des Mitleids, ich mache es liebenswert; ihr arbeitet in einer Werkstatt, wo gefoltert und zerstückelt wird, ich beobachte unter blauem Himmel beim Gesang der Zikaden; ihr erforscht den Tod, ich erforsche das Leben.
Dr. Heiko Bellmann, Zoologe, Buchautor und begeisterter Naturfotograf und wissenschaftlicher Assistent am Institut für Experimentelle Ökologie der Universität Ulm. Bekanntheit hat er auch im Ausland durch seine Bestimmungsbücher über Insekten und Spinnen erlangt, die er mit seinen eigenen Makrofotografien ausstattete.
Franz-Josef Wittmann, Fabre-Übersetzer, Aspiran, Le Mas des Cyprès, Frankreich
Dr. Manfred Verhaagh, Entomologe, Leiter der Insektenkunde am Staatlichen Museum für Naturkunde, Karlsruhe - Mehr
Dr. Robert Trusch, Lepidopterologe, Kurator der Schmetterlingssammlung am Staatlichen Museum für Naturkunde, Karlsruhe - Mehr
Landesdatenbank Schmetterlinge Baden-Württembergs am Staatlichen Museum für Naturkunde Karlsruhe
Franz-Josef Wittmann, Fabre-Übersetzer, Aspiran, Le Mas des Cyprès, Frankreich
Dr. Manfred Verhaagh, Entomologe, Leiter der Insektenkunde am Staatlichen Museum für Naturkunde, Karlsruhe - Mehr
Dr. Robert Trusch, Lepidopterologe, Kurator der Schmetterlingssammlung am Staatlichen Museum für Naturkunde, Karlsruhe - Mehr
Landesdatenbank Schmetterlinge Baden-Württembergs am Staatlichen Museum für Naturkunde Karlsruhe
Literatur:
Jean-Henri Fabre
Das offenbare Geheimnis
Erinnerungen eines Insektenforschers
Aus dem Französischen von Friedrich Koch, bearbeitet von Heide Lipecky, bisher Band 1-5, Matthes&Seitz, Berlin
"Ist es nicht kindisch, die Handlungen eines Insekts bis in die kleinsten Einzelheiten zu erkunden? Uns drücken viel schwerere Sorgen, als dass wir uns damit die Zeit vertreiben könnten. So lässt uns die bittere Erfahrung des Alters sprechen; so würde ich denken und meine Untersuchungen beenden, vermutete ich nicht im Wirrwarr der Beobachtungen die Aufklärung einiger der größten Probleme, die zu erörtern uns vergönnt ist. Was ist Leben?"
(Jean-Henri Fabre) Mehr
Das offenbare Geheimnis
Erinnerungen eines Insektenforschers
Aus dem Französischen von Friedrich Koch, bearbeitet von Heide Lipecky, bisher Band 1-5, Matthes&Seitz, Berlin
"Ist es nicht kindisch, die Handlungen eines Insekts bis in die kleinsten Einzelheiten zu erkunden? Uns drücken viel schwerere Sorgen, als dass wir uns damit die Zeit vertreiben könnten. So lässt uns die bittere Erfahrung des Alters sprechen; so würde ich denken und meine Untersuchungen beenden, vermutete ich nicht im Wirrwarr der Beobachtungen die Aufklärung einiger der größten Probleme, die zu erörtern uns vergönnt ist. Was ist Leben?"
(Jean-Henri Fabre) Mehr
Auszug aus dem Manuskript:
Jean-Henri Fabre: Genau das habe ich mir gewünscht: ein Stück Land, oh! nicht groß, aber umzäunt und den Unannehmlichkeiten der öffentlichen Straße entzogen, vernachlässigt, unfruchtbar, ausgedörrt, gut für Disteln und Hautflügler. Hier könnte ich, von Passanten ungestört, Sandwespe und Grabwespe befragen. Es ist ein Harmas. So nennt man hier steinige, von Thymian überwucherte Brachen. Sie sind zu mager und lohnen das Pflügen nicht. Im Frühjahr streift hier das Schaf umher, wenn es zufällig mal geregnet hat und etwas Grün sprießt. Solange der Boden feucht vom Frühlingsregen ist, hat diese raue Vegetation einen gewissen Charme, wenn die Spitzen der Golddistel und die langen Stängel der Eselsdistel den aus den gelben Köpfen der Sonnwend-Flockenblume gewebten Teppich überragen. Aber in den trockenen Sommertagen ist alles nur eine öde Fläche, und ein Streichholzflämmchen reicht, um alles in Brand zu setzen. Von solcher Art ist oder war das liebliche Paradies, als ich es in Besitz nahm, um vertrauten Umgang mit dem Insekt zu pflegen. Paradies sagte ich; und aus meiner Sicht ist dieses Wort nicht fehl am Platz. Dieses verfluchte Fleckchen, dem keiner ein paar Rübensamen anvertrauen mochte, erweist sich für die Hautflügler als ein Paradies auf Erden.
Ein "Paradies auf Erden" ist es auch für ihn, dieser "Versuchsgarten lebendiger Insektenforschung", wie er ihn nennt, wo er im tagtäglichen 'Zwiegespräch' mit seinen Hautflüglern und anderen Insekten mehr als dreißig Jahre zubringen wird. Sechsundfünfzig Jahre alt ist er bereits, als er sich diesen Herzenswunsch erfüllen kann. In Sérignan-du-Comtat, einem kleinen Dorf im Süden Frankreichs, findet er endlich das, wovon er so lange schon geträumt hatte. Jean-Henri Fabre, der legendäre Naturbeobachter, der seine faszinierenden Einsichten in das Leben der Insekten in der ebenso faszinierenden Prosa seiner "Souvenirs Entomologiques" der Nachwelt überliefert hat - in den insgesamt zehn Bänden, die er in den Jahren 1879 bis 1907 in seinem Harmas im provençalischen Sérignan niederschreibt.
Jean-Henri Fabre: Die gewaltige Wildnis aus Disteln und Flockenblumen lockt alle herbei. Nie sah ich auf meinen entomologischen Streifzügen auf einer Stelle eine solche Population vereint.
Jean-Henri Fabre: Wer ist denn das? Es ist eine Wollbiene. Sie kratzt den spinnwebartigen Stängel der Sonnwend-Flockenblume ab und bringt so ein Bällchen Wolle zusammen, das sie zwischen ihren Kiefern stolz davonträgt. Unter der Erde wird sie daraus Säcklein von verfilzter Watte herstellen, in die sie mit einem Vorrat von Honig ein Ei einschließt. Und was sind das für welche, die so hitzig auf Beute ausgehen? Es sind Blattschneiderbienen, die unter dem Bauch ein Haarbürstchen tragen, schwarz, weiß oder feuerrot gefärbt, an dem der Honig klebt. Sie verlassen die Disteln, um die nahen Büsche aufzusuchen und schneiden dort aus den Blättern ovale Stücke heraus, die sie zu kleinen Behältern zusammendrehen, geeignet zur Aufbewahrung des Honigs. Und die dort im schwarzen Samt? Das sind Mörtelbienen, die mit Zement und Kies arbeiten. Auf den Steinen des Harmas werden wir unschwer ihre Maurerarbeiten erkennen. Und hier sind die Mauerbienen. Die eine stapelt ihre Zellen in der Wendeltreppe eines leeren Weinbergschneckenhauses; eine andere bohrt sich in das Mark einer dürren Brombeerranke ein und schafft für ihre Larven eine zylinderförmige Wohnstätte, die sie durch eingefügte Zwischenwände in Stockwerke unterteilt. Eine dritte macht sich den natürlichen Hohlraum eines abgeschnittenen Schilfrohrs zunutze; eine vierte wohnt mietfrei in alten Mörtelbienengängen. Ich vermag den ganzen Haufen gar nicht aufzuzählen. Wenn ich die Gäste meiner Disteln alle auflisten wollte, würde wohl fast das ganze Volk der Honigsammler vorbeimarschieren.
Franz-Josef Wittmann: "Ich habe in meinem Tagebuch nachgeschaut, das war am 8. August 1990, da sind wir, meine Frau und ich, das Rhonetal heruntergefahren und haben einen Campingplatz gesucht und haben ihn gefunden in Sérignan-du-Comtat. Haben da übernachtet und haben uns natürlich auch ein bisschen den Ort angeschaut. Und da auf dem Platz, dem Hauptplatz des Ortes, stand ein Denkmal. Da saß ein kleiner Mann, der mit der Lupe irgendetwas betrachtete. Und dann habe ich mich gefragt, wer ist das, und habe mich erkundigt und habe gehört, das sei Jean-Henri Fabre und dessen Harmas liege hier in Sérignan. Und da sind wir dann hingefahren und haben das besichtigt, wobei uns vor allem der große Garten beeindruckt hat, außerdem kann man die Arbeitsräume von Fabre sehen mit seinen Sammlungen. Ungewöhnlich war an der Statue, dass da ein kleiner, dürr wirkender Mann saß. Also, keineswegs so, wie man sich ein Denkmal normalerweise vorstellt, dass da jemand in heldenhafter Pose steht, sondern im Gegenteil, der saß da etwas zusammengekrümmt und betrachtete etwas durch eine Lupe. Das war so seine typische Haltung. Ich habe dann auch in dem Harmas, die haben so einen kleinen Verkaufsladen, da wurden Exemplare seiner "Souvenirs Entomologiques" angeboten, da habe ich einen Band gekauft. Und da habe ich die "Souvenirs Entomologiques" kennengelernt."
Jean-Henri Fabre: Genau das habe ich mir gewünscht: ein Stück Land, oh! nicht groß, aber umzäunt und den Unannehmlichkeiten der öffentlichen Straße entzogen, vernachlässigt, unfruchtbar, ausgedörrt, gut für Disteln und Hautflügler. Hier könnte ich, von Passanten ungestört, Sandwespe und Grabwespe befragen. Es ist ein Harmas. So nennt man hier steinige, von Thymian überwucherte Brachen. Sie sind zu mager und lohnen das Pflügen nicht. Im Frühjahr streift hier das Schaf umher, wenn es zufällig mal geregnet hat und etwas Grün sprießt. Solange der Boden feucht vom Frühlingsregen ist, hat diese raue Vegetation einen gewissen Charme, wenn die Spitzen der Golddistel und die langen Stängel der Eselsdistel den aus den gelben Köpfen der Sonnwend-Flockenblume gewebten Teppich überragen. Aber in den trockenen Sommertagen ist alles nur eine öde Fläche, und ein Streichholzflämmchen reicht, um alles in Brand zu setzen. Von solcher Art ist oder war das liebliche Paradies, als ich es in Besitz nahm, um vertrauten Umgang mit dem Insekt zu pflegen. Paradies sagte ich; und aus meiner Sicht ist dieses Wort nicht fehl am Platz. Dieses verfluchte Fleckchen, dem keiner ein paar Rübensamen anvertrauen mochte, erweist sich für die Hautflügler als ein Paradies auf Erden.
Ein "Paradies auf Erden" ist es auch für ihn, dieser "Versuchsgarten lebendiger Insektenforschung", wie er ihn nennt, wo er im tagtäglichen 'Zwiegespräch' mit seinen Hautflüglern und anderen Insekten mehr als dreißig Jahre zubringen wird. Sechsundfünfzig Jahre alt ist er bereits, als er sich diesen Herzenswunsch erfüllen kann. In Sérignan-du-Comtat, einem kleinen Dorf im Süden Frankreichs, findet er endlich das, wovon er so lange schon geträumt hatte. Jean-Henri Fabre, der legendäre Naturbeobachter, der seine faszinierenden Einsichten in das Leben der Insekten in der ebenso faszinierenden Prosa seiner "Souvenirs Entomologiques" der Nachwelt überliefert hat - in den insgesamt zehn Bänden, die er in den Jahren 1879 bis 1907 in seinem Harmas im provençalischen Sérignan niederschreibt.
Jean-Henri Fabre: Die gewaltige Wildnis aus Disteln und Flockenblumen lockt alle herbei. Nie sah ich auf meinen entomologischen Streifzügen auf einer Stelle eine solche Population vereint.
Jean-Henri Fabre: Wer ist denn das? Es ist eine Wollbiene. Sie kratzt den spinnwebartigen Stängel der Sonnwend-Flockenblume ab und bringt so ein Bällchen Wolle zusammen, das sie zwischen ihren Kiefern stolz davonträgt. Unter der Erde wird sie daraus Säcklein von verfilzter Watte herstellen, in die sie mit einem Vorrat von Honig ein Ei einschließt. Und was sind das für welche, die so hitzig auf Beute ausgehen? Es sind Blattschneiderbienen, die unter dem Bauch ein Haarbürstchen tragen, schwarz, weiß oder feuerrot gefärbt, an dem der Honig klebt. Sie verlassen die Disteln, um die nahen Büsche aufzusuchen und schneiden dort aus den Blättern ovale Stücke heraus, die sie zu kleinen Behältern zusammendrehen, geeignet zur Aufbewahrung des Honigs. Und die dort im schwarzen Samt? Das sind Mörtelbienen, die mit Zement und Kies arbeiten. Auf den Steinen des Harmas werden wir unschwer ihre Maurerarbeiten erkennen. Und hier sind die Mauerbienen. Die eine stapelt ihre Zellen in der Wendeltreppe eines leeren Weinbergschneckenhauses; eine andere bohrt sich in das Mark einer dürren Brombeerranke ein und schafft für ihre Larven eine zylinderförmige Wohnstätte, die sie durch eingefügte Zwischenwände in Stockwerke unterteilt. Eine dritte macht sich den natürlichen Hohlraum eines abgeschnittenen Schilfrohrs zunutze; eine vierte wohnt mietfrei in alten Mörtelbienengängen. Ich vermag den ganzen Haufen gar nicht aufzuzählen. Wenn ich die Gäste meiner Disteln alle auflisten wollte, würde wohl fast das ganze Volk der Honigsammler vorbeimarschieren.
Franz-Josef Wittmann: "Ich habe in meinem Tagebuch nachgeschaut, das war am 8. August 1990, da sind wir, meine Frau und ich, das Rhonetal heruntergefahren und haben einen Campingplatz gesucht und haben ihn gefunden in Sérignan-du-Comtat. Haben da übernachtet und haben uns natürlich auch ein bisschen den Ort angeschaut. Und da auf dem Platz, dem Hauptplatz des Ortes, stand ein Denkmal. Da saß ein kleiner Mann, der mit der Lupe irgendetwas betrachtete. Und dann habe ich mich gefragt, wer ist das, und habe mich erkundigt und habe gehört, das sei Jean-Henri Fabre und dessen Harmas liege hier in Sérignan. Und da sind wir dann hingefahren und haben das besichtigt, wobei uns vor allem der große Garten beeindruckt hat, außerdem kann man die Arbeitsräume von Fabre sehen mit seinen Sammlungen. Ungewöhnlich war an der Statue, dass da ein kleiner, dürr wirkender Mann saß. Also, keineswegs so, wie man sich ein Denkmal normalerweise vorstellt, dass da jemand in heldenhafter Pose steht, sondern im Gegenteil, der saß da etwas zusammengekrümmt und betrachtete etwas durch eine Lupe. Das war so seine typische Haltung. Ich habe dann auch in dem Harmas, die haben so einen kleinen Verkaufsladen, da wurden Exemplare seiner "Souvenirs Entomologiques" angeboten, da habe ich einen Band gekauft. Und da habe ich die "Souvenirs Entomologiques" kennengelernt."
Jean-Henri Fabre
Entomologische Erinnerungen
Französisch-Deutsch, übersetzt und herausgegeben von Franz-Josef Wittmann, bisher fünf Bände
Weltbekannt und in viele Sprachen übersetzt sind Fabres "Souvenirs Entomologiques" (Entomologische Erinnerungen), ein umfangreiches Werk, das er in zehn Serien in der Zeit zwischen 1879 und 1907 veröffentlicht hat.
Kurt Guggenheim
Sandkorn für Sandkorn
Die Begegnung mit Jean-Henri Fabre
Artemis-Verlag, Zürich und Stuttgart 1959
Mehr
Entomologische Erinnerungen
Französisch-Deutsch, übersetzt und herausgegeben von Franz-Josef Wittmann, bisher fünf Bände
Weltbekannt und in viele Sprachen übersetzt sind Fabres "Souvenirs Entomologiques" (Entomologische Erinnerungen), ein umfangreiches Werk, das er in zehn Serien in der Zeit zwischen 1879 und 1907 veröffentlicht hat.
Kurt Guggenheim
Sandkorn für Sandkorn
Die Begegnung mit Jean-Henri Fabre
Artemis-Verlag, Zürich und Stuttgart 1959
Mehr
Auszug aus dem Manuskript:
Kurt Guggenheim: Es war die erste Psychologie der Tiere, die der Einsiedler von Sérignan auf den Tisch der Menschheit legte. Die alle zwei oder drei Jahre erscheinenden Bände wurden von den Kennern verschlungen: Philosophen, Biologen, Dichter zählten die Bücher Fabres zu den Kostbarkeiten. Dabei war es buchstäblich so, daß jeder, der lesen konnte, mitten in die wunderbarsten, die kompliziertesten Vorgänge des Insektenlebens hineingeführt wurde. So wie Fabre es immer ablehnte, seine Tiere zu sezieren und das Mikroskop zu seinen Beobachtungen heranzuziehen, sondern sich immer nur der einfachen Lupe bediente, durch die er das Insekt beobachtete, so verzichtete er in seiner Darstellung auf jeden wissenschaftlichen Jargon. Seine Bände bekamen einen Stil, eine Ruhe, eine Treffsicherheit, die sie zu den klassischen Stücken der französischen Sprache werden ließen. Das große Werk war auch ein Sprachwunder.
Dies schreibt der Schweizer Schriftsteller Kurt Guggenheim in seinem Buch "Sandkorn für Sandkorn. Die Begegnung mit Jean-Henri Fabre". Tatsächlich hat Fabre zu keiner Zeit bloß die Fachwelt im Blick, ebenso will er die Jungen "die Naturgeschichte wieder lieben lehren", die ihnen durch die "sogenannte wissenschaftliche Schreibweise, die leider allzuoft einem Kauderwelsch gleicht", verleidet wurde. In den zehn Bänden seiner "Souvenirs Entomologiques" vereint er beides auf das Glücklichste: Forschergeist und schriftstellerisches Ingenium, das es mühelos versteht, seiner Leserschaft die Welt der Insekten nahezubringen. 1879 erscheint die Erste Serie, rund dreißig Jahre später, 1907, beendet Fabre den letzten Band seiner "Erinnerungen". Ein Foto aus dieser Zeit zeigt den 84-Jährigen mit seinem breitrandigen Filzhut, das Gesicht vom Alter und von der Sonne der Provence gegerbt, in seiner typischen Haltung mit der unverzichtbaren Lupe vor Augen über eine seiner Drahtglocken gebeugt. Längst nicht nur in Frankreich anerkannt, die Schwedische Akademie der Wissenschaften verleiht ihm 1910 die Linné-Medaille, ihre höchste Auszeichnung, spricht man sogar davon, ihn mit dem Literatur-Nobelpreis zu ehren.
Franz-Josef Wittmann: "Für den Nobelpreis war Fabre nicht nur im Gespräch, sondern er ist 1912 dafür förmlich vorgeschlagen worden. Darüber gibt es Unklarheiten. Ich bin dem genau nachgegangen. Es gibt Veröffentlichungen über die jeweilige Zuerkennung des Nobelpreises, zum Beispiel einen Text, der heißt "Kleine Geschichte der Zuerkennung des Nobelpreises an Gerhard Hauptmann", und darin heißt es: "1912 standen 31 Kandidaten zur Diskussion, Frankreich schickte schließlich in der Tat eine reguläre Bewerbung für Jean-Henri Fabre und seine "Entomologischen Erinnerungen". So zog der Greis aus Sérignan endlich, nachdem er Jahr für Jahr in seiner Heimat genannt worden war, in die Annalen des nordländischen Preises ein. In einer von Anatole France, Henri Bergson, Maurice Maeterlinck u. a. unterzeichneten Empfehlung wurde seine Sache mit Kraft und schöner Würde vertreten." - Also, er ist förmlich für den Nobelpreis vorgeschlagen worden."
C. Plinius Secundus d. Ä.
Naturkunde
Lateinisch-Deutsch, Buch XI, Insekten
Artemis Verlag, München 1990
Gaius Plinius Secundus Maior, kurz Plinius der Ältere (* 23 oder 24 n. Chr. in Novum Comum, heute Como; † 25. August 79 in Stabiae am Golf von Neapel), war ein römischer Gelehrter, Offizier und Verwaltungsbeamter, der vor allem durch ein enzyklopädisches Werk zur Naturkunde Bedeutung erlangt hat. Mehr
Auszug aus dem Manuskript:
Manfred Verhaagh: "Insekten kommen praktisch in allen Lebensräumen auf dem Land und im Süßwasser vor mit Ausnahme der Arktis und der Antarktis. Im Meer gibt es also auch praktisch keine Insekten. Es gibt nur ganz wenige Arten, die auf dem Meerwasser leben so im Spülsaum oder die auch ein bisschen weiter rausgehen, also, auf der Oberfläche laufen. Aber eigentlich ist das Meer, ist das Salzwasser, kein Lebensraum für Insekten. Das ist ganz erstaunlich, weil man heute eigentlich davon ausgeht, dass Insekten von Krebsen abstammen, und die Krebse gibt es ja in großer Zahl im Meereswasser. Aber diese Gruppe von Gliederfüßlern, zu denen die Insekten ja gehören, hat sich eben ganz aufs Landleben und das Leben im Süßwasser spezialisiert. Je wärmer es ist, um so mehr Insekten gibt es, wenn gleichzeitig noch genügend Feuchtigkeit da ist, aber auch selbst in den Wüsten finden wir Insekten."
Erdgeschichtlich sind sie früh und innerhalb riesiger Zeiträume entstanden, die es der Natur gestattet haben, ihre "Kunstfertigkeit" nicht nur in aller Ruhe, sondern vor allem im Allerkleinsten zu erproben. Insektenliebhaber blicken seit je mit Erstaunen und Bewunderung auf dieses reiche Wirkungsfeld der Natur, auf dem sie ihre Kreativität in so vielgestaltiger wie minuziöser Weise entfaltet hat. Blicken mit Erstaunen und Bewunderung auf all die "animalia inmensae subtilitatis", auf diese "Tiere von unendlicher Feinheit", wie schon der römische Gelehrte Plinius der Ältere im elften Buch seiner "Naturkunde" schreibt, das er den Insekten gewidmet hat:
Plinius: Nirgendwo sonst offenbart sich in höherem Grade die Kunstfertigkeit der Natur. Bei großen Lebewesen war die Bildung leicht: bei diesen so kleinen und fast in Nichts verschwindenden Tierchen welch überlegener Geist, welches Vermögen, welch unergründliche Vollendung! Wo brachte die Natur bei der Mücke so viele Sinnesorgane an? Wo das Sehvermögen? Wo hat sie den Geschmackssinn angefügt? Wo den Geruchssinn eingepflanzt? Wo jene rauhe und verhältnismäßig starke Stimme eingehaucht? Mit welcher Feinheit hat sie die Flügel angeheftet, die Beine langgestreckt, die leere Höhlung als Bauch eingerichtet und den gierigen Durst nach Blut, besonders nach menschlichem, entzündet? Mit welcher Geschicklichkeit hat sie den Stachel zum Durchbohren der Haut zugespitzt und ihn mit doppelter Kunst geschaffen, indem er zum Stechen spitz und zugleich zum Saugen hohl ist. Wir bewundern die turmtragenden Schultern der Elefanten, die Nacken der Stiere und ihre trotzigen Attacken, die Raubgier der Tiger und die Mähnen der Löwen, während die Natur doch nirgends vollkommener ist als in den kleinsten Tieren.
Dasselbe Erstaunen und dieselbe Bewunderung teilt auch Fabre, der um so vieles Jüngere, mit Plinius dem Älteren. Doch nicht nur ihr Geist verbeugt sich vor diesen Meisterleistungen der Natur, ebenso hat sich der Körper zu beugen, will man ihrer 'Kunst' wirklich gerecht werden und ihren 'Werken' tatsächlich nahekommen. Muss sich tief hinunterbeugen, hinunter zu den Allerkleinsten, um diesen Lebewesen auf ihrer 'Höhe' und auf ihrem Terrain begegnen zu können. Denn nur von ihnen selbst und von ihren erstaunlichen Lebensäußerungen hat sich der Insektenforscher leiten zu lassen, um über das staunenswerte Wunder ihres Daseins belehrt zu werden. Bisweilen sogar mitten in der Nacht, wenn der aufmerksame Liebhaber draußen in seinem Garten noch ein Stelldichein mit der Grille hat.
Ernst Jünger
Sämtliche Werke
Band 10, Essays IV, Subtile Jagden
Klett-Cotta, Stuttgart 1980
Ursprünglich sollten die "Subtilen Jagden" "Einiges über Käfer und etwas mehr" heißen in diesem Band zeigt sich Jünger als Sammler, voll "krabbelnder Bijouterie" (Peter von Matt).
Es war Jüngers Vater, der (in Heidelberg bei Victor Meyer promoviert) seinem Sohn den ersten Sammelkasten für Insekten schenkte, und dieser nutzte sogar im Ersten Weltkrieg die Gefechtspausen, um seine Sammlung zu erweitern. Dabei ist Jünger bei seinen "Jagden", die auch ein Erinnerungsbuch für den Vater sind, dabei stets Entomologe und Schriftsteller zugleich. Dies wird auch in den Parerga deutlich, die u. a. frühe Entwürfe und Erinnerungen an den katholischen Geistlichen und Entomologen Adolf Horions enthalten.
Auszug aus dem Manuskript:
Jean-Henri Fabre: Es ist vier Uhr, der Tag wird fahl, die Temperatur sinkt, die Hähne beginnen zu krähen, von dieser Art unzeitgemäßer Dämmerung überrascht. Einige Hunde bellen. Die Nachtigall, deren nicht endenwollender Gesang mich manchmal störte, schweigt; unter den Schwarzköpfigen Grasmücken, die fortwährend schwatzen, wird es still. Im Harmas sehe ich kein Insekt mehr herumfliegen, keine Biene mehr, die im Rosmarin Honig sammelt; alle Bewegung ist erstorben.
Diese zu seinem Abschied vom Harmas seltsam passenden Zeilen hatte Jean-Henri Fabre anlässlich der großen Sonnenfinsternis am 28. Mai 1900 notiert. Mehr als ein halbes Jahrhundert später, im Mai 1967, wird der Schriftsteller und Insektenliebhaber Ernst Jünger Fabres verlassenen Harmas besuchen und seine eigenen entomologischen Erinnerungen "Subtile Jagden" mit einer Liebeserklärung an diesen "Meister" beschließen:
Ernst Jünger: In dieser Woche stand ich mit Freunden vor Fabres Arbeitstisch. Noch immer liegen auf ihm die beiden Taschenmesser, die Pinzette, der Spatel griffbereit als das bescheidene Handwerkzeug, das er auf seinen Gängen mitführte. Alles in diesem Haus zeugt von einem langen, erfüllten Leben, von liebevoller Wirksamkeit. Immer ist Ehrfurcht, ist auch Trauer um diese Stätten, in denen noch für eine Weile der Schatten webt. Auch draußen im Garten hat die Zeit gewirkt. Er ist verwildert, die Macchia zog ein. In solchen Gärten vergessen wir mit den Namen fast schon den eigenen. Die Dinge sprechen mit ihrer namenlosen Kraft. Die Sonne scheint, hier wird es friedlich; nun tritt der Meister aus dem Hause, in dem wir ihn geehrt haben. Er nähert sich, er ist lebendig: dort verehrten, hier lieben wir ihn.
Kurt Guggenheim: Es war die erste Psychologie der Tiere, die der Einsiedler von Sérignan auf den Tisch der Menschheit legte. Die alle zwei oder drei Jahre erscheinenden Bände wurden von den Kennern verschlungen: Philosophen, Biologen, Dichter zählten die Bücher Fabres zu den Kostbarkeiten. Dabei war es buchstäblich so, daß jeder, der lesen konnte, mitten in die wunderbarsten, die kompliziertesten Vorgänge des Insektenlebens hineingeführt wurde. So wie Fabre es immer ablehnte, seine Tiere zu sezieren und das Mikroskop zu seinen Beobachtungen heranzuziehen, sondern sich immer nur der einfachen Lupe bediente, durch die er das Insekt beobachtete, so verzichtete er in seiner Darstellung auf jeden wissenschaftlichen Jargon. Seine Bände bekamen einen Stil, eine Ruhe, eine Treffsicherheit, die sie zu den klassischen Stücken der französischen Sprache werden ließen. Das große Werk war auch ein Sprachwunder.
Dies schreibt der Schweizer Schriftsteller Kurt Guggenheim in seinem Buch "Sandkorn für Sandkorn. Die Begegnung mit Jean-Henri Fabre". Tatsächlich hat Fabre zu keiner Zeit bloß die Fachwelt im Blick, ebenso will er die Jungen "die Naturgeschichte wieder lieben lehren", die ihnen durch die "sogenannte wissenschaftliche Schreibweise, die leider allzuoft einem Kauderwelsch gleicht", verleidet wurde. In den zehn Bänden seiner "Souvenirs Entomologiques" vereint er beides auf das Glücklichste: Forschergeist und schriftstellerisches Ingenium, das es mühelos versteht, seiner Leserschaft die Welt der Insekten nahezubringen. 1879 erscheint die Erste Serie, rund dreißig Jahre später, 1907, beendet Fabre den letzten Band seiner "Erinnerungen". Ein Foto aus dieser Zeit zeigt den 84-Jährigen mit seinem breitrandigen Filzhut, das Gesicht vom Alter und von der Sonne der Provence gegerbt, in seiner typischen Haltung mit der unverzichtbaren Lupe vor Augen über eine seiner Drahtglocken gebeugt. Längst nicht nur in Frankreich anerkannt, die Schwedische Akademie der Wissenschaften verleiht ihm 1910 die Linné-Medaille, ihre höchste Auszeichnung, spricht man sogar davon, ihn mit dem Literatur-Nobelpreis zu ehren.
Franz-Josef Wittmann: "Für den Nobelpreis war Fabre nicht nur im Gespräch, sondern er ist 1912 dafür förmlich vorgeschlagen worden. Darüber gibt es Unklarheiten. Ich bin dem genau nachgegangen. Es gibt Veröffentlichungen über die jeweilige Zuerkennung des Nobelpreises, zum Beispiel einen Text, der heißt "Kleine Geschichte der Zuerkennung des Nobelpreises an Gerhard Hauptmann", und darin heißt es: "1912 standen 31 Kandidaten zur Diskussion, Frankreich schickte schließlich in der Tat eine reguläre Bewerbung für Jean-Henri Fabre und seine "Entomologischen Erinnerungen". So zog der Greis aus Sérignan endlich, nachdem er Jahr für Jahr in seiner Heimat genannt worden war, in die Annalen des nordländischen Preises ein. In einer von Anatole France, Henri Bergson, Maurice Maeterlinck u. a. unterzeichneten Empfehlung wurde seine Sache mit Kraft und schöner Würde vertreten." - Also, er ist förmlich für den Nobelpreis vorgeschlagen worden."
C. Plinius Secundus d. Ä.
Naturkunde
Lateinisch-Deutsch, Buch XI, Insekten
Artemis Verlag, München 1990
Gaius Plinius Secundus Maior, kurz Plinius der Ältere (* 23 oder 24 n. Chr. in Novum Comum, heute Como; † 25. August 79 in Stabiae am Golf von Neapel), war ein römischer Gelehrter, Offizier und Verwaltungsbeamter, der vor allem durch ein enzyklopädisches Werk zur Naturkunde Bedeutung erlangt hat. Mehr
Auszug aus dem Manuskript:
Manfred Verhaagh: "Insekten kommen praktisch in allen Lebensräumen auf dem Land und im Süßwasser vor mit Ausnahme der Arktis und der Antarktis. Im Meer gibt es also auch praktisch keine Insekten. Es gibt nur ganz wenige Arten, die auf dem Meerwasser leben so im Spülsaum oder die auch ein bisschen weiter rausgehen, also, auf der Oberfläche laufen. Aber eigentlich ist das Meer, ist das Salzwasser, kein Lebensraum für Insekten. Das ist ganz erstaunlich, weil man heute eigentlich davon ausgeht, dass Insekten von Krebsen abstammen, und die Krebse gibt es ja in großer Zahl im Meereswasser. Aber diese Gruppe von Gliederfüßlern, zu denen die Insekten ja gehören, hat sich eben ganz aufs Landleben und das Leben im Süßwasser spezialisiert. Je wärmer es ist, um so mehr Insekten gibt es, wenn gleichzeitig noch genügend Feuchtigkeit da ist, aber auch selbst in den Wüsten finden wir Insekten."
Erdgeschichtlich sind sie früh und innerhalb riesiger Zeiträume entstanden, die es der Natur gestattet haben, ihre "Kunstfertigkeit" nicht nur in aller Ruhe, sondern vor allem im Allerkleinsten zu erproben. Insektenliebhaber blicken seit je mit Erstaunen und Bewunderung auf dieses reiche Wirkungsfeld der Natur, auf dem sie ihre Kreativität in so vielgestaltiger wie minuziöser Weise entfaltet hat. Blicken mit Erstaunen und Bewunderung auf all die "animalia inmensae subtilitatis", auf diese "Tiere von unendlicher Feinheit", wie schon der römische Gelehrte Plinius der Ältere im elften Buch seiner "Naturkunde" schreibt, das er den Insekten gewidmet hat:
Plinius: Nirgendwo sonst offenbart sich in höherem Grade die Kunstfertigkeit der Natur. Bei großen Lebewesen war die Bildung leicht: bei diesen so kleinen und fast in Nichts verschwindenden Tierchen welch überlegener Geist, welches Vermögen, welch unergründliche Vollendung! Wo brachte die Natur bei der Mücke so viele Sinnesorgane an? Wo das Sehvermögen? Wo hat sie den Geschmackssinn angefügt? Wo den Geruchssinn eingepflanzt? Wo jene rauhe und verhältnismäßig starke Stimme eingehaucht? Mit welcher Feinheit hat sie die Flügel angeheftet, die Beine langgestreckt, die leere Höhlung als Bauch eingerichtet und den gierigen Durst nach Blut, besonders nach menschlichem, entzündet? Mit welcher Geschicklichkeit hat sie den Stachel zum Durchbohren der Haut zugespitzt und ihn mit doppelter Kunst geschaffen, indem er zum Stechen spitz und zugleich zum Saugen hohl ist. Wir bewundern die turmtragenden Schultern der Elefanten, die Nacken der Stiere und ihre trotzigen Attacken, die Raubgier der Tiger und die Mähnen der Löwen, während die Natur doch nirgends vollkommener ist als in den kleinsten Tieren.
Dasselbe Erstaunen und dieselbe Bewunderung teilt auch Fabre, der um so vieles Jüngere, mit Plinius dem Älteren. Doch nicht nur ihr Geist verbeugt sich vor diesen Meisterleistungen der Natur, ebenso hat sich der Körper zu beugen, will man ihrer 'Kunst' wirklich gerecht werden und ihren 'Werken' tatsächlich nahekommen. Muss sich tief hinunterbeugen, hinunter zu den Allerkleinsten, um diesen Lebewesen auf ihrer 'Höhe' und auf ihrem Terrain begegnen zu können. Denn nur von ihnen selbst und von ihren erstaunlichen Lebensäußerungen hat sich der Insektenforscher leiten zu lassen, um über das staunenswerte Wunder ihres Daseins belehrt zu werden. Bisweilen sogar mitten in der Nacht, wenn der aufmerksame Liebhaber draußen in seinem Garten noch ein Stelldichein mit der Grille hat.
Ernst Jünger
Sämtliche Werke
Band 10, Essays IV, Subtile Jagden
Klett-Cotta, Stuttgart 1980
Ursprünglich sollten die "Subtilen Jagden" "Einiges über Käfer und etwas mehr" heißen in diesem Band zeigt sich Jünger als Sammler, voll "krabbelnder Bijouterie" (Peter von Matt).
Es war Jüngers Vater, der (in Heidelberg bei Victor Meyer promoviert) seinem Sohn den ersten Sammelkasten für Insekten schenkte, und dieser nutzte sogar im Ersten Weltkrieg die Gefechtspausen, um seine Sammlung zu erweitern. Dabei ist Jünger bei seinen "Jagden", die auch ein Erinnerungsbuch für den Vater sind, dabei stets Entomologe und Schriftsteller zugleich. Dies wird auch in den Parerga deutlich, die u. a. frühe Entwürfe und Erinnerungen an den katholischen Geistlichen und Entomologen Adolf Horions enthalten.
Auszug aus dem Manuskript:
Jean-Henri Fabre: Es ist vier Uhr, der Tag wird fahl, die Temperatur sinkt, die Hähne beginnen zu krähen, von dieser Art unzeitgemäßer Dämmerung überrascht. Einige Hunde bellen. Die Nachtigall, deren nicht endenwollender Gesang mich manchmal störte, schweigt; unter den Schwarzköpfigen Grasmücken, die fortwährend schwatzen, wird es still. Im Harmas sehe ich kein Insekt mehr herumfliegen, keine Biene mehr, die im Rosmarin Honig sammelt; alle Bewegung ist erstorben.
Diese zu seinem Abschied vom Harmas seltsam passenden Zeilen hatte Jean-Henri Fabre anlässlich der großen Sonnenfinsternis am 28. Mai 1900 notiert. Mehr als ein halbes Jahrhundert später, im Mai 1967, wird der Schriftsteller und Insektenliebhaber Ernst Jünger Fabres verlassenen Harmas besuchen und seine eigenen entomologischen Erinnerungen "Subtile Jagden" mit einer Liebeserklärung an diesen "Meister" beschließen:
Ernst Jünger: In dieser Woche stand ich mit Freunden vor Fabres Arbeitstisch. Noch immer liegen auf ihm die beiden Taschenmesser, die Pinzette, der Spatel griffbereit als das bescheidene Handwerkzeug, das er auf seinen Gängen mitführte. Alles in diesem Haus zeugt von einem langen, erfüllten Leben, von liebevoller Wirksamkeit. Immer ist Ehrfurcht, ist auch Trauer um diese Stätten, in denen noch für eine Weile der Schatten webt. Auch draußen im Garten hat die Zeit gewirkt. Er ist verwildert, die Macchia zog ein. In solchen Gärten vergessen wir mit den Namen fast schon den eigenen. Die Dinge sprechen mit ihrer namenlosen Kraft. Die Sonne scheint, hier wird es friedlich; nun tritt der Meister aus dem Hause, in dem wir ihn geehrt haben. Er nähert sich, er ist lebendig: dort verehrten, hier lieben wir ihn.
Vladimir Nabokov
Erinnerung, sprich,
Rowohlt Verlag, Reinbeck bei Hamburg 1999
Nabokov schrieb die Fassung seiner Lebenserinnerung zwischen 1943 und 1951 in den Vereinigten Staaten. Sie umfassen die Jahre 1899 bis 1940, die Kindheit in Russland und die Exiljahre in Europa. Er gab ihr den Titel "Conclusive Evidence" ("... schlüssige Beweise dafür, dass es mich wirklich gegeben hat ..."). 1964 wurde dann eine zweite, wesentlich erweiterte Fassung in den USA publiziert, die 1984 in Deutschland unter dem Titel "Sprich, Erinnerung, sprich" herauskam. Es war nicht Nabokovs Ziel eine Chronik der Erinnerung zu schreiben. "Ich gestehe, dass ich nicht an die Zeit glaube", sagte er einmal. Ihn interessierte es, "die thematischen Muster das Leben hindurch zu verfolgen. So erzählen die fünfzehn Kapitel die ersten Jahre der Kindheit zwar chronologisch, greifen aber dann zuweilen vor: Die Erinnerung führt aus den Wäldern um Wyra, dem Landsitz der Familie, über die französische Atlantikküste aus die Berghänge von Telluride, Colorado, aber immer wieder greift sie zurück auf das verlorene Paradies der Kindheit. "Vor der völligen Auslöschung konnte er das Verlorene nur auf eine Weise bewahren: indem er es in einer extravaganten Anspannung des Gedächtnisses genau und farbig rekonstruierte." (Dieter F. Zimmer)
Erinnerung, sprich,
Rowohlt Verlag, Reinbeck bei Hamburg 1999
Nabokov schrieb die Fassung seiner Lebenserinnerung zwischen 1943 und 1951 in den Vereinigten Staaten. Sie umfassen die Jahre 1899 bis 1940, die Kindheit in Russland und die Exiljahre in Europa. Er gab ihr den Titel "Conclusive Evidence" ("... schlüssige Beweise dafür, dass es mich wirklich gegeben hat ..."). 1964 wurde dann eine zweite, wesentlich erweiterte Fassung in den USA publiziert, die 1984 in Deutschland unter dem Titel "Sprich, Erinnerung, sprich" herauskam. Es war nicht Nabokovs Ziel eine Chronik der Erinnerung zu schreiben. "Ich gestehe, dass ich nicht an die Zeit glaube", sagte er einmal. Ihn interessierte es, "die thematischen Muster das Leben hindurch zu verfolgen. So erzählen die fünfzehn Kapitel die ersten Jahre der Kindheit zwar chronologisch, greifen aber dann zuweilen vor: Die Erinnerung führt aus den Wäldern um Wyra, dem Landsitz der Familie, über die französische Atlantikküste aus die Berghänge von Telluride, Colorado, aber immer wieder greift sie zurück auf das verlorene Paradies der Kindheit. "Vor der völligen Auslöschung konnte er das Verlorene nur auf eine Weise bewahren: indem er es in einer extravaganten Anspannung des Gedächtnisses genau und farbig rekonstruierte." (Dieter F. Zimmer)
Auszug aus dem Manuskript:
Vladimir Nabokov: Diese ganze Schönheit, davon bin ich überzeugt, ist nur ein jeu d'esprit der Natur. Der einzige Grund für diese Pracht ist reiner Jubel, ein Ausbruch, könnte man sagen, überströmende Energie. Dieses schillernde Blau, das Silber der Anden, die plutonischen Indigos - sie alle sind nur Entladungen einer unbändigen joie de vivre. Ich habe versucht, die Welt durch die imaginären Augen eines Schmetterlings zu sehen - Blätter und Licht mit den Augen eines Schwalbenschwanzes. Ich habe mir vorzustellen versucht, wie es ist, wenn die Luft unter meinen ausgebreiteten Schwingen dahinstreicht, wenn die Blätter meine Schuppen liebkosen, wenn die Blütenblätter unter meinem Rüssel rascheln, wenn mein Körper den nahenden Herbst spürt und die Knöpfchen meiner Fühler einen noch fernen Sturm vorausahnen. Ich wollte die Wonne der Raupe, die an den Nesseln nagt, und das unerhörte Wachstum der Flügel im Inneren des Kokons erleben. Das bedeutet es, ein Schmetterling zu sein - ein unerschöpfliches Labyrinth der Ekstasen!
Begeistert sich der Schriftsteller Vladimir Nabokov, bekannt für seine lebenslange Leidenschaft für Schmetterlinge.
Vladimir Nabokov: Als ich in Cambridge war, fuhr ich mit meinem Netz auf dem Rad nach Wickham Fen. Ich war auf der Suche nach dem Papilio machaon, der Unterart britannicus, die eine blassere und weniger auffallende Färbung aufweist. Ich fing ein herrliches junges, ganz samtiges Weibchen, und es war schöner als alles auf der Welt. Aber dann beschäftigte ich mich mit Worten, mit Büchern, mit Verhaltensweisen, und nie wieder habe ich dieses unendliche Glücksgefühl verspürt.
Robert Trusch: "Der Schmetterling gehört wie auch etliche andere Insektengruppen zu den holometabolen Insekten, also, die die vollständige Verwandlung vollführen, deren Weibchen nach der Befruchtung Eier legen, die Eier entlassen irgendwann die Raupen, die Raupen sind das eigentliche Fressstadium und dann das Wunder der Verpuppung. Die Verpuppung führt dazu, dass nochmal die ganze Struktur, die in der Raupe vorhanden war, aufgelöst wird, sich alles neu organisiert und daraus dann der Schmetterling schlüpft."
Vladimir Nabokov: Diese ganze Schönheit, davon bin ich überzeugt, ist nur ein jeu d'esprit der Natur. Der einzige Grund für diese Pracht ist reiner Jubel, ein Ausbruch, könnte man sagen, überströmende Energie. Dieses schillernde Blau, das Silber der Anden, die plutonischen Indigos - sie alle sind nur Entladungen einer unbändigen joie de vivre. Ich habe versucht, die Welt durch die imaginären Augen eines Schmetterlings zu sehen - Blätter und Licht mit den Augen eines Schwalbenschwanzes. Ich habe mir vorzustellen versucht, wie es ist, wenn die Luft unter meinen ausgebreiteten Schwingen dahinstreicht, wenn die Blätter meine Schuppen liebkosen, wenn die Blütenblätter unter meinem Rüssel rascheln, wenn mein Körper den nahenden Herbst spürt und die Knöpfchen meiner Fühler einen noch fernen Sturm vorausahnen. Ich wollte die Wonne der Raupe, die an den Nesseln nagt, und das unerhörte Wachstum der Flügel im Inneren des Kokons erleben. Das bedeutet es, ein Schmetterling zu sein - ein unerschöpfliches Labyrinth der Ekstasen!
Begeistert sich der Schriftsteller Vladimir Nabokov, bekannt für seine lebenslange Leidenschaft für Schmetterlinge.
Vladimir Nabokov: Als ich in Cambridge war, fuhr ich mit meinem Netz auf dem Rad nach Wickham Fen. Ich war auf der Suche nach dem Papilio machaon, der Unterart britannicus, die eine blassere und weniger auffallende Färbung aufweist. Ich fing ein herrliches junges, ganz samtiges Weibchen, und es war schöner als alles auf der Welt. Aber dann beschäftigte ich mich mit Worten, mit Büchern, mit Verhaltensweisen, und nie wieder habe ich dieses unendliche Glücksgefühl verspürt.
Robert Trusch: "Der Schmetterling gehört wie auch etliche andere Insektengruppen zu den holometabolen Insekten, also, die die vollständige Verwandlung vollführen, deren Weibchen nach der Befruchtung Eier legen, die Eier entlassen irgendwann die Raupen, die Raupen sind das eigentliche Fressstadium und dann das Wunder der Verpuppung. Die Verpuppung führt dazu, dass nochmal die ganze Struktur, die in der Raupe vorhanden war, aufgelöst wird, sich alles neu organisiert und daraus dann der Schmetterling schlüpft."
Maria Sibylla Merian
Die schönsten Tafeln aus dem großen Buch der Schmetterlinge und Pflanzen "Metamorphosis insectorum surinamensium", ausgew., eingel. und beschrieben von Gerhard Nebel, Droemer Knaur, München 1981
Metamorphosis insectorum surinamensium ist das schon von Zeitgenossen bewunderte Hauptwerk der Naturforscherin und Künstlerin Maria Sibylla Merian (1647-1717), eine Sammlung von Kupferstichen und zugehörigen Texten, in der sie die Lebenszyklen von Insekten in der damals niederländischen Kolonie Suriname darstellte und beschrieb.
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Die schönsten Tafeln aus dem großen Buch der Schmetterlinge und Pflanzen "Metamorphosis insectorum surinamensium", ausgew., eingel. und beschrieben von Gerhard Nebel, Droemer Knaur, München 1981
Metamorphosis insectorum surinamensium ist das schon von Zeitgenossen bewunderte Hauptwerk der Naturforscherin und Künstlerin Maria Sibylla Merian (1647-1717), eine Sammlung von Kupferstichen und zugehörigen Texten, in der sie die Lebenszyklen von Insekten in der damals niederländischen Kolonie Suriname darstellte und beschrieb.
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Hanna Zeckau, Hanns Zischler
Der Schmetterlingskoffer
Die tropischen Expeditionen von Arnold Schultze
Verlag Galiani, Berlin 2010
Das Staun- und Wunderbuch des Herbstes. Hanns Zischler und Hanna Zeckau entfalten vor dem Leser einen sensationellen Fund - und mit ihm das Leben und Werk eines großen deutschen Forschungsreisenden und Schmetterlingssammlers.
Der Schmetterlingskoffer
Die tropischen Expeditionen von Arnold Schultze
Verlag Galiani, Berlin 2010
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Naturkundemuseum Berlin, im Jahr 2006: Hanna Zeckau und Hanns Zischler entdecken während ihrer Recherchen einen verwaisten Überseekoffer - bis an den Rand gefüllt mit Schmetterlingen! Gut achtzehntausend Falter aus dem kolumbianischen Hochland, einer schöner als der andere, verpackt in Hunderte von Zigarrenkistchen. Wie sich herausstellt, stammt der Koffer von dem Forschungsreisenden Arnold Schultze, der in den 20er und 30er Jahren des letzten Jahrhunderts Lateinamerika durchreiste und erforschte - und dessen gesamte Sammlungen und Forschungserträge 1939 mit dem Frachter versenkt wurden, der ihn nach Deutschland bringen sollte. Schultze selbst wurde auf Madeira interniert und nach seinem Tod 1948 vollkommen von der Welt vergessen. Und mit ihm der Schmetterlingskoffer, der auf anderem Weg vorausgereist war. Neugierig geworden, beginnen Hanns Zischler und Hanna Zeckau dieses Strandgut der Wissenschaft zu bergen. Sorgsam entfalten sie die Papiere, in die die Schmetterlinge gefaltet sind. Mehr noch: Sie tauchen in die Welt Schultzes ein, lesen seine Tagebücher, Notizen und Aufsätze. Und lernen dabei einen erstaunlichen Forscher und Schriftsteller kennen, der durch seine sensible Beobachtungsgabe eine geradezu ansteckende Lust daran verbreitet, fremde Länder, Pflanzen und Tiere zu erkunden. Ihn, seine Schriften, seine Schmetterlingssammlung - und die Freuden der Beschäftigung mit der Natur stellen Hanns Zischler und Hanna Zeckau in diesem durchgestalteten, durchgehend vierfarbigen Band vor.
Inger Christensen
Das Schmetterlingstal Sommerfugledalen - Ein Requiem
Suhrkamp Verlag, Frankfurt.am Main 2011
Das Schmetterlingstal ist ein Meisterwerk europäischer Poesie. Es enthält einen klassischen Sonettenkranz mit vierzehn Sonetten und dem abschließenden Meistersonett. Christensens Requiem führt zurück in ein "Kindheitsland ", entfaltet in einem Spiel von kindlichen Verwandlungen eine "Symmetrie der Trauer", "die von meinem Leben überholte Trauer", es versucht, "die Schmetterlinge Seelen und / Sommergesichte verschwundener Toter zu nennen". Hier wie in allen Texten der Dichterin läßt sich nicht auseinanderhalten, was uns die Wirklichkeit aber welche Wirklichkeit? auseinanderzuhalten gelehrt hat: Realität und Imagination, Faktum und Fiktion, Wachen und Traum, Chronik und Märchen.
Inger Christensen
Sie steigen auf, die Schmetterlinge des Planeten,
wie Farbenstaub vom warmen Körper der Erde;
Zinnober, Ocker, Gold und Phosphorgelb,
ein Schwarm von chemischem Grundstoff hochgehoben.
Dies Flügelflimmern - ist es nur eine Schar
von Lichtteilchen in einem Gesicht der Einbildung?
Ist es die geträumte Stunde meiner Kindheit,
zersplittert wie in zeitverschobenen Blitzen?
Nein, es ist der Engel des Lichts, der sich selbst
als schwarzen Apollo mnemosyne malen kann,
als Feuervogel, Pappelvogel und Schwalbenschwanz.
Das Schmetterlingstal Sommerfugledalen - Ein Requiem
Suhrkamp Verlag, Frankfurt.am Main 2011
Das Schmetterlingstal ist ein Meisterwerk europäischer Poesie. Es enthält einen klassischen Sonettenkranz mit vierzehn Sonetten und dem abschließenden Meistersonett. Christensens Requiem führt zurück in ein "Kindheitsland ", entfaltet in einem Spiel von kindlichen Verwandlungen eine "Symmetrie der Trauer", "die von meinem Leben überholte Trauer", es versucht, "die Schmetterlinge Seelen und / Sommergesichte verschwundener Toter zu nennen". Hier wie in allen Texten der Dichterin läßt sich nicht auseinanderhalten, was uns die Wirklichkeit aber welche Wirklichkeit? auseinanderzuhalten gelehrt hat: Realität und Imagination, Faktum und Fiktion, Wachen und Traum, Chronik und Märchen.
Inger Christensen
Sie steigen auf, die Schmetterlinge des Planeten,
wie Farbenstaub vom warmen Körper der Erde;
Zinnober, Ocker, Gold und Phosphorgelb,
ein Schwarm von chemischem Grundstoff hochgehoben.
Dies Flügelflimmern - ist es nur eine Schar
von Lichtteilchen in einem Gesicht der Einbildung?
Ist es die geträumte Stunde meiner Kindheit,
zersplittert wie in zeitverschobenen Blitzen?
Nein, es ist der Engel des Lichts, der sich selbst
als schwarzen Apollo mnemosyne malen kann,
als Feuervogel, Pappelvogel und Schwalbenschwanz.