Was für eine Stoff! Was für drängende Fragen nach der Verantwortung für die eigene Biographie, nach Schicksal und Schuld, Verstrickung und Handlungsfreiheit. Und wie kleinmütig, brav und bieder dieser biographische Versuch von Dorothea von Törne, der all diese Fragen nicht stellt, sondern sich am kalendarischen Gerüst entlanghangelt, die kulturpolitischen Debatten der fünfziger und sechziger Jahre nachbuchstabiert und jede der Maskierungen Brigitte Reimanns getreulich für bare Münze nimmt. Aus den wenigen Randbemerkungen über ihre langen Depressions- und Alkoholphasen leitet Dorothea von Törne nicht das Recht ab, ein psychologisches Profil zu erstellen. Und so vertrocknet das Buch im Aufzählungsjournalismus ohne interpretative Kraft. Fast zwölf Jahre nach dem Ende der DDR ist dies ein zutiefst ostdeutsches Buch, das gar nicht bemerkt hat, wie diese literarisch zweitrangige DDR-Schrift-stel-lerin durch ihre Tagebücher eine gänzlich andere Rezeption erfahren hat: Nicht als große Figur der Nachkriegsliteratur, sondern der Mentalitätsgeschichte des geteilten Deutschlands. Auf diese Biographie warten wir weiter.
Einfach wirklich leben. Brigitte Reimann - eine Biographie
Ihr Leben liegt wie ein aufgeschlagenes Buch vor uns: mehrbändig, prall, atemlos, von einer Detailtreue und Opulenz, wie es sich ein Historiker nur wünschen kann. Was die Schriftstellerin Brigitte Reimann in ihren Tagebüchern niederlegte, gehört zu den eindringlichsten Schilderungen eines Frauenlebens im zwanzigsten Jahrhundert. Gewiss: eines Frauenlebens unter besonderen Umständen, in der stalinistischen DDR der fünfziger und sechziger Jahre, aber das ausführlich gewürdigte gesellschaftliche Umfeld der Autorin war nicht der Grund dafür, warum ihre Tagebücher zehn Jahre nach Ende der DDR eine solch breite Zustimmung fanden. Auch westliche Leserinnen und Leser ließen sich von der emotionalen Wucht ihrer intimen Aufzeichnungen in den Bann ziehen. Eine Frau, die mit ihren Erfolgen ebenso haderte wie mit ihren Niederlagen, deren fortgesetzter Beziehungs-kampf in vier Ehen und zahllosen Affären auf knappen einundvierzig Lebensjahren rekordverdächtig erscheint, und die in ihrer Zerrissenheit zwischen Traum und Wirklichkeit - auf beiden Feldern, den Männern und der Politik - selten eine richtige, und fast nie eine konsistente Entscheidung zu treffen vermochte. Biographie als Abfolge fortgesetzter Revidierungen - genau das macht das Leben von Brigitte Reimann so exemplarisch. In den fünfziger Jahren war sie damit noch ein Exot, heute wäre sie eine beinahe unauffällige Zeitgenossin.
Was für eine Stoff! Was für drängende Fragen nach der Verantwortung für die eigene Biographie, nach Schicksal und Schuld, Verstrickung und Handlungsfreiheit. Und wie kleinmütig, brav und bieder dieser biographische Versuch von Dorothea von Törne, der all diese Fragen nicht stellt, sondern sich am kalendarischen Gerüst entlanghangelt, die kulturpolitischen Debatten der fünfziger und sechziger Jahre nachbuchstabiert und jede der Maskierungen Brigitte Reimanns getreulich für bare Münze nimmt. Aus den wenigen Randbemerkungen über ihre langen Depressions- und Alkoholphasen leitet Dorothea von Törne nicht das Recht ab, ein psychologisches Profil zu erstellen. Und so vertrocknet das Buch im Aufzählungsjournalismus ohne interpretative Kraft. Fast zwölf Jahre nach dem Ende der DDR ist dies ein zutiefst ostdeutsches Buch, das gar nicht bemerkt hat, wie diese literarisch zweitrangige DDR-Schrift-stel-lerin durch ihre Tagebücher eine gänzlich andere Rezeption erfahren hat: Nicht als große Figur der Nachkriegsliteratur, sondern der Mentalitätsgeschichte des geteilten Deutschlands. Auf diese Biographie warten wir weiter.