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"Einen Zusammenhang zwischen den beiden Beben gibt es nicht"

Die Erdbeben vor der Insel Samoa und keinen Tag später auf der indonesischen Insel Sumatra hängen nach Einschätzung des Seismologen Winfried Hanka vom Geoforschungszentrum (GFZ) Potsdam nicht direkt miteinander zusammen. Das GFZ ist am Aufbau eines Tsunami-Warnsystem vor Indonesien beteiligt.

Winfried Hanka im Gespräch mit Michael Böddeker |
    Michael Böddeker: Gestern gab es ein Seebeben im Pazifischen Ozean. Das Beben führte zu einem Tsunami, der auf der Insel Samoa im Südpazifik rund 100 Menschen das Leben kostete. Heute Mittag Viertel nach zwölf mitteleuropäischer Sommerzeit gab es schon wieder ein Erdbeben, diesmal auf der indonesischen Insel Sumatra. Das Zentrum des Bebens lag etwa 50 Kilometer nordwestlich der Stadt Padang vor der Westküste der Insel. Vor Sumatra ereignete sich auch das Beben im Dezember 2004, das damals den verheerenden Tsunami auslöste. Auch heute gab es zunächst Tsunami-Warnungen. Diese wurden aber bald wieder aufgehoben. Im Indischen Ozean gibt es ein Frühwarnsystem ähnlich wie im Pazifik. An dessen Entwicklung ist unter anderem das Deutsche Geoforschungszentrum kurz GFZ Potsdam beteiligt. Ich habe heute vor der Sendung mit dem Seismologen Winfried Hanka vom GFZ gesprochen und ihn zunächst gefragt, wie gestern die Warnung vor dem Tsunami im Pazifik abgelaufen ist.

    Professor Winfried Hanka: Wir wissen nur, dass es eine Warnung des pazifischen Warnzentrums in Hawaii gegeben hat, etwa 15 Minuten nach dem Beben. Wir selbst hatten die Information schon etwas früher, weil wir selbst ein eigenes System betreiben, nach etwa acht Minuten. Aber wir haben natürlich kein Mandat, dort irgendwelche Warnmeldungen in diese Länder zu schicken, sondern wir beobachten quasi nur die Hintergrundaktivität weltweit.

    Böddeker: Wo ist der Unterschied, was für eine Art von Warnsystem gibt es für den Pazifischen Ozean?

    Hanka: Das System ist erstens schon sehr alt. Es ist überwiegend auf seismologische Komponenten ausgerichtet, also Seismometerstationen, die auf vielen Inseln im Pazifik und natürlich auch ringsherum in vielen Ländern installiert sind. Die Warnung basiert aber immer erst mal auf den Erdbebenparametern alleine. Einfach aufgrund der Herdtiefe und der Magnitude sagt man: Ab einer bestimmten Magnitude ist die Wahrscheinlichkeit, dass es einen Tsunami geben könnte, so hoch, dass man einen Tsunami-Watch auslöst. Das ist die Terminologie, also das Tsunami-Warnzentrum informiert die entsprechenden Länder, dass unter Umständen ein Tsunami generiert werden könnte. Ob es dann tatsächlich einen gegeben hat und wie hoch die Wellenhöhe ist, ist erst dann sicher festzustellen, wenn der erste Pegel erreicht ist oder die erste Boje, was in der Regel dann solange dauert, dass eine dezidierte Warnung, also wo man genau weiß, dies und das wird passieren, nicht mehr möglich ist, sondern die Welle ist dann schon an den Küsten, die nahe am Epizentrum sind, schon angekommen. So war es halt gestern auch.

    Böddeker: Wie würden Sie es einschätzen: Müsste man das Warnsystem dort im Pazifik weiter verbessern?

    Hanka: Sicherlich ist das möglich, und sicher auch notwendig. Es sind auch Anstrengungen gemacht, also es wird demnächst ein Treffen stattfinden, wo die Anrainerländer sich mit den Geberländern treffen. Da wird sicherlich nach dem Beben gestern es noch mehr Zusagen für Hilfsmaßnahmen geben, sodass ich schon die realistische Chance sehe, dass da in einiger Zeit ein besseres System vorhanden sein könnte.

    Böddeker: Sie vom Deutschen Geoforschungszentrum in Potsdam sind ja auch eher beteiligt an dem deutsch-indonesischen Tsunami-Frühwarnsystem. Jetzt gab es heute ein Erdbeben auf der indonesischen Insel Sumatra. Was können Sie jetzt schon dazu sagen?

    Hanka: Wir haben nach zwei Minuten bereits einen Alarm bekommen. Da wurden dann schon die ersten Magnitudenwerte angezeigt, sodass wir wussten, das ist ein Beben oberhalb Magnitude sieben. Soweit ich weiß wurde also auch eine Tsunami-Warnung ausgesprochen.

    Böddeker: Genau, es gab diese Tsunami-Warnung. Die ist jetzt inzwischen wieder aufgehoben worden nach den Meldungen der Agenturen. Wie kommt es, dass es in einem Fall zu einem Tsunami kommt und in einem anderen nicht? Wonach richtet sich das?

    Hanka: Der Hauptgrund ist die Herdtiefe. Wir haben gestern bei dem Beben schon sofort gewusst, dass es sehr flach ist, im Bereich von zehn Kilometern.

    Böddeker: Ist bei dem Beben auf Sumatra auch Ihr Frühwarnsystem ausgelöst worden, mit den Bojen auf dem Indischen Ozean?

    Hanka: Also es ist so, dass das System noch nicht voll im Betrieb ist. Das wird also mit der Übergabe Anfang nächsten Jahres sicherlich dann der Fall sein.

    Böddeker: Wie funktioniert das System auf der letzten Meile? Wie werden die Menschen, die dort in den Küstenregionen sich aufhalten, gewarnt, wenn ein Tsunami auf die Küste zukommt?

    Hanka: Das ist jetzt eine Sache, die sich unserer Verantwortung und auch Zuständigkeit entzieht. Wir haben drei Pilotregionen identifiziert, für die wir das exemplarisch begleiten. Also dort werden Methoden entwickelt oder implementiert, die automatische Meldungen in dem RWS-System, also dem System, wo bei uns in Deutschland Verkehrsnachrichten verbreitet werden, Radiomeldungen, Fernsehmeldungen, Sirenen und Radarsysteme, solche Dinge werden exemplarisch vorgestellt.

    Böddeker: Es gab gestern das Beben, das zu dem Tsunami auf Samoa geführt hat, heute jetzt das Erdbeben auf Sumatra in Indonesien. Hängen die beiden Erdbeben zusammen und kann man jetzt noch erwarten, dass noch mehrere Erdbeben auftreten werden in der Region?

    Hanka: Nein. Also die Beben gehören definitiv nicht zusammen. Es ist so, dass jedes Beben, besonders halt solche starken Beben, Nachbeben produzieren, also in den beiden Regionen gibt es jede Menge Nachbeben, und wie gesagt, einen Zusammenhang zwischen den beiden Beben gibt es nicht.