Friedbert Meurer: Ein 50-jähriger Mann beobachtet letzten Samstag - es war übrigens Nachmittags gegen 16 Uhr und nicht mitten in der Nacht -, wie zwei ältere Jugendliche - ein Erwachsener dabei - andere Jugendliche in der U-Bahn in München anpöbeln und sie um Geld erpressen wollen, "abziehen wollen" heißt das im Jugendjargon. Der Erwachsene will den Jugendlichen also beistehen, begleitet sie noch auf den Bahnsteig und wird dann dort von den beiden Tätern zu Tode geprügelt.
Viele befürchten jetzt, dass immer mehr Leute sagen, ich halte mich besser definitiv heraus. Die Münchener Polizei appelliert trotzdem, natürlich sollen wir weiter Zivilcourage zeigen. Der Münchener Polizeisprecher Wolfgang Wenger am Sonntag:
O-Ton Wolfgang Wenger: Das schlimmste, was jetzt passieren würde, dass die Botschaft heißt, misch dich nicht mehr ein. Wir sagen ganz klipp und klar: misch dich ein. Das kann man aus der Distanz tun, da kann man sich entfernen, telefonisch. Wenn wir in eine Wegschaugesellschaft rutschen, dann droht höchste Gefahr für uns und unsere Kinder.
Meurer: So weit also der Münchener Polizeisprecher und bei mir im Studio begrüße ich nun den Kölner Chef der Kripo, Norbert Wagner. Guten Morgen, Herr Wagner.
Norbert Wagner: Guten Morgen.
Meurer: Stimmen Sie dem Kollegen zu, wir sollen uns einmischen?
Wagner: Voll und ganz. Es ist unbedingt notwendig. Gerade wir hier in Köln haben jetzt seit etwa zehn Jahren eine Ordnungspartnerschaft, die heißt "Kölner lassen keinen allein - Hinsehen, Handeln, Hilfe holen". Das ist unbedingt notwendig, auch nach so einem mehr als tragischen und traurigen Vorfall.
Meurer: Jetzt hat der 50-Jährige in München hingesehen, gehandelt, Hilfe geholt - das sind die drei Stichworte, die Sie genannt haben - und ist dafür jetzt tot. Kann man das empfehlen, dieses Vorgehen?
Wagner: Natürlich ist dieser Einzelfall mehr als tragisch und mehr als bedauerlich. Trotzdem: Wir benötigen als Gesellschaft und wir natürlich auch wir als Polizei eine Zivilcourage, die Hilfe holt, ohne sich natürlich selbst nach Möglichkeit in Gefahr zu bringen. Dafür ist es eben erforderlich und empfehlenswert, beispielsweise in derartigen Situationen laut auf diese Situation, die man beobachtet, auf eine mögliche Straftat aufmerksam zu machen, umstehende Passanten, Mitfahrende gezielt anzusprechen und um Mithilfe, um Unterstützung und Solidarität zu bitten und dann natürlich die Polizei zu rufen, den Notruf 110, und wir sind natürlich dann recht schnell vor Ort.
Meurer: Nur wenn ich so etwas sehe, in der U-Bahn oder am Bahnsteig, und ich rufe die Umstehenden oder ich spreche die Umstehenden an, lasst uns etwas tun, in dem Moment bringe ich mich doch in Gefahr und muss jetzt Angst haben, dass diese Schläger im Alkoholrausch auf mich dann einprügeln.
Wagner: Wenn die Umstehenden gezielt angesprochen werden - das sind natürlich auch gruppendynamische Prozesse und die Gefahr ist immer da, dass viele Menschen einfach zur Seite schauen -, wenn ich aber gezielt Menschen anspreche und sage, Sie da mit dem Rucksack oder Sie mit dem roten Pullover, rufen Sie die Polizei, helfen Sie mir, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass auch Sie als Helfer weitere Unterstützung bekommen, recht groß.
Meurer: Befürchten Sie, dass nach dem, was jetzt in München passiert ist, die Leute sich nicht trauen, das zu tun, was Sie gerade sagen?
Wagner: Die Sorge besteht natürlich nicht nur in München, auch bei uns. Auf der anderen Seite: Aufgrund unserer Kampagnen, aufgrund dieser sensiblen Aktivitäten, die wir gemeinsam mit der Stadt, mit den Verkehrsbetrieben durchführen, haben wir hier in Köln immer wieder auch in diesem Jahr die Erfahrung gemacht, es gibt viele Menschen, die wollen helfen, viele Menschen, die helfen uns, Straftäter zu ermitteln, Straftäter zu überführen, und damit natürlich auch einen Beitrag dazu zu leisten, dass weniger Straftaten begangen werden. Das ist die Aufgabe, die wir natürlich gemeinsam mit der Bevölkerung, weil wir als Polizei können es nicht alleine, bewältigen müssen.
Meurer: Herr Wagner, wie oft hören Sie von Opfern in Köln, die anderen haben mich im Stich gelassen, keiner hat sich darum gekümmert, was mir jetzt zustößt?
Wagner: Ich will das nicht verleugnen, dass es derartige Situationen gibt. Das ist gerade in großen Städten immer wieder ein Problem. Trotzdem: Wir lassen in unseren Bemühungen nicht nach zu appellieren, weil es ist das wichtigste für uns als Gesellschaft, wenn alle, wenn eben die Menschen auch tagsüber sich nicht mit dieser Zivilcourage engagieren, dann gewinnen die Verbrecher. Das kann nicht im Interesse des einzelnen, nicht im Interesse der Gesellschaft sein. Wir als Polizei bemühen uns natürlich, hier auch diese Ratschläge zu geben, verweisen darauf, wir wollen Hilfe, die eben den Helfenden nicht selbst unnötig in Gefahr bringt. Deshalb meinetwegen ein stiller Alarm an die Polizei oder eben andere Mitpassanten mobilisieren, einbeziehen. Das sind Möglichkeiten und die Erfahrung ist auch ganz klar die: In den ganz überwiegenden Fällen sind die Täter - es handelt sich meistens ja um Jugendliche - alleine schon durch diese Hilfe erschrocken, perplex und lassen von ihrem Handeln ab. Das sind die ganz überwiegenden Fälle. Natürlich, in diesem tragischen Einzelfall ist das mehr als beklagenswert. Trotzdem aber betone ich, wir dürfen mit dieser Zivilcourage nicht nachlassen.
Meurer: Also Sie sagen, in den meisten Fällen, wenn jemand aufsteht und sagt, Sie mit der roten Tasche, lassen Sie uns was machen, hören dann die Täter auf?
Wagner: In den allermeisten Fällen in dem Moment, wo die Täter, die selbst ja auch nicht die größte Courage besitzen - es sind oft feige Täter -, bemerken, Umstehende werden aufmerksam, es wird die Polizei beispielsweise gerufen oder in Köln in den Straßenbahnen wird der Schaffner, der Fahrer eingeschaltet, wenn also Öffentlichkeit hergestellt wird, dann sind die meisten Täter recht schnell dabei, Fersengeld zu geben.
Meurer: Soll man auf gar keinen Fall die Täter ansprechen, weil man sie damit provoziert?
Wagner: Das kommt natürlich auf den Einzelfall an. Es ist, insbesondere wenn ich meinetwegen als Passant mehrere Passanten auf meiner Seite habe, laut die Täter anspreche, oft genau dieser Effekt, dass die Täter von ihrem Opfer ablassen. Wenn ich aber natürlich das ganze beobachte, nicht einschreiten will, die Polizei anrufe und dann die Tat beobachte, mir meinetwegen Hinweise einpräge, die der Polizei weiterhelfen, das ein ganz wichtiger erster Schritt, der uns weiterhilft. Nochmals: wir wollen in der Richtung Hilfe, wir benötigen Hilfe, wir als Polizei, aber auch die Gesellschaft, aber Hilfe natürlich, die nicht den einzelnen überfordert. Eine stille Hilfe, ein stiller Alarm ist oft schon genug.
Meurer: Stiller Alarm, heißt das: Kann ich die 110 eigentlich ansimsen, weil das wäre wirklich dann still?
Wagner: Sie können natürlich auch die Polizei per SMS erreichen. Allerdings ist es natürlich notwendig, derartige Informationen zu geben, wo sich das Geschehen ergibt.
Meurer: Das kann ich ja in der SMS schreiben.
Wagner: Derartige Informationen helfen uns natürlich auch.
Meurer: Aber geht das an die 110?
Wagner: An die 110 selber direkt nicht.
Meurer: An welche Nummer dann? Eine zwölfstellige, die ich mir erst im Telefonbuch holen muss?
Wagner: Wir haben in Köln eine vierstellige Polizeirufnummer und die können sie natürlich auch per SMS erreichen. Die 110 ist allerdings die Nummer, der Notruf, der garantiert - und in Köln beispielsweise garantieren wir in derartigen Fällen, in fünf Minuten an jedem Ort in der Stadt zu sein -, ist eine wirksame Hilfe.
Meurer: Was sagen Sie zu der Forderung, wir brauchen mehr Polizeibeamte oder mehr Wachpersonal in den Zügen?
Wagner: Gerade auch hier diese Ordnungspartnerschaft, die wir als Polizei mit der Stadtverwaltung oder auch mit der Bundespolizei oder den örtlichen Verkehrsbetrieben KVB eingegangen haben, bewirkt seit über zehn Jahren, dass wir tatsächlich hier auch immer wieder gemeinsam oder abgestimmt jede Institution für sich in den Bahnen, in den S-Bahnen, in den Straßenbahnen unterwegs sind, in den U-Bahnen. Natürlich: Je mehr Präsenz umso besser. Wir haben hier unsere Grenzen auch teilweise bei den Ressourcen, aber aktuell ist beispielsweise in Köln ein besonderes Thema, diese Präsenz über Kameras oder entsprechende Warnsysteme in den örtlichen Verkehrsbetrieben zu verbessern und zu steigern. Das können wir als Polizei natürlich gerne unterstützen.
Meurer: Wie viele entweder Polizeibeamte oder private Mitarbeiter sind nachts in den Zügen unterwegs? Wissen Sie das?
Wagner: Ich kann da eine konkrete Ziffer nicht sagen. Wir als Polizei orientieren uns hier an Brennpunkten. Wenn wir feststellen, es gibt bestimmte Häufungen von Straftaten, werden wir dort aktiv werden. Jetzt gerade in dieser aktuellen Jahreszeit, dunklen Jahreszeit sind viele Straftäter auch in anderen Deliktsbereichen unterwegs. Deshalb sind wir in diesen Zeiten auch verstärkt in den Bahnen unterwegs.
Meurer: Noch kurz, Herr Wagner, das mit den Videokameras. Die Videokameras gab es bei dem ersten Fall in München, wo ein Rentner fast tot geschlagen wurde, weil er gesagt hat, hört auf zu rauchen. Jetzt gibt es Videoaufnahmen in dem Zug. Aber offenbar bringen Videoaufnahmen nicht zusätzliche Sicherheit, oder?
Wagner: Mittelbar auf jeden Fall, weil die Kameras schrecken potenzielle Täter ab und für uns als Strafverfolgungsbehörde sind die Videokameras natürlich auch ein ganz wesentliches Hilfsmittel, Täter zu identifizieren und zu ermitteln. Auch hier ist das Entscheidende: wenn wir Täter ermitteln - und die Aufklärungsquote in diesem Deliktsbereich liegt deutlich über 50 Prozent -, ist das ein wirksamer Effekt, um weitere Straftaten zu verhüten. Also insoweit sind diese Kameras in den Bahnen sehr wohl für uns hilfreich.
Meurer: Norbert Wagner, Chef der Kölner Kriminalpolizei, bei uns hier im Deutschlandfunk im Studio. Danke, Herr Wagner, für Ihren Besuch. Auf Wiederschauen!
Viele befürchten jetzt, dass immer mehr Leute sagen, ich halte mich besser definitiv heraus. Die Münchener Polizei appelliert trotzdem, natürlich sollen wir weiter Zivilcourage zeigen. Der Münchener Polizeisprecher Wolfgang Wenger am Sonntag:
O-Ton Wolfgang Wenger: Das schlimmste, was jetzt passieren würde, dass die Botschaft heißt, misch dich nicht mehr ein. Wir sagen ganz klipp und klar: misch dich ein. Das kann man aus der Distanz tun, da kann man sich entfernen, telefonisch. Wenn wir in eine Wegschaugesellschaft rutschen, dann droht höchste Gefahr für uns und unsere Kinder.
Meurer: So weit also der Münchener Polizeisprecher und bei mir im Studio begrüße ich nun den Kölner Chef der Kripo, Norbert Wagner. Guten Morgen, Herr Wagner.
Norbert Wagner: Guten Morgen.
Meurer: Stimmen Sie dem Kollegen zu, wir sollen uns einmischen?
Wagner: Voll und ganz. Es ist unbedingt notwendig. Gerade wir hier in Köln haben jetzt seit etwa zehn Jahren eine Ordnungspartnerschaft, die heißt "Kölner lassen keinen allein - Hinsehen, Handeln, Hilfe holen". Das ist unbedingt notwendig, auch nach so einem mehr als tragischen und traurigen Vorfall.
Meurer: Jetzt hat der 50-Jährige in München hingesehen, gehandelt, Hilfe geholt - das sind die drei Stichworte, die Sie genannt haben - und ist dafür jetzt tot. Kann man das empfehlen, dieses Vorgehen?
Wagner: Natürlich ist dieser Einzelfall mehr als tragisch und mehr als bedauerlich. Trotzdem: Wir benötigen als Gesellschaft und wir natürlich auch wir als Polizei eine Zivilcourage, die Hilfe holt, ohne sich natürlich selbst nach Möglichkeit in Gefahr zu bringen. Dafür ist es eben erforderlich und empfehlenswert, beispielsweise in derartigen Situationen laut auf diese Situation, die man beobachtet, auf eine mögliche Straftat aufmerksam zu machen, umstehende Passanten, Mitfahrende gezielt anzusprechen und um Mithilfe, um Unterstützung und Solidarität zu bitten und dann natürlich die Polizei zu rufen, den Notruf 110, und wir sind natürlich dann recht schnell vor Ort.
Meurer: Nur wenn ich so etwas sehe, in der U-Bahn oder am Bahnsteig, und ich rufe die Umstehenden oder ich spreche die Umstehenden an, lasst uns etwas tun, in dem Moment bringe ich mich doch in Gefahr und muss jetzt Angst haben, dass diese Schläger im Alkoholrausch auf mich dann einprügeln.
Wagner: Wenn die Umstehenden gezielt angesprochen werden - das sind natürlich auch gruppendynamische Prozesse und die Gefahr ist immer da, dass viele Menschen einfach zur Seite schauen -, wenn ich aber gezielt Menschen anspreche und sage, Sie da mit dem Rucksack oder Sie mit dem roten Pullover, rufen Sie die Polizei, helfen Sie mir, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass auch Sie als Helfer weitere Unterstützung bekommen, recht groß.
Meurer: Befürchten Sie, dass nach dem, was jetzt in München passiert ist, die Leute sich nicht trauen, das zu tun, was Sie gerade sagen?
Wagner: Die Sorge besteht natürlich nicht nur in München, auch bei uns. Auf der anderen Seite: Aufgrund unserer Kampagnen, aufgrund dieser sensiblen Aktivitäten, die wir gemeinsam mit der Stadt, mit den Verkehrsbetrieben durchführen, haben wir hier in Köln immer wieder auch in diesem Jahr die Erfahrung gemacht, es gibt viele Menschen, die wollen helfen, viele Menschen, die helfen uns, Straftäter zu ermitteln, Straftäter zu überführen, und damit natürlich auch einen Beitrag dazu zu leisten, dass weniger Straftaten begangen werden. Das ist die Aufgabe, die wir natürlich gemeinsam mit der Bevölkerung, weil wir als Polizei können es nicht alleine, bewältigen müssen.
Meurer: Herr Wagner, wie oft hören Sie von Opfern in Köln, die anderen haben mich im Stich gelassen, keiner hat sich darum gekümmert, was mir jetzt zustößt?
Wagner: Ich will das nicht verleugnen, dass es derartige Situationen gibt. Das ist gerade in großen Städten immer wieder ein Problem. Trotzdem: Wir lassen in unseren Bemühungen nicht nach zu appellieren, weil es ist das wichtigste für uns als Gesellschaft, wenn alle, wenn eben die Menschen auch tagsüber sich nicht mit dieser Zivilcourage engagieren, dann gewinnen die Verbrecher. Das kann nicht im Interesse des einzelnen, nicht im Interesse der Gesellschaft sein. Wir als Polizei bemühen uns natürlich, hier auch diese Ratschläge zu geben, verweisen darauf, wir wollen Hilfe, die eben den Helfenden nicht selbst unnötig in Gefahr bringt. Deshalb meinetwegen ein stiller Alarm an die Polizei oder eben andere Mitpassanten mobilisieren, einbeziehen. Das sind Möglichkeiten und die Erfahrung ist auch ganz klar die: In den ganz überwiegenden Fällen sind die Täter - es handelt sich meistens ja um Jugendliche - alleine schon durch diese Hilfe erschrocken, perplex und lassen von ihrem Handeln ab. Das sind die ganz überwiegenden Fälle. Natürlich, in diesem tragischen Einzelfall ist das mehr als beklagenswert. Trotzdem aber betone ich, wir dürfen mit dieser Zivilcourage nicht nachlassen.
Meurer: Also Sie sagen, in den meisten Fällen, wenn jemand aufsteht und sagt, Sie mit der roten Tasche, lassen Sie uns was machen, hören dann die Täter auf?
Wagner: In den allermeisten Fällen in dem Moment, wo die Täter, die selbst ja auch nicht die größte Courage besitzen - es sind oft feige Täter -, bemerken, Umstehende werden aufmerksam, es wird die Polizei beispielsweise gerufen oder in Köln in den Straßenbahnen wird der Schaffner, der Fahrer eingeschaltet, wenn also Öffentlichkeit hergestellt wird, dann sind die meisten Täter recht schnell dabei, Fersengeld zu geben.
Meurer: Soll man auf gar keinen Fall die Täter ansprechen, weil man sie damit provoziert?
Wagner: Das kommt natürlich auf den Einzelfall an. Es ist, insbesondere wenn ich meinetwegen als Passant mehrere Passanten auf meiner Seite habe, laut die Täter anspreche, oft genau dieser Effekt, dass die Täter von ihrem Opfer ablassen. Wenn ich aber natürlich das ganze beobachte, nicht einschreiten will, die Polizei anrufe und dann die Tat beobachte, mir meinetwegen Hinweise einpräge, die der Polizei weiterhelfen, das ein ganz wichtiger erster Schritt, der uns weiterhilft. Nochmals: wir wollen in der Richtung Hilfe, wir benötigen Hilfe, wir als Polizei, aber auch die Gesellschaft, aber Hilfe natürlich, die nicht den einzelnen überfordert. Eine stille Hilfe, ein stiller Alarm ist oft schon genug.
Meurer: Stiller Alarm, heißt das: Kann ich die 110 eigentlich ansimsen, weil das wäre wirklich dann still?
Wagner: Sie können natürlich auch die Polizei per SMS erreichen. Allerdings ist es natürlich notwendig, derartige Informationen zu geben, wo sich das Geschehen ergibt.
Meurer: Das kann ich ja in der SMS schreiben.
Wagner: Derartige Informationen helfen uns natürlich auch.
Meurer: Aber geht das an die 110?
Wagner: An die 110 selber direkt nicht.
Meurer: An welche Nummer dann? Eine zwölfstellige, die ich mir erst im Telefonbuch holen muss?
Wagner: Wir haben in Köln eine vierstellige Polizeirufnummer und die können sie natürlich auch per SMS erreichen. Die 110 ist allerdings die Nummer, der Notruf, der garantiert - und in Köln beispielsweise garantieren wir in derartigen Fällen, in fünf Minuten an jedem Ort in der Stadt zu sein -, ist eine wirksame Hilfe.
Meurer: Was sagen Sie zu der Forderung, wir brauchen mehr Polizeibeamte oder mehr Wachpersonal in den Zügen?
Wagner: Gerade auch hier diese Ordnungspartnerschaft, die wir als Polizei mit der Stadtverwaltung oder auch mit der Bundespolizei oder den örtlichen Verkehrsbetrieben KVB eingegangen haben, bewirkt seit über zehn Jahren, dass wir tatsächlich hier auch immer wieder gemeinsam oder abgestimmt jede Institution für sich in den Bahnen, in den S-Bahnen, in den Straßenbahnen unterwegs sind, in den U-Bahnen. Natürlich: Je mehr Präsenz umso besser. Wir haben hier unsere Grenzen auch teilweise bei den Ressourcen, aber aktuell ist beispielsweise in Köln ein besonderes Thema, diese Präsenz über Kameras oder entsprechende Warnsysteme in den örtlichen Verkehrsbetrieben zu verbessern und zu steigern. Das können wir als Polizei natürlich gerne unterstützen.
Meurer: Wie viele entweder Polizeibeamte oder private Mitarbeiter sind nachts in den Zügen unterwegs? Wissen Sie das?
Wagner: Ich kann da eine konkrete Ziffer nicht sagen. Wir als Polizei orientieren uns hier an Brennpunkten. Wenn wir feststellen, es gibt bestimmte Häufungen von Straftaten, werden wir dort aktiv werden. Jetzt gerade in dieser aktuellen Jahreszeit, dunklen Jahreszeit sind viele Straftäter auch in anderen Deliktsbereichen unterwegs. Deshalb sind wir in diesen Zeiten auch verstärkt in den Bahnen unterwegs.
Meurer: Noch kurz, Herr Wagner, das mit den Videokameras. Die Videokameras gab es bei dem ersten Fall in München, wo ein Rentner fast tot geschlagen wurde, weil er gesagt hat, hört auf zu rauchen. Jetzt gibt es Videoaufnahmen in dem Zug. Aber offenbar bringen Videoaufnahmen nicht zusätzliche Sicherheit, oder?
Wagner: Mittelbar auf jeden Fall, weil die Kameras schrecken potenzielle Täter ab und für uns als Strafverfolgungsbehörde sind die Videokameras natürlich auch ein ganz wesentliches Hilfsmittel, Täter zu identifizieren und zu ermitteln. Auch hier ist das Entscheidende: wenn wir Täter ermitteln - und die Aufklärungsquote in diesem Deliktsbereich liegt deutlich über 50 Prozent -, ist das ein wirksamer Effekt, um weitere Straftaten zu verhüten. Also insoweit sind diese Kameras in den Bahnen sehr wohl für uns hilfreich.
Meurer: Norbert Wagner, Chef der Kölner Kriminalpolizei, bei uns hier im Deutschlandfunk im Studio. Danke, Herr Wagner, für Ihren Besuch. Auf Wiederschauen!