Britta Fecke: Mit der Crispr/Cas-Methode hat die Gentechnik seit einigen Jahren ein günstiges und effektives neues Werkzeug, mit der Molekularbiologen gezielt Genabschnitte ausschneiden oder neu einsetzen können - in das Erbgut aller Lebewesen und all das schneller als bei den alten Gentransfers. Forscher in den Laboren der Universitäten, der Medizin und Pharmaunternehmen versprechen mit Hilfe dieser Methoden neue Züchtungen, die resistent sind gegen Schädlinge oder besser mit den Folgen des Klimawandels klarkommen.
Doch es gibt auch kritische Stimmen wie die von Christoph Then vom Institut für unabhängige Folgenabschätzung in der Biotechnologie. Die Studie seines Instituts wird in zwei Stunden in Berlin vorgestellt. - Herr Then, wenn zum Beispiel Kastanien mit Hilfe der neuen gentechnischen Verfahren resistent gegen tödliche Pilzerkrankungen werden, dann ist das doch eigentlich eine Chance, sterbende Wälder zu retten, und im Zuge des Klimawandels und des Waldsterbens gar keine schlechte Idee, oder?
Christoph Then: Ja. Es gibt ja viele Arten, die bedroht sind durch den Klimawandel oder durch andere Aktivitäten des Menschen, und auch in Europa betrifft das viele Waldbäume. Grundsätzlich kann man sagen, man möchte gerne hier aktiv werden gegen diese Bedrohung der Wälder. Aber wenn man sich dann ansieht, dass es sehr viele Bäume sind und dass Bäume in komplexen Ökosystemen wachsen und sehr alt werden, und man sich dann ansieht, mit welchen Methoden da eingegriffen wird, muss man doch sagen, da könnte die scheinbare Lösung neue Probleme hervorrufen, und da kann man nur vor warnen, mit Gentechnik jetzt in den Wald zu gehen, um dort die Arten zu retten. Im Gegenteil: Man könnte das Artensterben beschleunigen.
Warnung vor "komplexen Nebenwirkungen"
Fecke: Warum?
Then: Wenn man mit Gentechnik in das Erbgut eingreift, ist das ja nicht aus der Evolution heraus entstanden, sondern irgendwo im Labor designed, und oft ist dieses Erbgut nicht entsprechend angepasst. Die Bäume werden dann anfällig gegenüber anderen Krankheitserregern. Es wird auch oft mit Baum-Kloning gearbeitet, mit sehr homogenem Genmaterial, und letztendlich kann das dazu führen, dass sich dann neue Krankheiten ausbreiten, dass die Bäume noch anfälliger werden gegenüber dem Klimawandel und dass man einfach zu kurz denkt. Hier muss man umfassender denken. Man muss natürlich den Klimawandel begrenzen. Man kann vielleicht auch mit konventioneller Baumzucht oder mit Methoden dort, die den Aufwuchs von Bäumen vor Ort fördern, etwas machen, aber nicht mit der Methode der Gentechnik. Das bietet sich eigentlich nicht an, weil sie in der Lage ist, die Probleme noch eher zu verschlimmern.
Fecke: Müssten wir nicht auf alle Methoden setzen, meinetwegen auf konventionell gezüchtete - ich bleibe jetzt mal bei der Kastanie -, und daneben aber auch die Kastanien, die Resistenzen mitbringen, die schnell gezüchtet wurden, weil wir werden ja auch schnell überholt von den Folgen des Klimawandels, dass wir daneben auch gentechnisch veränderte Organismen haben, und man schaut einfach, wer das Rennen macht, so plump gesagt?
Then: Dann müsste man ins Freiland gehen und die Gentechnikbäume dort freisetzen. Die würden sich dann mit den anderen Bäumen kreuzen, sie wären nicht mehr rückholbar. Wenn etwas schiefgeht, kann man nicht mehr eingreifen. Und wenn man sich insgesamt das Szenario ansieht, dass jetzt einige hundert Baumarten bedroht sind, die alle gentechnisch zu verändern und dann die ganze Umwelt zu fluten mit genetischen Informationen, die nicht aus der Evolution herausgekommen sind, sondern im Labor entwickelt worden sind, das geht schief.
Die Bäume sind ja nicht nur Holzproduzenten oder machen Schatten im Wald, sondern die haben ja vielfältige Interaktionen mit ihrer Umwelt, und in diese Interaktionen greift man mit der Gentechnik ja ungewollt auch immer mit ein. Es ist ja nicht so, dass ein Gen nur eine Wirkung hat, sondern immer komplexe Nebenwirkungen hat, und letztendlich der Baum gerade in seiner langen Lebensdauer und in seinen vielfältigen Interaktionen bietet sich für die Gentechnik nicht an. Das geht sehr wahrscheinlich schief und wenn es schiefgeht, kann man es nicht mehr rückgängig machen. Deswegen ganz klar: In Bezug auf das Artensterben sollte man nicht auf die Gentechnik setzen. Da muss man andere Vorsorge treffen.
Fecke: Welche?
Then: Das wissen wir alle am besten. Wir müssen versuchen, den Klimawandel zu begrenzen. Das ist hier ein ganz entscheidender Aspekt. Ansonsten sind zum Beispiel gerade diese Kastanien in den USA Erreger, die sind von Menschen dort eingeschleppt worden aus Asien. Wir müssten vielleicht auch sorgfältiger darauf achten, dass wir nicht selber irgendwie noch weiter Krankheiten verbreiten, durch Handelswege, durch unbedachte Interaktionen, dass wir auch neue Arten irgendwo einführen in Regionen oder in Gegenden, in Ökosysteme, die nicht dafür gemacht sind. Das alles hat einen erheblichen Einfluss und kann sich nicht mit Gentechnik reparieren lassen.
"Das ist alte Gentechnik"
Fecke: Nun haben wir eigentlich schon relativ lange gentechnisch veränderte Organismen auf dem Acker. Wie unterscheiden die sich denn von den Organismen, die mit der Crispr/Cas-Methode verändert wurden?
Then: Einmal technisch. Das ist alte Gentechnik, die Pflanzen, die da angebaut werden. Da sind die Eingriffe nicht so gezielt. Sie sind resistent gemacht gegen Unkrautvernichtungsmittel, gegen Herbizide. Und dann aber auch im Hinblick auf die Anwendungen. Bisher hat keiner versucht, mit der Gentechnik in die natürlichen Populationen reinzugehen, oder ganz selten. Nur bei Bäumen gibt es ganz wenige Ausnahmen bisher, wo man das versucht hat. Bisher hat man eigentlich versucht, die Pflanzen auf dem Acker zu lassen oder im Labor einzugrenzen.
Jetzt gibt es immer mehr Anwendungen bis hin zu Korallen, bis hin zu Bienen, Mikroorganismen, die man freisetzen kann, oder irgendwelche Mücken oder Fliegen, die man gentechnisch verändert. Das heißt, man möchte jetzt mit der neuen Gentechnik auch neue Anwendungsgebiete erschließen und denkt dabei an die natürlichen Populationen, und davor warnen wir sehr. Hier wird oft zu sehr von der Perspektive der Gen-Ingenieure gedacht, was letztlich alles nur Biochemie ist. Das ist ein Stückchen DNA, was verändert werden kann. Wenn man es aber aus ökologischer Perspektive sieht oder aus Sicht der Evolutionstheorie, dann ist das natürlich viel, viel komplexer, und der Mensch ist nicht in der Lage, dort den Eingriff wirklich zu beherrschen oder vorherzusagen, ob das gut geht oder nicht.
Fecke: Wie müssten denn die Bedingungen sein, um solche gentechnisch manipulierten Arten überhaupt ins Freiland zu lassen?
Then: Wir denken, dass eine einfache Regel hier weiterhelfen würde, dass man nichts freisetzt, was man nicht kontrollieren kann. Wenn man das dann auf die bisherige Gentechnik anwendet - man kann sich vorstellen, dass man Maispflanzen wieder vom Acker holt. Aber wenn ich mit Bäumen in den Wald gehe und die sich dort ausbreiten und der Pollen fliegt über mehrere Kilometer, dann kann ich das nicht zurückholen. Da muss die Grenze ganz klar da liegen, wo der Mensch seine Handlungen auch wieder rückgängig machen kann und wo er die unkontrollierte Ausbreitung dieser Organismen verhindern kann.
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