Silvia Engels: Bei einigen wichtigen Steueraspekten des Klimapakets der Bundesregierung braucht es die Zustimmung des Bundesrates, und das führte dazu, dass sich Vertreter von Regierungsfraktionen mit Ländervertretern im Vermittlungsausschuss in den letzten Tagen über mögliche Kompromisslinien gebeugt haben. Besonders relevant dabei: Die Grünen. Denn sie haben ja das Klimapaket als zu klein abgelehnt und sie regieren in vielen Landesparlamenten mit. Nun ist eine Einigung da.
Über die sich abzeichnende Einigung beim Klimapaket sprechen wir nun mit Matthias Miersch, Fraktionsvize der SPD und in dieser Rolle zuständig für Umweltfragen. Guten Tag, Herr Miersch.
Matthias Miersch: Ich grüße Sie.
Engels: Gerade dem linken Flügel der SPD, dem Sie ja auch angehören, waren die ursprünglichen Klimabeschlüsse der Bundesregierung zu wenig ambitioniert. Nun ein höherer CO2-Einstiegspreis. Wie haben sie die Union herumgekriegt?
Miersch: Das Entscheidende ist erst mal, dass wir alle es zusammen geschafft haben, nämlich die Grünen, die CDU, die CSU und die SPD. Wir haben ein bisschen Dynamik von unserem Parteitag aus mitgenommen. Aber entscheidend ist auch - und da war ja die große Diskrepanz: Ist über einen Preis eine Lenkungswirkung herzustellen?
Da haben wir immer gesagt, ein Signal ist gut, aber wer über den Preis alleine lenken will, der nimmt soziale Verwerfungen im Zweifel in Kauf. Ein Einstiegspreis, wie die Grünen ihn beispielsweise gefordert haben, von 60 Euro hätte viele, viele Bürgerinnen und Bürger überfordert, und insofern ist das mit 25 Euro ein guter Einstieg, der dann langsam anwächst. Alle können sich darauf einstellen, Förderprogramme müssen aufgelegt werden. Und insofern: Der Grundkonsens, das ist das Entscheidende, und da haben alle mitgewirkt.
"Das Thema erneuerbare Energien, muss ganz oben auf die Tagesordnung"
Engels: Bleiben wir noch kurz dabei. Sie haben auf die neue Dynamik von der neuen Parteispitze beziehungsweise vom Parteitag gesprochen. Ging es denn so weit, dass Sie auch mit Koalitionsbruch gedroht haben, um die Union hier zu Zugeständnissen zu bewegen?
Miersch: Nein, in keiner Weise. Ich habe ja selbst an der Arbeitsgruppe teilgenommen, die jetzt vom Vermittlungsausschuss gebildet worden ist. Das war eine ganz, ganz konstruktive Atmosphäre von Grünen, von CDU/CSU und von SPD-Seite, und insofern, glaube ich, hatten wir hier alle den Willen zu liefern. Und das ist ja auch ganz entscheidend, weil wir reden hier über viele Jahre, wo es jetzt Planungssicherheit geben muss, und der CO2-Preis war ja immer ein Symbol, wo einige suggeriert haben, wenn der nur hoch genug ist, dann retten wir das Klima.
So ist das ja nicht, sondern wir haben einen langen Transformationsprozess in dieser Gesellschaft vor uns. Insofern ist der politische Konsens von diesen drei Parteien auch ganz entscheidend, finde ich, jetzt für die nächsten Jahre. Auch über Wahlen hinweg herrscht so Planungssicherheit zumindest in einem Bereich.
Ich sage aber auch ganz bewusst: Das reicht alles noch nicht aus. Worüber im Moment keiner redet ist: Wir haben den Kohleausstieg vereinbart mit einer Kommission. Der ist noch überhaupt nicht gesetzt. Da muss Peter Altmaier jetzt schleunigst liefern. Und das Thema erneuerbare Energien, das muss ganz oben auf die Tagesordnung gesetzt werden, weil wenn wir da nicht liefern, dann können wir uns Kohle- und Atomausstieg schenken, und deswegen sind die Hausaufgaben noch lange nicht gemacht und es gibt keinen Grund zum Zurücklehnen.
Engels: Darauf kommen wir gleich noch zu sprechen. Bleiben wir erst mal bei diesen 25 Euro pro Tonne CO2. Das Ganze soll ab 2021 so kommen, dann ansteigend auf 55 Euro. Wenn man das umlegt, in welcher Form auch immer, auf die fossilen Energieträger Benzin, Kohle, Gas, dann ist das ja schon viel für Kleinverdiener. Da sind wir genau bei der sozialen Komponente, die die SPD immer gefordert hat und die, wie Sie sagen, jetzt auch weiter vorhanden ist. Wie denn?
Miersch: Dadurch, dass wir mit 25 Euro einsteigen, ist das ein moderater Einstieg. Es gab die anderen Vorschläge von grüner Seite beispielsweise, bei 60 Euro zu beginnen. Deswegen ist der Vorwurf von Robert Habeck, wir hätten unseren Parteitag vergessen - die Frage stelle ich ihm. Er hat einen Parteitagsbeschluss von 60 Euro. Aber lassen wir diese Gefechte, sondern konzentrieren uns auf das, was wir jetzt alle miteinander vereinbart haben.
Ganz entscheidend finde ich, dass einmal die Zusage existiert, dass mit den Einnahmen tatsächlich die EEG-Umlage gemildert werden soll. Das ist das, was alle zahlen müssen, leider die Bürgerinnen und Bürger viel, viel stärker als zum Beispiel energieintensive Unternehmen, die wir befreien. Deswegen ist da eine Schieflage in den letzten Jahren entstanden. Das ist eine konkrete Entlastung, von dem jeder Haushalt partizipieren wird.
Die Pendlerpauschale, die die Grünen ja die ganze Zeit kritisiert hatten, wird jetzt noch mal angehoben im Jahre 2024 für gerade die Pendlerinnen und Pendler, die über 20 Kilometer pendeln müssen und sicherlich in dieser Zeit noch nicht die Möglichkeit haben, ganz schnell umzusteigen. Aber die Hoffnung ist dann da, dass wir in den nächsten Jahren durch gezielte Förderprogramme beispielsweise in die Elektromobilität auch umsteigen können und immer mehr Leute umsteigen werden, so dass diese preislichen Komponenten ab 2025 - denn da kann es dann wirklich auch massiv höher werden -, dass wir dort die Möglichkeiten haben, tatsächlich umzusteigen als Bürgerin und Bürger - auch die, die über "normale" Einkommen verfügen.
Parallel dazu gibt es massive Förderungen in neue Heizungssysteme, so dass wir, glaube ich, diesen preislichen Anstieg moderat machen, und dann aber genug Möglichkeiten auch bieten, um den Umstieg zu finanzieren.
"Wir müssen unser Verkehrssystem wirklich umstellen, auch in der Antriebstechnologie"
Engels: Aber klimaschutz-politisch betrachtet bleibt es ja ein Widerspruch, einerseits nun den CO2-Ausstoß zu verteuern, auf der anderen Seite gleichzeitig die Pendlerpauschale zu erhöhen. Die kriegt man zwar auch, wenn man ÖPNV nutzt, aber es betrifft ja viele Langstreckenpendler, die nicht so einfach umsteigen können. Da erreicht man am Ende doch keine Lenkungswirkung.
Miersch: Deswegen noch mal: Mein ganz fester Grundsatz ist, dass ich über einen Preis alleine nicht eine Lenkungswirkung entfalten kann. Deswegen ist zum Beispiel, was der SPD-Bundesparteitag beschlossen hat, die Investitionen in neue Mobilitätskonzepte, in den öffentlichen Personen-Nahverkehr, in den Regionalverkehr, ein ganz, ganz zentraler Punkt. Wir werden, wenn wir die nächsten zehn, 20 Jahre denken – und das müssen wir in diesen zeitlichen Perspektiven -, unser Verkehrssystem wirklich umstellen, auch in der Antriebstechnologie.
Deswegen ist die Frage, mache ich den Preis so hoch, dass ich Menschen zwinge zum Umstieg, ohne ihnen gleichzeitig Alternativen zu bieten, hoch gefährlich, und da waren wir immer dagegen. Das unterschied uns in den letzten Monaten von den Grünen und deren Ansätzen. Deswegen ist es noch mal so, dass wir sagen: Ja, CO2 kriegt einen Preis, wir steigen moderat ein, jeder kann sich auch darauf einstellen.
Wir werden aber parallel dazu andere Antriebstechnologien fördern, die dann CO2-ärmer sind, und daraus kann dann perspektivisch wirklich ein Konzept entstehen, weil ich das, was CO2 ausmacht, belaste und das andere entlaste und anreize. So können wir, glaube ich, im Heizungsbereich, auch im Verkehrsbereich letztlich diese Transformation schaffen. Wie gesagt, wir denken jetzt in den nächsten zehn, 20, 30 Jahren, um dann 2050 tatsächlich die Ziele von Paris erreichen zu können.
Engels: Herr Miersch, Sie haben den SPD-Parteitag angesprochen. Da gab es ja in Sachen Klimaschutz noch ganz andere Forderungen der Delegierten. Da gab es den Beschluss, den größeren Abstand von Windrädern von Ortschaften zu verhindern, Tempolimit auf Autobahnen, Kohleausstieg auf 2035 vorziehen. Was davon wird tatsächlich in der Regierung umgesetzt?
Miersch: Ja, ich hoffe, ganz viel, und das wird jetzt auch in den nächsten Monaten sicherlich die entscheidende Aufgabe der Regierung, vor allen Dingen des Bundeswirtschaftsministers sein. Wir haben einen Bericht der Kohlekommission, eine Entscheidung, die diese Kommission wirklich unter ganz vielen unterschiedlichen Interessensgruppen zustande gebracht hat, ein riesen Erfolg, finde ich, gesellschaftlichen Konsens. Nur so wird man große Prozesse umsetzen können. Da gilt es jetzt, das in Gesetzesform zu gießen. Da sitzt jetzt der Bundeswirtschaftsminister dran.
Ich erwarte, dass wir in den nächsten zwei Monaten dort wirklich richtig weiterkommen und im Zweifel im März das Ganze durch den Deutschen Bundestag bringen können. Das müssen wir auch tun, damit da Planungssicherheit ist, und dieser Kommissionsbeschluss sieht tatsächlich vor, dass das letzte Kraftwerk 2038 abgeschaltet werden kann, aber geprüft werden soll, ob ein früherer Ausstieg möglich ist. Entscheidend ist aber, was wir an Kapazitäten schon 2023 vom Netz nehmen und 2030. Das sind schon mal rund 60 Prozent der Kohlekraftwerks-Kapazitäten. Vergleicht man das mit Frankreich und anderen Ländern, die auf Atomkraft setzen, so geht hier Deutschland wirklich Riesenschritte in Richtung Klimaschutz, anders als die Länder, die weiter auf Atomkraft beispielsweise setzen.
Das zweite große Thema ist das Thema erneuerbare Energien. Da haben wir einen klaren Beschluss, dass wir im Jahre 2030 65 Prozent erneuerbare Energien haben wollen am Brutto-Stromverbrauch, und das muss jetzt tatsächlich auch im Wirtschaftsministerium anerkannt werden. Und dann werden wir daraus ableiten, wieviel Wind wir brauchen, wieviel Fotovoltaik wir brauchen. Die Abstandsregeln müssen sich an diesem oberen Ziel ganz fest orientieren.
"Das ist die Gefahr, wenn man dann Leute nicht mitnimmt"
Engels: Und wenn Sie diese, von mir zitierten SPD-Parteitagsbeschlüsse nicht kriegen, dann steigen Sie aus?
Miersch: Ach, das ist wieder diese beliebte Frage, ja oder nein, gut oder böse. Ich bin ein positiv denkender Mensch und glaube, dass Peter Altmaier und die CDU/CSU sich auch an diesen Beschlüssen orientieren. Davon gehe ich jetzt erst mal aus und alles andere sehen wir dann.
Engels: Die AfD hat als neues Thema die Gegenwehr gegen das Klimapaket und gegen Verteuerung von Benzin und Heizen gesetzt. Wie groß sehen Sie die Gefahr, dass das bei vielen Wählern verfängt, die sich früher von der SPD vertreten sahen?
Miersch: Ja, das ist in der Tat ein Thema, was wir ja auch schon in Amerika beispielsweise bei Trump gesehen haben. Wenn wir diesen gesellschaftlichen Zusammenhalt aufs Spiel setzen - und das ist meine Argumentation auch immer gegen die Rhetorik der Grünen gewesen, machen wir einen Preis und machen wir eine Lenkungswirkung; auch der eine oder andere Wissenschaftler hat gesagt, wir brauchen nur einen hohen CO2-Preis, dann kriegen wir das alles hin -, das ist die Gefahr, wenn man dann Leute nicht mitnimmt, dass sie wirklich in die andere Ecke gehen, denen letztlich dann sogar noch eine Stimme geben, die sagen, es gibt keinen von Menschen gemachten Klimawandel, und dann wäre dem Klima nicht geholfen, weil wir dann plötzlich politische Mehrheiten haben, die alles andere als Klimaschutz machen werden.
Deswegen muss man sehr behutsam sein zwischen Preissignalen und anderen politischen Instrumenten, und deswegen sage ich, das Preissignal ist ein Baustein, den haben wir jetzt hoffentlich zwischen CDU/CSU, Grünen und SPD geklärt. Aber die ordnungsrechtlichen Maßnahmen, welche Rahmen setzen wir, welche Förderungen geben wir, die sind an vielen Stellen noch offen und die werden wir in den nächsten Monaten und Jahren gemeinsam in diesem Land formulieren müssen. Am Ende muss diese Gesellschaft zusammenbleiben. Das ist das Entscheidende.
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