Archiv


"Eine Rettung Griechenlands um jeden Preis, die wird es nicht geben"

Falls Griechenland hart und klug spart, habe das Land eine Chance, die Schuldenproblematik zu lösen, sagt Otto Fricke, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion. Sollte dies nicht geschehen, könne und dürfe man kein weiteres Geld einsetzen.

Otto Fricke im Gespräch mit Gerd Breker | 05.09.2011
    Gerd Breker: Griechenland ist Pleite. Damit Griechenland nicht zahlungsunfähig wird, ist das Land auf die Hilfe der anderen Euro-Staaten, insbesondere auf Deutschland, angewiesen. Allerdings ist diese Hilfe an Bedingungen geknüpft: Athen soll sparen. Die Sparziele der griechischen Regierung werden nun offenbar deutlich verfehlt, was wiederum die nächste Tranche an Milliarden-Hilfen für diesen Monat infrage stellt. Infrage wird nun mehr und mehr auch die griechische Bereitschaft gestellt, überhaupt und ernsthaft sparen zu wollen. In der schwarz-gelben Koalition wächst die Sorge, besonders die Freien Demokraten, sie zweifeln.
    Am Telefon begrüße ich nun den Parlamentarischen Geschäftsführer und haushaltspolitischen Sprecher der FDP, Otto Fricke. Guten Tag, Herr Fricke.

    Otto Fricke: Einen wunderschönen guten Tag aus Berlin.

    Breker: Glauben Sie, Herr Fricke, dass Griechenland seine Schuldenproblematik in absehbarer Zeit lösen kann?

    Fricke: Wenn ich es so genau wüsste, dann wäre ich wahrscheinlich auf einem anderen Job als dem, auf dem ich jetzt bin. – Nein, es hängt von sehr vielen Dingen ab. Griechenland hat eine Chance, das hinzubekommen. Die griechische Politik – und zwar nicht nur die Regierung – und die griechische Bevölkerung muss dafür noch vieles tun. Das merkt man ja auch jetzt an den Verhandlungen mit der Troika, und da hat Herr Schäuble in Ihrem Bericht genau das Richtige gesagt. Wenn sie das tun und wenn sie, wie man so schön sagt, hart sparen, hart und klug natürlich, weil das andere wäre dummes Sparen, dann haben sie eine Chance. Wenn sie es nicht tun, dann mit Sicherheit nicht, denn nach dem Motto so eine Rettung Griechenlands um jeden Preis, die wird es nicht geben.

    Breker: Aber ist es nicht schon so, Herr Fricke, die griechische Regierung, sie spart, es reicht nur nicht, weil die Wirtschaft, weil das Wachstum einbricht?

    Fricke: Na ja, das ist jetzt die Diskussion, die wir ja auch oft mit SPD und Grünen führen, zu sagen, ihr spart die kaputt und das funktioniert nicht. Die Frage ist ja, was ist kluges Sparen. Einfach nur Beschlüsse zu machen, sie dann nicht umzusetzen, die Systeme nicht zu verändern, und, wie man so schön sagt, statt einer deutschen Gründlichkeit bei der Frage, die uns als Deutsche manchmal ärgert, weiterhin noch das alte System zu haben, in dem es zu viel Lücken gibt zwischen geschriebenem Gesetz und ausgeführtem Gesetz, das funktioniert natürlich nicht. Die Chance allerdings den Griechen zu geben, halte ich als überzeugter Europäer für notwendig. Wenn sich dann zeigt – und deswegen haben wir ja die Troika -, dass sie es nicht machen, dann kann man und darf man auch nicht weiteres Geld einsetzen. Aber die alte Idee zu sagen, wir machen von vornherein nichts, und zu sagen, wir gucken dann mal, wie sich der Flächenbrand entwickelt, und gucken, ob wir ihn noch stoppen können, das hätte ich für genauso unverantwortlich gehalten.

    Breker: Nur ist es nicht schon so, Herr Fricke, die Euro-Zone wird Griechenland helfen müssen, weil es gar keine Alternative dazu gibt? Es gibt keinen Automatismus der Sanktionen!

    Fricke: Nein, es gibt sicherlich keinen Automatismus der Sanktionen. Das übrigens ist ein Makel, das ist das, was für mich immer schon ärgerlich war. Das gilt übrigens nicht nur für europäische Finanzhilfen, das gilt übrigens auch national. Länder, Bundesländer, die weiterhin die Verschuldung haben, haben keine Sanktionen zu spüren, sondern bekommen weiterhin Hilfe. Da liegt ein großer Fehler, ja, aber es gibt einen Unterschied. Die Frage, ob weiteres Geld nach Griechenland geht, erst mal nach dem alten Gesetz – da muss man übrigens genau trennen; das hat nichts mit der aktuellen Gesetzgebungsfrage zu tun -, ist immer noch eine Frage, wie die Regierung sich hier entscheidet, und auch eine Frage, was das Parlament der Regierung sagt, auch wenn es da noch nicht verbindlich ist. Deswegen wollen wir übrigens ja gerade das Gesetz anpassen, damit hier eine Verbindlichkeit und ein Zwang zum Nein ist, wenn der Bundestag nicht zugestimmt hat.

    Breker: Nur die nächste zu entscheidende Sache wird ja sein, ob Griechenland im September die Milliarden-Tranche bekommt oder nicht.

    Fricke: Ja, aus dem alten Paket, genau, und ich fand das sehr schön klar und deutlich. Ohne dass die Troika dem zugestimmt hatte, kann es auch kein Geld geben. Und da – bei allen kleinen Zwistigkeiten, die es zwischen Herrn Schäuble und der FDP gibt – weiß ich, dass Herr Schäuble genau erkannt hat, wo die Frage, oder, wie man so schön sagt, wo der Hammer hängt, und dann geht das eben nicht. Dann ist das so.
    Aber – und darauf will ich dann noch hinweisen, weil alle immer das jetzt aktuell anstehende, die Modifizierung so kritisieren – wir müssen natürlich uns klar darüber sein, dass für den Fall, dass bei Griechenland die Dinge nicht funktionieren, die Frage ist, kann ich es auf Griechenland beschränken, und wenn ja, mit welchen Mitteln, und habe ich dafür die richtigen Mittel.

    Breker: Und haben wir die?

    Fricke: Na ja, da kommt jetzt zur Überraschung vieler von mir ausdrücklich der Hinweis: Einer der Vorteile des modifizierten EFSF, also des Systems, das wir jetzt schon haben, das wir aber modifizieren, ist ja gerade, dass wir mit Maßnahmen in der Lage wären, falls es bei einem Mitglied nicht gelingt, dafür zu sorgen – ich bleibe bei dem Bild des Flächenbrandes -, diesen Flächenbrand einzustellen. Es nützt nichts, wenn man nur einen Feuerwehrwagen hat, wenn es an mehreren Stellen brennt, sondern dann muss man eben genau gucken, wo man die Brandschneisen setzt. Das ist jetzt sehr bildlich gesprochen, aber genau das ist die Aufgabe, die wir mit diesem EFSF II oder modifiziert dann lösen können, wenn wir sie umsetzen und – das sage ich ausdrücklich nochmals: Das geht bei der FDP nicht anders – wenn das Parlament, so wie Herr Lammert das übrigens auch gerade gesagt hat, die wesentlichen Entscheidungen und auch bei wesentlichen Veränderungen stets bestimmt.

    Breker: Herr Fricke, eine Mehrheit der Bundesbürger ist für Europa, aber ebenso eine Mehrheit, eine deutliche Mehrheit, über 60 Prozent der Bundesbürger, sind gegen den ausgeweiteten Rettungsschirm. Sie haben nun am Sonntag mit 2,7 Prozent in Mecklenburg-Vorpommern ein Debakel erlebt. Ist die Euro-Krise mit Schuld am Debakel der FDP in Mecklenburg-Vorpommern?

    Fricke: Ausdrücklich nein. Ausdrücklich nein! Das konnten wir daran erkennen, auch – das merkt man als Abgeordneter – wenn man die E-Mails bekommt, wenn man auf den Facebook-Seiten Kommentare bekommt. Als die FDP als einzige Partei klar und deutlich gesagt hat, mit uns gibt es keine Euro-Bonds, weil wir dann als Deutschland für alle Schulden haften, gesamthänderisch, nicht nur wegen der Zinsen, gab es sehr viel positive Zustimmung dafür. Das heißt, diese Position, auch die Kritik an der Frage der Parlamentsbeteiligung, ohne die es nicht geht, die ist es nicht. Es ist – das ist meine persönliche Überzeugung – die Frage, wie man über Personal redet. Es ist auch die Frage der Geschlossenheit einer Partei. Man kann diskutieren in einer Partei, man muss aber dann Entscheidungen fällen und dann eine Linie gehen. Das gilt für Personal wie für inhaltliche Sachen. Da liegt der Haken, da haben wir viel zu tun, aber nicht bei dem Thema Euro. Dann müsste ich mich schon sehr vertun, oder sehr einseitige E-Mails aus der Bevölkerung bekommen.

    Breker: Im Deutschlandfunk war das der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP, Otto Fricke. Herr Fricke, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.

    Fricke: Ich danke auch und hoffe auf bessere Sonntage.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

    Mehr zum Thema:
    Sammelportal Eurokrise