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Eingezäunte Angst

Die Stücke des 2005 verstorbenen Dramatikers August Wilson thematisieren die Situation der afro-amerikanischen Bevölkerung. Die Neuproduktion von "Fences", Wilsons wohl berühmtestes Stück, wird nun am Broadway aufgeführt. Prominenter Hauptdarsteller: Denzel Washington.

Von Andreas Robertz | 30.04.2010
    1987 gewann der Dramatiker August Wilson mit seinem Stück "Fences" so ziemlich jeden amerikanischen Theaterpreis. Das Stück war Teil seines berühmten Pittsburgh Zyklus, der in zehn Dramen das Leben der Afro-Amerikaner in Pittsburgh des zwanzigsten Jahrhunderts erzählt – je ein Stück pro Dekade. Nachdem er 2005 das letzte Stück dieses Zyklusses fertig stellte, verstarb er mit nur 60 Jahren. Sein bekannteste Stück dürfte wohl "Fences" sein, das mit James Earl Jones in der Hauptrolle zu einer der legendären Aufführungen des Broadways zählt. Nun wird das Stück zum ersten Mal wiederaufgenommen, diesmal mit Denzel Washington in der Hauptrolle.
    Produzent Scott Rubin wollte "Fences" mit Denzel Washington eigentlich als Filmversion machen:

    "Scotte Rubin kam mit dem Drehbuch zu mir. Ich las es und sagte, lass mich das Stück nochmal lesen. Und dann dachte ich, du musst ja verrückt sein. Du mußt dieses Stück machen. Jetzt ist die richtige Zeit dafür."
    Mit 55 Jahren hat Denzel Washington in der Tat das richtige Alter für die Rolle des Troy Maxson, der Hauptfigur in "Fences". Seit den legendären Aufführungen mit James Earl Jones im Jahre 1987 gehört diese Rolle zu einer der wichtigsten und vielschichtigsten farbigen Bühnenfiguren des amerikanischen Dramas. Der Jedermann Maxson ist Müllmann im Pittsburgh der späten 50er-Jahre. Als junger Mann war er ein gefeierter Baseball Spieler in der sogenannten Negroe League, - zu dieser Zeit war es farbigen Spielern noch verboten, in der professionellen Mayor League zu spielen. Er begeht ein Verbrechen, muß für 15 Jahre ins Gefängnis - als er endlich rauskommt, werden Afro-Amerikaner zwar in die Liga aufgenommen, aber nun ist er zu alt. Er heiratet Rose, die Mutter seines zweiten Sohnes Cory, und kauft mit der Kriegsrente seines traumatisiert aus dem zweiten Weltkrieg kommenden Bruders Gabriel ein kleines Haus in einem Arbeiterviertel.

    "...und wenn wir ihn treffen, ist er ein Müllman, der seit 18 Jahren am selben Ort feststeckt. Er ist ein bitterer Mann."

    Als sein Sohn Cory von einem staatlichen Recruiter entdeckt wird und auf ein College zur Förderung talentierter Baseball Spieler gehen soll, verbietet er es ihm, aus Angst, er könne ebenfalls wegen seiner Hautfarbe diskriminiert werden. Als sich Cory trotzdem heimlich bewirbt, verstößt er ihn. Troy Maxson ist ein Mann voller Widersprüche und Zerissenheit. Seine große körperliche Kraft und seine tyrannischen Prinzipien von Arbeit und Verantwortung stehen im schmerzlichen Gegensatz zu seiner Schwäche gegenüber Frauen und dem nagenden Gefühl, sein Leben nicht gelebt zu habe. Immer isolierter, von seiner Frau verlassen, beginnt er gegen den Tod zu kämpfen, dem er sich mit schwingendem Baseballschläger provozierend entgegenstellt. Troy Maxson ist eine große Figur, irgendwo zwischen Arthur Millers Willy Loman im "Tod eines Handlungsreisenden" und Shakespeares Othello.

    Denzel Washington, der in seinen Filmen oft zwiespältige Charaktere spielt, die zwischen Recht und Unrecht gefangen sind, hat zwar weder die körperliche Größe noch die gewaltige Stimme eines James Earl Jones, dafür gibt er der Figur durch seinen Humor eine sehr charmante Note, die uns den, nach Leben hungrigen Mann sympathisch und seinen Niedergang umso schmerzlicher macht. Trotzdem hat man das Gefühl, dass Denzel Washington noch etwas in seine Rolle hineinwachsen muss, denn vor allem die fast mythischen Szenen, in denen er den Tod herausfordert, könnten abgründiger, tiefer sein. "Fences" ist vollgepackt mit sprachlichen Metaphern aus der Welt des Baseballs und dessen Symbole, wie zum Beispiel der naturgetreue, große Baum der Troys Hinterhof beherrscht und an dessen starkem Ast eine Baseballattrappe aus Lumpen hängt, gegen die Troy - und später sein Sohn Cory - ab und zu mit einem alten Baseballschläger schlagen. Oder der Zaun, der dem Stück seinen Titel gibt und den Troy während des ganzen Stückes aufbaut, um sein Eigentum zu schützen – und der ihn zunehmend von seiner Familie und seinen Freunden isoliert. Durch die starken Konflikte zwischen Troy und seiner Familie wirkt das Stück sehr modern und das Ensemble trotz Starbesetzung wie aus einem Guss. Und Denzel Washington hat nun 13 Wochen Zeit, seinen Troy völlig zu erobern, beim Publikum ist ihm das schon gelungen: Der Abend endete mit Standing Ovations und langem Applaus.

    Und das Tolle am Theater ist, dass man immer tiefer gehen muss. Im Film gibt es keine Voraufführungen, die Szene wird gedreht und was du gestern gedreht hast, ist vorbei.