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Asyl-Krisenverordnung der EU
Einigung mit Berlin scheint in Reichweite

Mit der sogenannten Krisenverordnung will sich die EU gegen eine neue Flüchtlingskrise wappnen. Sie ist der letzte Baustein der Reform des Gemeinsamen Asylsystems (Geas), mit dem die Lehren aus der Flüchtlingskrise 2015 und 2016 gezogen werden sollen. Sie soll Ausnahmen von den üblichen Asylverfahren und -fristen ermöglichen, wenn besonders viele Migranten nach Europa kommen. Hier die wichtigsten Punkte.

    Flüchtlinge stehen in Slowenien in einer Schlange für Essen an.
    Flüchtlinge stehen in Slowenien in einer Schlange für Essen an. (picture alliance / EPA / Antonio Bat)
    Vorgesehen ist in Krisenfällen ein verschärftes Vorgehen gegen Zuwanderer. So sollen deutlich mehr Migranten direkt an den Außengrenzen Verfahren durchlaufen und auch direkt dort abgewiesen werden können. Unter der Krisenverordnung würden diese Grenzverfahren sogar Migranten mit guten Asylchancen treffen. Zudem könnten die Menschen länger in Lagern an Europas Außengrenzen festgehalten werden. Im Gespräch sind bis zu 20 Wochen.
    Mitgliedsländer könnten zudem die Standards bei der Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen senken. Das dürften die EU-Staaten allerdings nicht im Alleingang tun, die EU-Kommission in Brüssel müsste den Krisenfall offiziell ausrufen.

    Wie stehen die Mitgliedstaaten zu den Plänen?

    Zuletzt gab es im Ministerrat eine Blockade. Polen, Ungarn, Tschechien und Österreich hatten bei einer Abstimmung im Juli gegen den Vorschlag gestimmt, weil ihnen die Pläne nicht weit genug gehen. Deutschland, die Niederlande und die Slowakei hatten sich enthalten. Zusammen verhinderten diese Länder einen Beschluss mit qualifizierter Mehrheit. Das bedeutet: mindestens 15 EU-Länder, die für 65 Prozent der europäischen Bevölkerung stehen.

    Wie ist die Haltung der Bundesregierung?

    Deutschland ist als Land mit dem größten Stimmgewicht in Brüssel unter Druck, den Weg für eine Einigung freizumachen. Die Grünen blockierten bisher eine deutsche Zustimmung, weil sie ein breites Absenken von Asylstandards in Europa fürchteten. Davor hatten im Juli auch 55 Organisationen gewarnt, unter anderem Amnesty International und die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Außenministerin Baerbock (Grüne) erklärte zudem, die Krisenverordnung würde "de facto wieder Anreize für eine Weiterleitung großer Zahlen unregistrierter Flüchtlinge nach Deutschland setzen".
    Sie können hier ein Dlf-Interview mit Baerbock nachlesen.

    Kommt nun Bewegung in die Verhandlungen?

    Danach sah es kurz vor dem Innenministertreffen in Brüssel aus. EU-Diplomaten sprachen "von einem möglichen Deal, wenn Berichte über ein deutsches Einlenken korrekt sind". Aus dem Auswärtigen Amt in Berlin hieß es, in Brüssel werde nun "endlich richtig verhandelt".
    Nach übereinstimmenden Medienberichten soll Bundeskanzler Scholz (SPD) ein "Machtwort" gegenüber den Grünen gesprochen haben. Die FDP als dritter Ampel-Partner hatte zuvor wegen der steigenden Migrantenzahlen auf deutsche Zustimmung gedrungen. Zwischen Januar und August gab es in Deutschland offiziell gut 204.000 Erstanträge auf Asyl, das waren 77 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.

    Warum drängt das Thema so?

    Die Asylreform soll bis zur Europawahl im Juni 2024 stehen, um Rechtsextremen und Populisten in der Flüchtlingsdebatte den Wind aus den Segeln zu nehmen. Dafür müssen sich die EU-Länder noch mit dem Europaparlament auf ein gemeinsames Gesetzespaket einigen. Das Parlament droht seinerseits mit einer Blockade der Verhandlungen, solange die Krisenverordnung nicht konsensfähig ist.
    (Mit Material der AFPD)
    Diese Nachricht wurde am 27.09.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.