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"Einfach ein bedauerlicher Kulturabbau"

Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, Olaf Zimmermann, nennt es "zutiefst bedauerlich", dass ausgerechnet ein großer öffentlich-rechtlicher Sender beim Kulturabbau vorangehe. Die nun vom SWR-Rundfunkrat beschlossene Fusion der Sinfonierorchester sei vermeidbar gewesen.

Olaf Zimmermann im Gespräch mit Karin Fischer |
    Karin Fischer: Das SWR-Sinfonieorchester Baden-Baden/Freiburg und das Radio-Sinfonieorchester Stuttgart sollen künftig zu einem "Super-Klangkörper" zusammenwachsen. SWR-Intendant Peter Boudgoust findet, eine quälende Hängepartie für die Musikerinnen und Musiker sei jetzt zu Ende. Sie könnten nun in die Zukunft schauen. Was er verschweigt, ist die Tatsache, dass die Musiker die letzten sind und waren, die eine Fusion gut finden. Doch die Sparbemühungen des SWR waren wohl ausgeschöpft, das Einsparpotential von rund fünf Millionen verlockend, vielleicht unumgänglich. Andererseits gab es auch Unterschriften der "Orchesterretter" nach dem Modell der "Radioretter" beim WDR, 28.100 insgesamt. - Frage an Olaf Zimmermann, den Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats: War das nun wirklich eine "alternativlose" Entscheidung?

    Olaf Zimmermann: Nein, das war es ganz sicherlich nicht. Man muss, glaube ich, auch in der Zukunft wieder verantwortungsvoller mit diesen Fragen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk umgehen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat eine ganz besondere Verantwortung für den Kulturbereich, und die Vielfalt der Orchesterlandschaft ist schon seit vielen Jahren bedroht und jetzt kommt es zu einer Fusionierung, die ja nicht zu mehr an Kultur, sondern zu eindeutig weniger an Kultur führen wird. Und dass nun gerade ein so großer Sender jetzt vorangeht beim Kulturabbau, das ist zutiefst bedauerlich.

    Fischer: Wir haben uns angewöhnt, Einsparungen im Kulturbereich für unsinnig zu halten, weil sie "nicht systemrelevant" sind. Eine Rundfunkanstalt unter Spardruck ist ein bisschen was anderes natürlich als so was die öffentliche Hand, und die Rettungsmodelle wurden offenbar für nicht tragfähig erachtet, zum Beispiel eine Gesellschafterlösung. Was wäre denn die Rettung gewesen?

    Zimmermann: Ich glaube, die Rettung wäre gewesen, dass der Südwestrundfunk die Notwendigkeit gesehen hätte, eben diese Anzahl von Orchestern auch dauerhaft aufrecht zu erhalten. Also der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird mit riesigen Beträgen aus der Rundfunkgebühr in der Zukunft, aus der Haushaltsabgabe unterstützt, die es ihm ermöglicht, ein gutes Programm zu machen, und zu dem guten Programm gehört eben auch dazu, selbst als Kunstproduzent auftreten zu können, das heißt also auch selbst ein Teil dieser künstlerischen Produktion zu sein. Und wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk in diesem Bereich so massiv spart, wie wir das jetzt gerade beim SWR sehen, dann kappt er sich quasi selbst einen Teil des Baumes, auf dem er auch sitzen muss.

    Fischer: Es gab vor allem im Osten nach der Wende Orchesterfusionen. Die SWR-Orchester waren auch das Ergebnis einer fusionierten Rundfunklandschaft im Südwesten. Wenn jetzt etwas fehlt, dann aber doch eher der künstlerische Output, in dem beide Klangkörper ja stark und auch unverwechselbar waren?

    Zimmermann: Und das ist ja auch gar nicht so einfach, wissen Sie. Sie können nicht einfach zwei Orchester einfach fusionieren, und zwar zwei sehr gute Orchester fusionieren und sagen, wenn ich zwei sehr gute Orchester fusioniere, dann kommt ein neues, quasi noch besseres Orchester heraus. So funktioniert Kunst nicht, sondern das sind ja Lebewesen, quasi organische Einheiten, die Kunst produzieren, und die werden jetzt amputiert und diese dann amputierten Körper werden dann zu etwas Neuem zusammengefügt. Ich hoffe, dass das gelingen wird, ich hoffe, dass es ein tolles Orchester gibt, aber das wird viele Jahre dauern und es wird weniger sein, als es vorher mit diesen zwei Orchestern gewesen ist. Deswegen haben wir hier einfach einen bedauerlichen Kulturabbau.

    Fischer: Wir haben die Diskussion mit der ROC GmbH, die von Deutschlandradio mitfinanziert wird, auch gehabt. Herr Zimmermann, ist es nicht ein bisschen einfach zu sagen, Kulturabbau definitiv nie und gar nicht?

    Zimmermann: Nein. Ich bin der letzte, der das sagt, und bin in vielen Bereichen tätig, gerade als auch Vorsitzender des Konventes in Sachsen-Anhalt, der sich mit der kulturellen Infrastruktur in Sachsen-Anhalt zu beschäftigen hat und weiß, wie schwierig es ist, die kulturelle Infrastruktur aufrecht zu erhalten. Kulturabbau nie, das ist sicherlich nicht der richtige Weg. Aber wenn wir schon Kulturabbau letztendlich erleiden müssen, dann muss es auch dafür wirkliche Gründe geben. Beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk – das muss man auch mal so sehr deutlich sagen – gibt es diesen Grund nicht. Diese Einsparungen, die jetzt dort vorgenommen wurden, sind eben jetzt gezielt bei den Orchestern vorgenommen worden. Es wären andere Möglichkeiten auch denkbar gewesen, um Einsparungen zu realisieren, aber der Intendant hat sich eben die Orchester vorgenommen. Das ist eine Entscheidung, die er ganz bewusst getroffen hat, und ich finde, jetzt müssen wir auch ganz bewusst die Entscheidung treffen und müssen sagen, lasst uns über den Kulturauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auch in der Öffentlichkeit nachdenken, lasst uns darüber gemeinsam diskutieren, brauchen wir eigentlich diese Orchester beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk - ich glaube, ja -, oder brauchen wir sie nicht, weil sonst werden wir so etwas wie eine Lawine haben, die sich immer weiter fortsetzt, und der muss jetzt wirklich Einhalt geboten werden.

    Fischer: Ein schwarzer Tag für die Rundfunkklangkörper in Deutschland. Olaf Zimmermann war das über die möglichen Folgen der Orchesterfusion beim SWR, die 2016 umgesetzt wird.


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