Mit dem Ende der Eiszeit vor 11.700 Jahren begann der bislang jüngste Zeitabschnitt der Erdgeschichte: das Holozän. Die Frage, ob wir heute noch im Holozän leben oder uns mit dem Anthropozän ein eigenes Zeitalter geschaffen haben, richtet sich an Stratigraphen: an Geologen, die Gesteine anhand von Fossilien und anderen Merkmalen den Epochen der Erdgeschichte zuordnen, erklärt Jan Zalasievicz von der University of Leicester und Leiter der Anthropozän-Arbeitsgruppe bei Internationalen Stratigraphischen Kommission:
"Falls das Anthropozän eine geologische Zeiteinheit ist, muss es charakteristische Gesteine geben, die diese Zeiteinheit von anderen unterscheiden."
Offenbar sind die Indizien für einen so tief greifenden Eingriff des Menschen in das System Erde überwältigend. So werden Verschiebungen in den Kohlenstoffisotopen selbst noch in Hunderten Millionen Jahren den intensiven Einsatz fossiler Brennstoffe verraten.
"Wir produzieren auf rund 40 Prozent der Erdoberfläche Lebensmittel, und dafür haben wir Wälder oder Sümpfe in Agrarflächen verwandelt. Dadurch ersetzen wir in den Sedimenten von heute die vielfältigen Pollengemeinschaften früherer Zeiten durch die Pollen unserer Kulturpflanzen."
"Einige Städte werden fossilisiert werden, weil sie in Gebieten liegen, in denen die Erdkruste absinkt"
Der Düngereinsatz in der industriellen Landwirtschaft erzeugt bizarre Verwerfungen bei Stickstoff- und Phosphorisotopen. Und dank der Industrie steigt in den Sedimenten der Gehalt an Metallen wie Cadmium oder Chrom sprunghaft an.
"Wir machen so viele Neues auf der Erde. Ein anderes Beispiel ist die Ausbreitung der Megastädte. Einige Städte werden fossilisiert werden, weil sie in Gebieten liegen, in denen die Erdkruste absinkt. Städte wie Shanghai ... "
Straßen werden sich einmal durch Anreicherungen von Platin oder Palladium aus den Autokatalysatoren erkennen lassen. Und aus Tunneln und Leitungen werden Spurenfossilien, menschengemachten Pendants der Wurmgänge früherer Zeiten:
"Ein noch bemerkenswerteres Signal wird die Invasion neuer Arten sein. In all' den Milliarden Jahren Erdgeschichte sind niemals Arten von jedem Kontinent auf jeden anderen gelangt und von jedem Meeresbecken in jedes andere. Diese Homogenisierung prägt sich klar als paläontologisches Signal durch, solange es Leben auf der Erde gibt."
Sie wird ebenso wie das massenhafte Aussterben zahlloser Arten den Fortgang der Evolution bestimmen. Doch wann wurden diese Entwicklungen so übermächtig, dass sie die Erde dominieren? Vieles spreche für die Mitte des 20. Jahrhunderts, erklärt Reinhold Leinfelder von der Freien Universität Berlin:
"Denn dort ist nun alles sehr stark beschleunigt worden. Wir sprechen hier von der großen Beschleunigung"
Diese Große Beschleunigung hinterlässt in den Gesteinen eine rund um den Globus leicht zu erkennende Grenzschicht, die es zuvor in der Menschheitsgeschichte nicht gab:
"Wir sind großmaßstäblich an Erdöl und Erdgas herangekommen, wir haben vor allem Atombombenversuche gemacht und haben hier radioaktiven Niederschlag, der sich für eine Grenzschicht eigentlich sehr, sehr gut eignet."
Falls die Menschen-Zeit begonnen haben sollte, ist eine Frage offen: Hat das Anthropozän das Zeug zu einer langdauernden geologischen Einheit wie beispielsweise die Kreidezeit. Oder wird es eher eine Zäsur - ein "Betriebsunfall" wie der, der die Dinosaurier von der Erde tilgte. Damals begann erst danach etwas Neues - ohne die Dinos.