Ob sie denn nun zufrieden sei, will die Moderatorin wissen. Birte Meier lacht daraufhin kurz, atmet einmal durch und antwortet, bei einem achtjährigen Gerichtsstreit „müssten mir die Leute mit dem Lkw Geld vor die Tür fahren, damit ich das in Ansätzen angemessen vergütet fände“. Denn, so Meier im Interview mit dem Deutschlandfunk wenige Stunden, nachdem sie die Einigung öffentlich gemacht hat, man müsse sehen, was in den acht Jahren alles passiert sei.
Also ein Blick zurück, ganz auf den Anfang: 2015, das ist das Jahr, in dem alles beginnt: Meier arbeitet bereits seit gut acht Jahren für Frontal 21, dem politischen Magazin im ZDF am Dienstagabend. In diesem Jahr berichtet Meier unter anderem über Milliardengeschäfte der Zalando-Gründer, eine Reportage, die auf der Short-List für den renommierten Ernst-Schneider-Preis landet.
Doch noch wichtiger wird für die TV-Journalistin eine Recherche in eigener Sache, die ebenfalls 2015 ihren Anfang nimmt.
Lange erfolglos vor Gericht
Meier findet bei einer Weihnachtsfeier heraus, dass sie in ihrer Redaktion deutlich schlechter bezahlt wird als männliche Kollegen mit gleichen Aufgaben – und auch mit gleichem Status als fest-frei Beschäftigte.
Sie verklagt daraufhin das ZDF. Ihr Ziel erst einmal: eine Bestätigung ihrer Entdeckung. Meier will Auskunft über die Vergütungen männlicher Kollegen erhalten, um anschließend vor Gericht einen Ausgleich für entsprechende Gehaltsunterschiede einzufordern. Doch soweit kommt es damals vorerst nicht.
Denn das Berliner Arbeitsgericht weist 2017 die Klage zurück, genau wie das Landesarbeitsgericht (LGA) zwei Jahre später Meiers Berufung. Und das obwohl da bereits das Entgelttransparenzgesetz gilt, das es Angestellten von Unternehmen ab 200 Beschäftigten möglich machen soll, Auskunft über die Gehälter ihrer Kollegen zu erhalten. Doch das LGA vertritt noch 2019 die Ansicht, die Klägerin müsse nachweisen, dass Unterschiede bei der Bezahlung auf ihrem Geschlecht beruhten.
GFF: ZDF argumentiert widersprüchlich
Und wie argumentiert das ZDF? Der Sender habe vor Gericht mehrfach neue, zum Teil widersprüchliche Erklärungen für die schlechtere Bezahlung der Klägerin vorgebracht, urteilt die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), die Meier seit 2017 unterstützt.
„Mal sollten Berufserfahrung, Betriebszugehörigkeit oder ein Studienabschluss in Journalismus die höheren Vergütungen rechtfertigen, mal hieß es, die Honorare wären weitgehend frei verhandelbar gewesen“, so die GFF, die in einer aktuellen Erklärung zu dem Vergleich deshalb mutmaßt, „dass man sich beim ZDF selbst nicht klar ist, nach welchen Kriterien Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen vergütet werden“.
Das ZDF will sich gegenüber dem Deutschlandfunk nicht zu der Frage äußern, ob sich im Laufe des Rechtsstreits der eigene Blick auf das Thema geändert habe – genau wie irgendwann der der Gerichte. Denn das Bundesarbeitsgericht erklärt 2020 in einem Grundsatzurteil, auch arbeitnehmerähnlich Beschäftigte dürften Auskünfte über männliche Vergleichsgehälter nach dem Entgelttransparenzgesetz verlangen.
Und dann die Gewissheit: 800 Euro weniger
Die Zahlen, die das ZDF daraufhin veröffentlicht, bestätigen Meiers Verdacht: 2017 hatte ihr Gehalt um 800 Euro unter dem mittleren Gehalt vergleichbarer männlicher Kollegen gelegen. Eine Zahl, die nun zu dem Vergleich geführt hat.
Welche Summe Meier genau erhält, wollen weder sie noch das ZDF verraten. Noch vor einem halben Jahr erklärte Meier in der „Zeit“, ihr früherer Arbeitgeber habe ihr 110.000 Euro geboten, „damit ich die Klappe halte“.
Parallel zu diesem Interview erschien „Equal Pay Now“, ein Buch, in dem Meier „endlich gleiches Gehalt für Frauen und Männer“ fordert. Für die Journalistin, die inzwischen als „Chefreporterin Investigativ“ bei den RTL News arbeitet, ist das ganze Thema längst kein rein persönliches mehr: Insgesamt habe sich die Rechtsprechung während ihres Rechtsstreits zum Besseren gewendet und das lasse sich mit Geld gar nicht aufwiegen, sagt sie im Deutschlandfunk. "Das bedeutet, der ganze mühsame Weg war nicht umsonst."
Ungleiche Bezahlung sei nicht nur ein Problem des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und auch keines des Journalismus, sondern es betreffe so gut wie alle Branchen. In den acht Jahren habe sich bereits eine Menge verändert, aber es gebe noch immer viel zu tun.
Expertin fordert: EU-Richtlinie zügig umsetzen
Das Beispiel von Birte Meier zeige, was noch im Argen liege in Deutschland, findet Henrike von Platen. Die Unternehmensberaterin und Kämpferin für gleiche Bezahlung fordert gegenüber dem Deutschlandfunk eine zügige Umsetzung der EU-Richtlinie in nationale Gesetzgebung. Diese sei seit Jahrzehnten überfällig. „Und auch wenn Deutschland hier wohl nie eine Vorreiterrolle einnehmen wird, so wäre Tempo durch Transparenz mehr als an der Zeit“, so von Platen.
Deutschland gehöre bei der Gleichbezahlung von Frauen europaweit zu den Schlusslichtern, kritisiert auch die GFF. Das habe auch damit zu tun, dass der Gesetzgeber bindende EU-Vorgaben aus den 1970er-Jahren bis heute nicht vollständig umgesetzt habe.
„Wir alle müssen mehr über Geld sprechen“, findet Henrike von Platen. Das sei dann ein erster Transparenzschritt. Denn keine Frau könne im Alleingang das Problem für ein ganzes Land lösen. „Und wir sollten dies Menschen wie Birte Meier, der ich sehr dankbar bin für Tapferkeit und Durchhaltevermögen, auch nicht weiter zumuten.“
Journalistinnenbund: Respekt für Birte Meier
Die Geschichte von Birte Meier spielt im Medienumfeld – und dürfte auch dort kein Einzelfall sein. Meier verdiene „tiefen Respekt von uns Frauen in den Medien“, betont Friederike Sittler, Deutschlandfunk-Kultur-Redakteurin und Vorsitzende des Journalistinnenbundes, der Meier in den acht Jahren des Rechtsstreits unterstützt hat.
„Mit ungeheurer Hartnäckigkeit, Niederlagen und persönliche Angriffe wegsteckend, hat sie sich durch die Instanzen gefochten, so dass im Jahr 2020 das wegweisende Grundsatzurteil gesprochen wurde“, sagte Sittler gegenüber Deutschlandfunk.
Mit dem Vergleich wisse man allerdings nicht, was das Berliner Arbeitsgericht entschieden hätte. Das Einlenken des ZDF deute allerdings darauf hin, dass die Signale auf grün für Equal Pay gestanden hätten. „Gut so“, findet Sittler.
Doch es bleibe das Problem, dass noch immer Betriebe auf die Idee kämen, Frauen bei gleicher Ausbildung und Tätigkeit weniger Geld zu zahlen. „Jede davon betroffene Frau muss zunächst einmal den Verdacht haben, dass es so sein könnte und sich dann trauen, die Vorgesetzten anzusprechen.“ Wer im Betrieb keine Gerechtigkeit erfahre, müsse wie Birte Meier den juristischen Weg gehen – und der sei allen Erfolgen zum Trotz nach wie vor steinig.